Mannheim/Köln. Der tödliche Messerangriff auf den jungen Polizisten Rouven Laur in Mannheim vor mehr als drei Monaten hat den Imam Mahmood Ahmad Malhi schwer bewegt – und das tut es bis heute. Der gebürtige Mannheimer hat deshalb am vergangenen Sonntag zu einer Fahrraddemonstration in Köln aufgerufen. 150 Menschen haben teilgenommen. Jetzt soll jedes Jahr an Rouven Laur erinnert werden. Malhi hofft, dass seinem Beispiel noch mehr Imame und Muslime in Deutschland folgen.
Mahmood Ahmad Malhi: Seit dem tragischen Tod des Polizisten habe ich keine Ruhe mehr gefunden. Ich erinnere mich noch genau an den Tag, als ich diese schreckliche Nachricht erhalten habe. Ich konnte nichts essen, ich konnte nicht schlafen und habe mir die ganze Zeit Gedanken gemacht, wie wir und ich als Imam solche Taten verhindern können. Ich habe mit Tränen in den Augen gebetet, dass Rouven Laur das irgendwie schafft. Bei der Demo wollten wir zeigen, dass wir alle Menschen sind, solche abscheulichen Taten verurteilen und fest an der Seite der Polizisten stehen, die ihr Leben riskieren, damit wir sicher in Frieden leben können.
Warum jetzt, mehr als drei Monate nach dem Messerangriff am Mannheimer Marktplatz?
Malhi: Den Ausschlag gegeben hat ein Artikel über eine SWR-Doku, in der Rouven Laurs Schwester zu Wort kam. Sie wurde in dem Artikel mit den Worten zitiert: „Wir haben ja diese riesige Welle bemerkt, in den Medien, bei Social Media, überall. Aber es soll auch weitergehen, dass es nicht in vier Wochen wieder vergessen ist und man dann den Tod meines Bruders als sinnlos abstempelt.“ Als ich das gelesen habe, hat mich das tief getroffen. Ich habe auch eine persönliche Bindung zu Mannheim, die alles noch mal verstärkt: Ich bin dort geboren und aufgewachsen, meine Eltern und meine Geschwister leben heute noch in der Stadt. Wir, Muslime des Ahmadiyya Muslim Peace Cycling Club Köln, wollen jedes Jahr solch eine Demo und verschiedene Veranstaltungen organisieren und für ein gutes Miteinander zwischen Bürgern und Polizei werben: immer am 2. Juni, an Rouven Laurs Todestag.
Warum haben Sie das Gefühl, da als Muslim und in Ihrer Rolle als Imam Haltung zu zeigen?
Malhi: Ein Imam ist ein Vorbild für seine Gemeindemitglieder und gleichzeitig ein Repräsentant des Islam. Deshalb trage ich eine besondere Verantwortung, für Frieden und Gerechtigkeit einzutreten. Wenn der Imam etwas sagt und ein Zeichen setzt, dann machen das die Gemeindemitglieder auch mit. Zudem ärgert es mich, wenn meine Religion falsch dargestellt oder mit Gewalt in Verbindung gebracht wird. Denn der Islam lehrt Barmherzigkeit und das Wohl der gesamten Menschheit. Es ist wichtig, dass man das zum Ausdruck bringt. Im Koran steht: „Wenn jemand einen Menschen tötet, so ist es, als hätte er die ganze Menschheit getötet. Und wer einem Menschen das Leben rettet, so ist es, als habe er die ganze Menschheit gerettet.“ Rouven Laur ist nach islamischem Verständnis also ein Held – und der Täter hat die ganze Menschheit getötet.
Erwarten Sie solche Zeichen von noch mehr Muslimen und Imamen?
Malhi: Ja, ich würde mir da noch mehr Signale wünschen. Wenn gleichzeitig in Hunderten deutschen Städten und Gemeinden solche Botschaften für ein friedliches Miteinander rausgehen, dann können wir was ganz Positives erreichen.
Warum sind da manche zurückhaltender?
Malhi: Weil sie sich fragen: Warum müssen wir uns die ganze Zeit positionieren? Dass man Muslime nach solchen Taten unter Generalverdacht stellt, tut weh. Wir leben jetzt so lange in Deutschland, ich bin hier geboren und wir sind so erzogen worden, dass wir mit unserem letzten Blutstropfen Deutschland beschützen würden und uns für ein gutes Miteinander in der Gesellschaft einsetzen. Wir haben muslimische Polizisten, Juristen, Lehrer, Ingenieure, Architekten und viele mehr, die Tag und Nacht zum Fortschritt Deutschlands beitragen. Manche halten sich dann zurück, weil sie nach solchen Taten die Botschaft bekommen: Trotz so viel Ackern für das Land sind wir offenbar immer noch nicht willkommen.
Welches Zeichen wollen Sie mit Blick auf Islamismus und Islam setzen?
Malhi: Man muss den Unterschied zwischen den Begrifflichkeiten machen. Wenn man jetzt immer wieder Islam und Islamismus hört, dann werden diese Begriffe oft vermischt und der Begriff Islam wird in negativer Konnotation verwendet, besonders in Verbindung mit extremistischen Handlungen oder Gewalttaten, die in Wahrheit nichts mit der Religion zu tun haben. Dies führt zu Missverständnissen und Vorurteilen, die das friedliche Bild des Islam verzerren.
Was läuft in den islamischen Einrichtungen schief, die verboten werden, wie kürzlich das Islamische Zentrum in Hamburg?
Malhi: Das Problem liegt oft in der Fehlinterpretation religiöser Texte und der Manipulation durch radikale Kräfte. Es ist wichtig, dass Moscheegemeinden gut ausgebildete Imame haben, die wirklich für den wahren, friedlichen Islam stehen. Und es muss viel mehr überwacht werden, dass man ganz klar sehen kann, was gepredigt wird. Deshalb plädiere ich auch dafür, dass nur auf Deutsch gepredigt wird. Damit man rechtzeitig eingreifen
Mahmood Ahmad Malhi
- Heimatstadt: Mahmood Ahmad Malhi ist in Mannheim geboren und aufgewachsen. Seit Dezember 2016 ist der heute 35-Jährige als Imam der Ahmadiyya Muslim Gemeinde Köln tätig. Der Theologe ist zudem Seelsorger und Mitglied im Rat der Religionen in Köln.
- Muslim-Gemeinde: Die Ahmadiyya Muslim Gemeinde macht sich mit der Botschaft „Liebe für alle, Hass für keinen“ stark für einen friedlichen Islam. Doch ihre Anhänger werden in einigen islamisch-geprägten Ländern ausgegrenzt und teilweise verfolgt.
- Die Religionsgemeinschaft versteht sich als Reformbewegung des Islam.
ann, wenn Menschen manipuliert werden. Wir predigen in unserer Gemeinde ausschließlich in der Landessprache, das zeigt auch die Liebe zum Land.
Wie blicken Sie auf den Aufstieg der AfD, die die Position vertritt: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“?
Malhi: Solche Aussagen sind besorgniserregend, denn damit grenzt die Partei eine große Gruppe von Menschen aus. Der Islam gehört zu Deutschland, weil Muslime fester Bestandteil dieser Gesellschaft sind. Mit diesen Aussagen bringt die AfD auch einzelne Muslime dazu anzufangen, gar das ganze Land oder die Menschen in Deutschland zu hassen. Bei den Jugendlichen in meiner Gemeinde ist das immer wieder Thema, aber wir sprechen dann klar an, dass man da differenzieren muss: Die AfD repräsentiert nicht das, was die Mehrheit in Deutschland vertritt. Und wir versuchen, mit Aktionen wie der Demo zusätzlich für ein gutes Miteinander zu werben. Ein weiteres Beispiel: Als die Flut im Ahrtal so viele Menschen getroffen hat, sind wir drei Monate lang jeden Tag unter dem Motto „Wir sind alle Deutschland, wir sind eine Familie“ von Köln dorthin gefahren, haben Mahlzeiten ehrenamtlich gekocht, die Menschen mit Essen versorgt. Es ist wichtiger denn je, dass wir zusammenhalten und miteinander reden anstatt übereinander. Nur so können wir Ängste abbauen.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-koelner-imam-erklaert-gedenkveranstaltung-fuer-getoeteten-mannheimer-polizisten-_arid,2242977.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html