Soziale Einrichtung

Kinderkaufhaus in der Neckarstadt-West: Wichtigste Artikel ist Teilhabe

Das Kinderkaufhaus der Diakonie in der Neckarstadt-West bietet bedürftigen Familien nicht nur Kleidung und Spielsachen - es ist ein Projekt gegen Ausgrenzung

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
Lesedauer: 
Das Kinderkaufhaus der Diakonie lebt von Spenden – so werden Produkte weitergenutzt statt entsorgt. © Thomas Troester

Mannheim. Charly wünscht sich schon lange Jeans, die sie so aussehen wie jene seiner Freunde - „cool eben“, wie der 13-Jährige sagt. Er weiß, dass daheim das Geld immer knapp ist. Aber seit die Mama in seinem Wohnviertel, der Neckarstadt-West, gleich neben der Luther-Kirche das Kinderkaufhaus Plus der Diakonie entdeckt hat, geht er dort schon mal selbst stöbern und hat schon so manche „klasse Klamotten“ zu kleinem Preis entdeckt.

Tatjana Briamonte-Geiser, Leiterin und Koordinatorin der Einrichtung, weiß aus Erfahrung, dass Armut viele Gesichter hat. Und dazu gehört, dass sich Kinder ausgegrenzt fühlen, wenn sie nicht mithalten können - ob es nun um einen schicken Schulranzen, angesagte Kleidung oder ein angemessenes Geschenk zu einer Geburtstagseinladung geht.

Hier gibt es keinen Ramsch

Im Kinderkaufhaus lautet das Credo für ein Umverteilungsprojekt der besonderen Art: „Geben - Nehmen - Weitergeben“. Auf dass Überfluss nicht in der Tonne landet, sondern dort ankommt, wo Mangel herrscht. Und weil die finanzielle Situation jener Menschen, die in dem etwas anderen Laden einkaufen, sehr verschieden ist, gibt es „Von-bis-Preise“. Das heißt, jede Familie zahlt, was sie kann beziehungsweise was ihr etwas wert ist. Bei diesem Prinzip ist es ganz selbstverständlich, dass manche Mütter zu klein gewordene, aber bestens erhaltene Kindersachen spenden und gleichzeitig selbst etwas kaufen, beispielsweise ein Spiel - und dieses jeweils zum höheren „Von-bis-Preis“, der das Projekt unterstützt.

Mehr zum Thema

Bildung

Früherer Neonazi spricht an Mannheimer Schule: „Wir haben alle gehasst“

Veröffentlicht
Von
Sebastian Koch
Mehr erfahren
Soziales

Darum erhalten Schüler der Mannheimer Friedrich-Ebert-Schule kostenloses Frühstück

Veröffentlicht
Von
Jessica Scholich
Mehr erfahren
Kriminalität

Schon aus zwei Ständen auf Mannheimer Weihnachtsmärkten Geld gestohlen

Veröffentlicht
Von
Steffen Mack
Mehr erfahren

Wer sich in dem Verkaufsraum umschaut, merkt schnell: Hier gibt es keinen Ramsch. Jedes einzelne Teil ist picobello in Ordnung - ob an den Kleiderständern, in den Regalen für Spielzeug und Bücher oder bei den Sportartikeln. Tatjana Briamonte-Geiser und ihre Ehrenamtlichen sorgen dafür, dass weder ein Jacken-Reißverschluss klemmt noch Schuhe mit schief gelaufenen Absätzen ins Sortiment kommen oder bei Lego-Sets Bausteine fehlen. „Mich unterstützt ein wunderbar engagiertes Team“, betont sie und erzählt, dass selbst Puzzles mit tausend Teilen auf Vollständigkeit geprüft werden. Schließlich soll niemand stundenlang am Zusammensetzen eines Bildmotivs tüfteln, um sich am Ende über „Löcher“ zu ärgern.

Und wenn tatsächlich bei Puzzles, Playmobilsets oder Brettspielen Teile beziehungsweise Figuren fehlen, dann wird bei Herstellern nach Ersatz gefragt - „was meist erstaunlich gut hinhaut.“ Und so manch ein hölzerner Kaufmannsladen, der ramponiert abgegeben wurde, oder Schaukelpferde mit allerlei Macken, sind nicht wieder zu erkennen, wenn sie von handwerklich geschickten Pensionären für den Second-Hand-Verkauf aufgemöbelt worden sind.

Zu erschwinglichen Preisen anbieten, was nicht nur zum Alltag gehört, sondern Buben und Mädchen unterstützt, mithalten zu können -das ist das Anliegen des Kinderkaufhauses. Allerdings setzt dies voraus, dass Badeanzüge fürs Schwimmbad, Fußballschuhe zum Kicken, Helme fürs Radfahren oder auch das nur einmal getragene Kommunionskleid gespendet werden. Und weil gerade Schul-Material bei kinderreichen Familien mit geringem Einkommen ein großes Loch ins Budget reißt, gehören auch Hefte, Lineale, Stifte und Co. zum Sortiment - finanziert durch Geldspenden. „Da haben wir eine wahnsinnige Nachfrage“, erzählt ein ehrenamtlicher Pensionär.

Mobiles Projekt gestartet

Einkaufen ist das eine. Zum Konzept gehören aber auch die Begegnung samt der Möglichkeit, ein offenes Ohr zu finden - beispielsweise in der Café-Ecke. Die Erfahrung zeigt: So manch eine alleinerziehende Mutter, der bei Problemen nie in den Sinn kommen würde, einen sozialen Dienst aufzusuchen, öffnet sich im Gespräch mit dem Team.

Dass auch für eine seit elf Jahren existierende Einrichtung immer wieder getrommelt werden muss, weiß Tatjana Briamonte-Geiser nur zu gut. Und dafür nutzt sie neben klassischen Flyern auch soziale Medien wie Facebook. So postete sie zum Schulanfang Fotos von Schultüten mit der Info, was es in dem Mini-Kaufhaus zum Füllen gibt - vom Kuscheltier, kleinen Büchern bis zu Glitzerstiften und Armbänden.

Neue Wege beschreitet das Projekt „Fliegende Kinderkleider“. Weil gerade für einkommensschwache Familien ohne Auto ein Einkaufsausflug in die Neckarstadt-West je nach Wohnort sozusagen einer kleinen „Weltreise“ gleichkommt, hat eine mobile Variante Flügel angesetzt: Zu bestimmten (angekündigten) Terminen kann auch in anderen Stadtteilen günstig eingekauft werden.

Freie Autorin

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke