Mannheim. Während vor wenigen Wochen im Jungbusch die Kauffmannmühle brennt, liegt bereits in der Neckarstadt West an der Ecke Luther-/Langstraße ein Berg Müll auf dem Gehweg. Ein kurzer Blick reicht: Es handelt sich nicht um einfachen Sperrmüll. Vielmehr liegen zwischen zerschlissenen Sofas, kaputten Regalen und Matratzen auch wild verstreut Kleider, Hausmüll, Spielsachen und alte Farbeimer, die in den Haus- oder Sondermüll gehören. Für Menschen, die im Sperrmüll nach Wiederverwertbarem suchen, ist hier definitiv nichts zu finden.
Nach einer Woche ist die wilde Müllkippe von einem Einwohner an die Wohnungsbaugesellschaft GBG, der das Mehrfamilienhaus gehört, gemeldet worden. Die GBG hat laut einer Unternehmenssprecherin wiederum die Stadtverwaltung über den Zustand vor dem Haus informiert. Doch zwei Wochen später liegt der Müllberg weiterhin an gleicher Stelle und ist noch einmal deutlich angewachsen.
Ein schnelles Eingreif-Team kümmert sich um wilden Müll.
Der Gehweg ist so voll, dass ein an der Häuserwand abgestelltes Fahrrad nicht mehr zugänglich ist. Fußgänger müssen auf einer Länge von rund 15 Metern die Straße benutzen, was an dieser Stelle aufgrund der Kreuzungssituation nicht ganz ungefährlich ist - vor allem, wenn man einen Kinderwagen dabei hat oder auf einen Rollator angewiesen ist. Die Frage stellt sich, wie sie angesichts der eng parkenden Autos überhaupt auf die Straße kommen können. Zwei Radfahrer fahren vorbei. „Ist ja ekelhaft“, ruft einer von ihnen.
Stadt weicht aus
Solche wilden Müllkippen gehören etwa in der Neckarstadt Ost und West, im Jungbusch, auf dem Waldhof und in Rheinau immer wieder zum Stadtbild. Auch sonst ist es mit der Sauberkeit in Mannheim nicht weit her. Die Breite Straße und viele weitere in den Quadraten sind ständig vermüllt. Fußgänger müssen auf den Gehwegen gut aufpassen, nicht in Hundekot zu treten. Warum bekommt die Stadt ihr Müllproblem einfach nicht in den Griff? Ob Mannheim überhaupt ein Müllproblem hat? Darauf gibt Stadtsprecher Kevin Ittemann keine eindeutige Antwort. Die Stadt sei bezüglich der Sauberkeit und Müllproblematik „vergleichbar mit allen im Wesentlichen von Industrie und Handel geprägten Großstädten“.
Die Regelabfuhr von Abfällen, Wertstoffen und Sperrmüll funktioniere gut. Um die Sauberkeit zu verbessern, habe die Stadt verschiedene Maßnahmen ergriffen: Nassreinigungen in der Innenstadt, eine intensivere Reinigung von Grünanlagen, Uferflächen und Spielplätze sowie ein „Schnelles Eingreifteam“, das sich um besondere Verunreinigungen und wilden Müll kümmert.
Die Verfolgung von Müllsündern ist leider sehr schwierig.
„Wir wissen, dass sich große Abfallmengen auf das Sicherheitsgefühl der Bürgerschaft extrem negativ auswirken. Dies soll in jedem Fall vermieden werden, weshalb der städtische Ordnungsdienst während seiner Streifen auch immer einen Blick auf diese Thematik hat“, sagt Stadtsprecherin Désirée Leisner.
Ordnungsdienst stößt an die gesetzlichen Grenzen
Auch der Stadtraumservice Mannheim habe seine Maßnahmen etwa speziell für die Neckarstadt angepasst und eine Zusatzkolonne, Personalressourcen und ein nur hierfür zur Verfügung gestelltes Fahrzeug erhalten, um akut solchen Beschwerden nachgehen zu können. Zudem wurde die Wartezeit für die Anmeldung von regulärem Sperrmüll in der Neckarstadt auf zwei Wochen verkürzt. Die Verfolgung und Ahndung eines solch ordnungswidrigen Verhaltens gestaltet sich in der Praxis „leider sehr schwierig“, berichtet Leisner. Die Mitarbeitenden des Ordnungsdienstes müssten die Müllsünder auf frischer Tat ertappen, um Bußgelder verhängen zu können. „Jedoch zeigt die Erfahrung immer wieder, dass sich, sobald uniformierte Mitarbeitende in Sichtweite sind, die meisten Bürger regelkonform verhalten“, sagt Leisner. Selbst wenn in den Müllablagerungen Hinweise auf Privatpersonen gefunden würden, reichten diese für eine Verfolgung und Ahndung nicht aus, da eine Tatbeweisführung faktisch nicht möglich sei. Der städtische Ordnungsdienst stößt hierbei an die gesetzlichen Grenzen des hier geltenden Verursacherprinzips.
Auch sei im Moment des Auffindens eines Müllberges nicht klar, ob es sich um ordnungsgemäß angemeldeten Sperrmüll oder um wilde Ablagerungen handelt. Hierüber weiß dann aber der Stadtraumservice Bescheid, wenn bei diesem eine Meldung des Ordnungsdienstes eingeht. Um Müllsünder auf frischer Tat ertappen und dann auch belangen zu können, hatte die Mannheimer Liste im Gemeinderat die Einführung von Müll-Detektiven beim Stadtraumservice beantragt - die jedoch bei den Haushaltsberatungen im Dezember abgelehnt wurde.
Müll-Detektive und CleanUps
Mannheim steht mit seinem Müllproblem nicht allein da. Das zeigt auch ein Blick nach Bochum: Die Ruhrgebietsstadt hat etwa genauso viele Einwohner und eine ähnliche Sozialstruktur wie Mannheim. „Wilde Müllkippen sind bei uns sowohl für das Stadtbild als auch für den Abfallgebührenzahler ein Problem. Im Jahr 2022 haben im Umwelt- und Grünflächenamt 4142 Fälle als wilde Kippe verzeichnet“, berichtet Bochums Stadtsprecherin Charlotte Meitler auf Nachfrage unserer Redaktion.
Zuständig für die Ermittlung und Verfolgung der Verursacher ist die Untere Abfallwirtschaftsbehörde der Stadt. Sie wird hierbei durch die Abfallkontrolleure des Umweltservices Bochum (USB) unterstützt. Den Nunkis – Nacht und Nebel-Kippern, wie sie in Bochum genannt werden – kommt man in Bochum auch mithilfe von Müll-Detektiven auf die Schliche: „An bekannten Container-Standorten legen sie sich durchaus mit der Kamera hin, um Beweise zu bekommen, wer dort Müll ablegt. Ist die verursachende Person identifiziert, folgt ein Bußgeldverfahren“, sagt USB-Pressesprecher Jörn Denhard.
Mit der Kamera gegen „Nunkis“
Sperrmüll darf in Bochum erst am Tag der Abholung bis 6 Uhr morgens vor die Tür gestellt werden. Es werde aber toleriert, wenn dieser am Vorabend bereitliegt, aber nicht zwei Abende vorher, sagt Denhard. Das habe einen Grund: „Das ist wie ein Magnet. Die Leute stellen dann alles mögliche Zeug dazu.“
Im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten wird Freiburg als eine der saubersten Städte mit hoher Lebensqualität wahrgenommen. Doch im Laufe der vergangen Jahre haben die wilden Müllablagerungen auch dort zugenommen, berichtet Stadtsprecher Toni Klein. Er führt dies auf einen gesellschaftlichen Wandel zurück. Die Stadt versuche, diesem gemeinsam mit der Abfallwirtschaft und Stadtreinigung (ASF) auf drei Wegen entgegenzuwirken: Mit einem verbesserten Service-Angebot beim Beantragen und Abholen von Sperrmüll, mit einer Kampagne zur Stadtsauberkeit und mit einer Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements durch organisierte CleanUps.
24 Stunden Wegräumfrist
Angemeldeter Sperrmüll darf nicht länger als einen Tag vor Abfuhrtermin bereitgestellt werden. Das stelle in aller Regel auch kein Problem dar. Wilde Müllablagerungen auf Straßen, Radwegen und in der Innenstadt werden durch die ASF abgeholt. Auf Privatgrundstücken und Gehwegen, bei denen die Anliegerverpflichtung greift, müssen die Grundstückseigentümer dafür Sorge tragen, dass dieser wegkommt.
Nur äußerst selten können in Freiburg die Müllsünder ermittelt werden. „In Freiburg gibt es keine Müllpolizei, die solche Verstöße gesondert ahndet. Wenn Sperrmüll unzulässig an der Straße steht, wird dies entweder von Anwohnern gemeldet oder im Rahmen der regulären Müllabholungen durch die ASF selbst festgestellt“, konstatiert Klein. Die Verursacher könnten in den seltensten Fällen ermittelt werden. Die Zahl der Bußgeldverfahren wegen wilden Mülls entspricht in etwa denen in Mannheim: 31.
Mannheim ist eine wahnsinnig dreckige Stadt.
„Die Begründung war, dass es kein Konzept für die Müll-Detektive gibt“, sagt ML-Stadtrat Holger Schmid auf Nachfrage dieser Redaktion und verweist darauf, dass Bürgermeisterin Diana Pretzell (Grüne) schon seit einigen Jahren ein Konzept zur Müllbekämpfung erstellen wolle: „Mannheim ist eine wahnsinnig dreckige Stadt. Da sind sich alle im Gemeinderat einig“, sieht er dringenden Handlungsbedarf.
Laut Stadtverwaltung hat es im vergangenen Jahr über das Kundensystem insgesamt 1253 Beschwerden über wilde Ablagerungen und Sperrmüll gegeben. Außerdem seien 1500 Meldungen über den Mängelmelder eingegangen. Absolute Zahlen lassen sich daraus jedoch nicht ermitteln, da sich die Meldungen teilweise überschneiden.
Eigentlich ist es in Mannheim ganz einfach, eine wilde Müllkippe an die Stadtverwaltung zu melden. Wer nicht per Telefon die 115 wählen möchte, kann dies seit Kurzem mit dem Online-Mängelmelder tun, der auch als App verfügbar ist: Müll fotografieren, kurz die Sachlage beschreiben und den Standort schicken. Die Meldung landet im jeweiligen Fachbereich, und man kann online nachverfolgen, wann der Müll beseitigt wurde. So einfach, so gut - in der Theorie. Warum aber dauert es dann so lange, bis wilde Müllkippen im Auftrag der Stadtverwaltung entfernt werden? So wie etwa im Februar über zwei Wochen in der Neckarstadt West. „Leider waren aufgrund der Verparkung der engen Straßen und der Verkehrssituation vor Ort mehrere Anfahrten mit dem dreiachsigen Sperrmüllfahrzeug notwendig, um die wilde Ablagerung zu laden“, erklärt Stadtsprecher Ittemann zur wilden Müllablagerung in der Lutherstraße. Der In der Regel dauert es laut Leisner aber nur wenige Tage, bis Müllablagerungen beseitigt werden. Dies sei aus den Erledigungsvermerken im Mängelmelder ersichtlich.
Mängelmelder zeigt an: In der Regel nur wenige Tage, bis Abfall von der Stadt beseitigt wird.
In Mannheim darf Sperrmüll am Abholtag bis 6.30 Uhr, frühestens am Vortag ab 19 Uhr, am Gehwegrand bereitgestellt werden. „Sollte eine wilde Ablagerung an einer Stelle gemeldet werden, an der für die nahe Zukunft Sperrmüll angemeldet ist, wird versucht, mit dem Sperrmüllkunden Kontakt aufzunehmen. Sollte dieser zu früh rausgestellt haben, wird ein Zurückstellen angeordnet“, sagt Ittemann.
Zeugenaussagen wichtig
Die Beschwerdezahlen seien mit 50 Meldungen pro Monat bei 33 000 Sperrmüllaufträgen pro Jahr allerdings gering: „Dabei handelt es sich in der überwiegenden Mehrzahl um Standplätze, die wir mit unseren Drei-Achsern entweder wegen Verparkung, Baustellen oder engen Gassen mehrfach anfahren müssen. Oder es ist kein Sperrmüll, sondern Bauschutt, Restmüll, Elektro.“
Verursacher von illegalen Müllablagerungen könnten nur rechtssicher über Zeugenaussagen ausfindig gemacht und dann zur Anzeige gebracht werden. Das war im vergangenen Jahr rund 30 Mal der Fall. Das Bußgeld betrug in der Stadt Mannheim laut Leisner je nach Umfang der Ablagerung zwischen 100 und 800 Euro. Der Bußgeldkatalog Baden-Württemberg lässt sogar deutlich höhere Strafen zu: 500 bis 2500 Euro kann es kosten, wer jüngst wie in der Neckarstadt West einen Kubikmeter oder über 200 Kilogramm Müll liegen lässt.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Wilde Müllkippen in Mannheim Müll ablegen muss bestraft werden