Mannheim. Der Kalender von Olaf Scholz ist voll. Das bringt das Amt des Kanzlers nun mal mit sich. Für Spontaneität bleibt da kaum Zeit, gerade jetzt nicht, wo viele Krisen in der Außenpolitik aus dem Ruder zu laufen scheinen. Auch in der Innenpolitik sind die Aufgaben groß. „Ich glaube nicht“, antwortet der SPD-Politiker deshalb knapp, aber deutlich einer Bürgerin, ob sich beide für einen Zoom-Call verabreden könnten, um mehr Zeit zum Diskutieren über Freiwilligendienste zu haben.
Natürlich kommt Scholz beim „MM“-KanzlerGespräch in der früheren Schildkrötfabrik mit der Frau dennoch ins Gespräch - wie mit vielen anderen, die um ihn herum sitzen. Der Kanzler signalisiert Optimismus, dass der Bundestag keine großen Kürzungen für den Freiwilligendienst beschließen werde. Auch wenn Scholz bei Antworten auf die vielen und ihm vorher nicht bekannten Fragen selten mit Worten geizt - so klar wie bei der Antwort nach dem Zoom-Call wird er nicht immer. Dennoch fallen auch wichtige Aussagen.

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Bundeskanzler Olaf Scholz über …
… Integration an Schulen
Eine Mutter berichtet über Zustände an Gesamtschulen, von denen einer ihrer Söhne eine besucht. Die Frau, die auch über ihren Migrationshintergrund spricht, kritisiert, dass an Haupt- und Gesamtschulen 80 Prozent der Jugendlichen „nicht fit“ in Deutsch seien. Es sei „in“, nicht richtig Deutsch sprechen zu können. Scholz bedankt sich - wie so oft - freundlich für die Frage. „Es ist wichtig, dass alle, die hier aufwachsen, die deutsche Sprache gut beherrschen und sie auch lernen.“ In der Schule wolle er alle zwei Jahre vergleichende Tests durchführen. „Nicht, um letztendlich die Schüler zu testen, sondern um zu wissen, wo der Stand der Fähigkeiten ist.“ Bei Schwächen könnte dann gezielt nachgesteuert werden, hofft er. Der Vorschlag war vor dem „MM“-KanzlerGespräch noch nicht bekannt.
… den Krieg im Nahen Osten
Eine Studentin will wissen, warum sich Deutschland bei der Resolution der Vereinten Nationen, die den Angriff der Hamas nicht verurteilt, enthalten hat - anstatt sie abzulehnen. Fast acht Minuten lang spricht Scholz - die mit Abstand längste Antwort, die erahnen lässt, wie kompliziert die Situation ist. „Deutschland ist in dieser Sache überhaupt nicht neutral, Deutschland steht an der Seite Israels“, stellt er klar. „Ohne eine klare Verurteilung der Hamas, ohne Benennung des Selbstverteidigungsrechts Israels und mit einer Forderung einer sofortigen Waffenpause, während der sich Israel nicht verteidigen kann, wird es von uns keine Zustimmung geben.“
Auch wenn die eindeutige Verurteilung des Terrors der Hamas noch immer nicht enthalten ist, hätten Deutschland und Partner die Resolution ein Stück weit verändern können, etwa, indem der 7. Oktober als Datum aufgenommen worden sei. „Wir haben vieles hingekriegt, indem wir das Schlimmste verhindert haben.“ Deshalb habe man die Resolution nicht ablehnen können. Der Kanzler berichtet von Gesprächen mit Staatschefs, um ein Eingreifen der Hisbollah aus dem Libanon zu verhindern. „Israel würde einen Krieg auch gegen die Hisbollah wahrscheinlich gewinnen“, sagt er. „Das wäre aber mit furchtbarer Zerstörung verbunden. Da sollte man sich nichts vormachen.“ Er spricht von einer „brenzlig-schwierigen Lage“.
… den Krieg in der Ukraine
„Warum schaffen Sie es nicht, diesen unsäglichen Krieg in der Ukraine zu beenden?“, fragt ein Mann und will wissen, ob „irgendwo Licht am Horizont“ sei. Man könne die Gefahr, die vom russischen Angriff ausgeht, gar nicht überschätzen, sagt Scholz. „Der echte, wirkliche Plan des russischen Präsidenten war, sich die Ukraine ganz oder überwiegend zu nehmen.“ Deshalb sei es richtig, das überfallene Land zu unterstützen. Der Krieg ende aber nicht, nur wenn man sage, er solle enden. „Der Krieg hört auf, wenn der russische Präsident einsieht, dass das so nicht funktionieren kann“, sagt Scholz, der dabei aber auch noch auf Diplomatie hofft. Man stimme sich jeden Tag ab. „Ein Fortschritt darf aber nicht über einen Verrat an der Ukraine, ein eigenes Land zu sein, das sich demokratisch selbst regiert, geschehen.“ Eine Antwort, die kaum Anlass zu übermäßigem Optimismus gibt.
… Bildung
Mehrere Fragen drehen sich um das Thema Bildung. Scholz will, dass künftig mehr Menschen aus Nicht-Akademiker-Haushalten studieren, und begründet dies mit sozialer Gerechtigkeit. Er erklärt zudem, dass es keine Pläne gebe, das Bafög zu kürzen. Beim Thema Digitalisierung indes hätten Schulen starken Nachholbedarf, sagt Scholz und verweist auf ukrainische Jugendliche, die von Deutschland aus digital am Unterricht in der Ukraine teilnehmen können. Er verweist auf Mittel vom Bund im Digitalpakt für eine Förderung der Digitalisierung. Der Kanzler sieht aber auch noch zu wenig Grundverständnis für technologische Entwicklungen. „Beim Thema Auto kann jeder mitreden.“ Längst aber nicht bei Künstlicher Intelligenz. Diese Kompetenzen müssten auch in Bildungseinrichtungen vermittelt werden.
… die CumEx-Affäre
Nichts Neues. Auf die provokant gestellte Frage, ob er sich nicht doch an seine Rolle in der Steuer-Affäre erinnern könne und sich mit Aussagen dazu nicht von Last befreien könnte, antwortet der Bundeskanzler: „Ich erinnere mich an das, an das ich mich erinnere.“ Er werde sich nicht nur aufgrund politischer Wünsche an etwas erinnern. „Das gebietet die Wahrheitspflicht.“ (mit mpt)
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar (mit Video) Die Fragen an Olaf Scholz waren besser als die Antworten