Sie sind klein, handlich, lassen sich gut verstecken: Messer. Ende vergangener Woche etwa attackierte ein Mann einen 24-Jährigen am Paradeplatz. 25 Körperverletzungen durch Messer hat Mannheims Polizeipräsidium 2021 erfasst - zehn weitere Fälle von Tötungen oder versuchten Tötungen. „Es mehren sich Hinweise, dass in manchen Milieus das Mitführen eines Werkzeugs mit Klinge fast selbstverständlich geworden ist“, schrieb „MM“-Reporterin Waltraud Kirsch-Mayer im Juni 2022. „Insbesondere junge Männer scheinen aufzurüsten und teilweise nicht mehr ohne Messer aus dem Haus zu gehen“, hatte Oberstaatsanwalt Andreas Grossmann ihr erklärt.
Jedes Messer stellt ein Risiko dar
Die Grünen wollen in der Stadt nun Waffenverbotszonen errichten. Nachdem der Landtag jüngst die Verordnungen zur Einrichtung solcher Zonen beschlossen hatte, beantragt die Fraktion, dass das Tragen von Waffen und Messern mit einer Klinge von mehr als vier Zentimetern an bestimmten Orten verboten wird. „Wir wollen nicht, dass ganz Mannheim waffenfrei sein soll - das wäre nicht zulässig“, sagt Stadträtin Christina Eberle dieser Redaktion. „In gewissen Bereichen, in denen sich ein Verbot als sinnvoll darstellt, ist es aber möglich.“ So sollten Messer, Waffen oder Schlagringe etwa an Orten verboten werden, die „zu bestimmten Zeiten“ stark frequentiert seien. Die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen betont, man wolle Mannheim nicht als überdurchschnittlich gefährlich darstellen. Die Prävention stehe im Vordergrund. „Es geht darum, das Sicherheitsgefühl weiter zu erhöhen.“

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Wenn in den Zonen Waffen in der Öffentlichkeit sichergestellt würden, „ist das Messer oder der Schlagring nicht nur weg, sondern es gibt auch Geldbußen“. So werde eine höhere Sicherheit erreicht. Schließlich stelle „jedes Messer“ ein Risiko dar. „Es fühlt sich besser an, wenn man weiß, dass in den Zonen weniger Waffen im Umlauf sind“, meint Eberle. „Wo die Zonen Sinn machen, das müssen Polizei und Verwaltung prüfen.“
Die Polizei hält sich auf Nachfrage, ob und wo sie Waffenverbotszonen für sinnvoll hält, noch bedeckt. Erst nach Vorliegen der Verordnungen werde das Präsidium die für die Entscheidung erforderliche Gefahrenprognose der festgelegten Bereiche erstellen, teilt ein Sprecher mit.
In Hamburg ein „Erfolgsmodell“
Unter anderem in Hamburg, Köln und Leipzig gibt es solche Zonen. Die jeweiligen Polizeipräsidien bewerten ihren Erfolg unterschiedlich.
So sagt eine Sprecherin des Präsidiums Köln, in der seit Ende 2021 geltenden Verbotszone hätten „definitiv keine ähnlich größeren Ereignisse mehr stattgefunden“ wie vor der Errichtung. Offizielle Zahlen gebe es noch nicht. Messer mit einer Klinge länger als vier Zentimeter sowie Pfeffersprays oder Butterfly-Messer seien untersagt - und würden immer wieder sichergestellt. Die Polizei hätten „einzelne positive Rückmeldungen“ zur Verbotszone aus der Bevölkerung erreicht.
Seit 2007 gibt es in Hamburg im Bereich Reeperbahn und Hansaplatz ein Verbot von Waffen. Auch Glasflaschen seien untersagt, teilt ein Polizeisprecher mit. Das Waffenverbot sei mit dem von Glasflaschen „und anderen Maßnahmen“ ein „Erfolgsmodell“. Laut Rückmeldungen sei es gelungen, das Sicherheitsempfinden „nachhaltig zu verbessern“, heißt es. „Obwohl das nicht nur auf die Einrichtung des Verbotsgebiets zurückzuführen ist, hat sich die Regelung in der öffentlichen Wahrnehmung positiv ausgewirkt.“
Die Polizeidirektion Leipzig ist weniger überzeugt. Nach einer tödlichen Auseinandersetzung zweier Gruppen hatte die Stadt die Zone 2018 errichtet. „Leipzig hat die Besonderheit, dass die Verbotszone in einem vollständig bewohnten Gebiet und nicht nur an einzelnen Orten eingeführt worden ist“, sagt Sprecher Olaf Hoppe. Die Zone sei „ein Symbol“ gegen die „ausufernde Gewalt“ gewesen, die es rund um die Eisenbahnstraße gegeben habe. Zudem sei etwa ein temporär begrenzter Polizeistandort errichtet worden.
Auch weil sich das Viertel im Laufe der Zeit verändert habe - günstige Mieten führten zu einer stärkeren linken Szene - seien die erlaubten anlasslosen Kontrollen „stärker thematisiert worden“, sagt Hoppe. „Der Vorwurf des Racial Profiling kam immer öfter auf, weil wir uns natürlich an Personen orientiert haben, die vor Ort Straftaten begehen und die häufig nicht deutsch sind“, erklärt er. „Die Kontrollen in den Zonen haben in manchen Augen, auch in der Politik, als stigmatisierend gegolten.“
Unter Racial Profiling versteht man das Kontrollieren von Personen aufgrund von Stereotypen und äußerlichen Merkmalen. In Köln etwa sei der Vorwurf aber noch nicht aufgetreten, erklärt die Sprecherin.
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Wie in Hamburg wird in Leipzig die Verbotszone evaluiert - in Sachsen von der Universität Leipzig. Zwar habe die Evaluierung, die in Kürze veröffentlicht wird, dieser Redaktion in Auszügen aber bereits vorliegt, ergeben, dass die Zahl der „tatsächlich schweren Auseinandersetzungen“ zurückgegangen sei und die Zone so das Kernziel erfüllt habe. „Auf alle anderen Straftaten wie Sachbeschädigung oder Einbrüche hatte die Verbotszone keinen Einfluss“, sagt Hoppe. Im Frühjahr hatten sich Stadt, Polizei und Ministerium deshalb darauf verständigt, die Zone auf absehbare Zeit zu ersetzen.
Leipziger Studie sieht Zone kritisch
„Abgesehen davon, dass schwere Auseinandersetzungen zurückgegangen sind, hat die Verbotszone nicht gewirkt: Die Menschen fühlen sich nicht anders, die Straftaten sind nicht anders.“ Stattdessen plane die Polizei, dauerhaft eine Station im Gebiet zu installieren. „Ein Ergebnis der Evaluierung war, dass Bürger eine bürgernahe Polizei wollen.“
Wie hat sich die Verbotszone auf das Sicherheitsempfinden ausgewirkt? Die Evaluierung des Teams um den Soziologen Kurt Mühler kommt auch hier zu einem Ergebnis: „Ein Unterschied hinsichtlich des Sicherheitsempfindens und den damit in Beziehung stehenden Faktoren zwischen den Befragten innerhalb und außerhalb der Waffenverbotszone ist kaum sichtbar.“ Interviews hätten gezeigt, dass das Sicherheitsgefühl auch durch die Entstehung künstlerischer und gastronomischer Einrichtungen gestiegen sei. „Insgesamt lässt sich mit dem verfügbaren methodischen Design kein Zusammenhang zwischen der Waffenverbotszone und dem Sicherheitsempfinden nachweisen.“
Hoppe aber betont: „Wir können vom Ergebnis in Leipzig nicht automatisch auf Mannheim schließen.“ Vieles hänge mit jeweiligen Strukturen zusammen. „Es ist etwas anderes, ob wie in Leipzig ein Viertel eine Verbotszone ist oder ob es nur einzelne Orte und Plätze sind.“ Würde er eine Verbotszone empfehlen? „Im Einzelfall ja - aber nur, wenn es noch weitere begleitende Maßnahmen gibt. Das Aufstellen eines Schilds und das Ausrufen einer Zone kann die Wirkung nicht entfalten.“
Der Ausschuss für Sicherheit und Ordnung diskutiert über den Antrag der Grünen voraussichtlich Anfang Dezember.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Waffenverbotszonen in Mannheim? Ein riskantes Unterfangen!