Wärmewende

Geothermie in Mannheim? In wenigen Tagen herrscht Klarheit

Bleibt es beim Gas-Aus 2035? Wo wird nach Geothermie gebohrt? Und wann ist die Mannheimer Fernwärme klimafreundlich? In der Abendakademie gab es Antworten.

Von 
Valerie Gerards
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Hatten in der Abendakademie viel über die Mannheimer Wärmewende zu diskutieren: Diana Pretzell (2.v.l.), Andreas Paul (M.), Amany von Oehsen und Ralf Klöpfer (r.) stellten sich den Fragen von Martin Geiger (l.). © PIX-Sportfotos

Mannheim. Wie lässt sich klimafreundliches und bezahlbares Heizen in Mannheim umsetzen? Diese Frage stand im Zentrum einer Podiumsdiskussion über die Wärmewende in der Stadt. Dazu eingeladen hatten das Mannheimer Umweltforum – die Dachorganisation von 18 Umwelt-, Klima- und Verkehrsverbänden –, weitere lokale Klimagruppen wie etwa Fridays for Future sowie die Abendakademie.

Dorthin sind am Donnerstagabend rund 150 Bürgerinnen und Bürger gekommen, um zu erfahren, was Mannheims Umwelt- und Erste Bürgermeisterin Diana Pretzell (Grüne), MVV-Vertriebsvorstand Ralf Klöpfer, Andreas Paul, Geschäftsführer des Eigentümerverbands Haus & Grund Mannheim, sowie Amany von Oehsen, Energieberaterin und Vertreterin des BUND, zu sagen hatten. Moderiert wurde die Runde von „MM“-Redakteur Martin Geiger. In der Debatte über Strategien, Konflikte und Maßnahmen der Wärmewende wurde deutlich: Mannheim will mit hohem Tempo vorangehen – unter schwierigen Bedingungen.

Heizungen sind für 30 bis 40 Prozent des CO₂-Ausstoßes verantwortlich

Gemeinsam mit Luis Elsen von Fridays for Future skizzierte Wolfgang Schuy vom Umweltforum eingangs die zentralen Handlungsfelder: kommunale Wärmeplanung, CO₂-Bepreisung, Energiepreise und die Dekarbonisierung der Fernwärme. Die Forderungen der Klimagruppen: weniger Müllverbrennung, weniger Gaseinsatz, mehr Geothermie und mehr Flusswärmepumpen.

Außerdem protestierten sie gegen die Kürzung des Mannheimer Klimafonds von jährlich 5,5 Millionen Euro auf drei Millionen und verlangten weiterhin kommunale Förderungen für Gebäudesanierungen und Heizungstausch sowie eine Warmmieten-neutrale Sanierung für Mieterinnen und Mieter. Auch die Absenkung der sogenannten Vorlauftemperatur im Fernwärmenetz stand auf der Wunschliste der Umweltschützer.

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Martin Geiger
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Zu Beginn der Podiumsdiskussion unterstrich Geiger die Bedeutung der Wärmewende mit einer Zahl: „Wir reden von 30 bis 40 Prozent des CO₂-Ausstoßes von ganz Mannheim. Wenn es uns gelingt, klimaneutral zu heizen, sind 30 bis 40 Prozent der Emissionen weg.“

Pretzell sieht Mannheim auf einem ambitionierten Weg. Die Ankündigung der MVV, aus dem Gasgeschäft mittelfristig auszusteigen, habe den politischen Willen gestärkt: „Wir haben ein gemeinsames Ziel: nachhaltige und bezahlbare Wärme für die Bürger.“ Der Ausbau der Fernwärme in vielen Stadtteilen und gezielte Beratung sollen den Wandel ermöglichen. Derzeit übernimmt die Fernwärme rund 60 Prozent der Wärmeversorgung in Mannheim. Das ist deutschlandweit einer der höchsten Werte, der durch den laufenden Ausbau des Netzes in zehn Jahren sogar auf 75 Prozent steigen soll.

Pretzell: Geothermie-Standorte bald im Mannheimer Gemeinderat

Klöpfer erläuterte die Strategie der MVV, um die Fernwärme, die früher komplett durch das Verbrennen von Steinkohle im Großkraftwerk Mannheim (GKM) erzeugt wurde, künftig durch Methoden herzustellen, die als klimaneutral eingestuft werden: „Wir sind seit Längerem auf dem Weg, industrielle Abwärme zu nutzen, Flusswärme, Geothermie und kleinere Biomasselieferanten. Idealerweise sind wir 2030 am Ziel.“ Zwischen den Zeilen ließ er durchblicken, dass dieser Umbau „komplex“ sei und womöglich auch länger als geplant dauern könne, noch sei er aber zuversichtlich: „Wir glauben daran.“

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Martin Geiger
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Besonders die Geothermie sieht er als Chance: „Wir sitzen mit der Geothermie auf einem Schatz, um den andere uns beneiden.“ Wo genau ins Erdinnere gebohrt werden soll und die geplanten Anlagen entstehen könnten, sei noch offen – in wenigen Wochen werde es mehr Klarheit geben. Pretzell konkretisierte das auf Nachfrage etwas: „Freuen Sie sich auf die nächste Gemeinderatssitzung.“ Die ist am Dienstag, 18. November.

Von Oehsen zeigte sich skeptisch, ob die Zeitziele realistisch sind: „Wir brauchen mehr Ehrlichkeit“, forderte sie und warnte zugleich vor finanziellen Hürden: „Viele können sich die Dämmung nicht leisten, wenn sie gleichzeitig in eine neue Heizung investieren müssen.“ Wichtig sei die Absenkung der Netztemperatur, um die Einspeisung von Wärme aus erneuerbaren Energien in das Fernwärmenetz besser zu ermöglichen. Aktuell ist diese Temperaturreduzierung laut MVV noch nicht möglich.

Auch der Klimaschutz leidet unter dem Mannheimer Sparzwang

Auch Paul sieht Herausforderungen. Zwar sei Gas keine langfristige Lösung, doch Eigentümer müssten realistisch planen können. Die Mannheimer Klimaschutzagentur sei dabei ein sehr hilfreicher Partner. Geothermie sei bei Eigentümern noch wenig präsent, das könne sich aber ändern, wenn die Standorte festgelegt würden. „Uns fehlt manchmal vielleicht Mut und Optimismus. Ich bin überzeugt, es ist eine sichere Technologie.“

Das Fernwärmenetz der Stadt Mannheim ist eines der größten in Deutschland. 60 Prozent des Wärmebedarfs von Haushalten und Gewerbe werden heute bereits durch Fernwärme abgedeckt. © MVV

Ein kontroverser Punkt war die Kürzung des städtischen Klimafonds. Bisher standen jährlich 5,5 Millionen Euro zur Verfügung, ab 2026 sollen es drei Millionen sein. Pretzell verwies auf die angespannte Haushaltslage der Kommunen: „Das Tischtuch ist an allen Ecken zu kurz. Wir kürzen, damit die Brücken nicht zusammenbrechen, die Straßen befahrbar bleiben und der Stadtpark noch betreten werden kann.“ Sie räumte ein, nicht mit jeder Entscheidung des Gemeinderats einverstanden zu sein, ermutigte Immobilienbesitzer dennoch, rasch zu handeln: „Die Förderung von Bund und Stadt wird nie mehr so hoch sein wie jetzt.“

MVV-Vorstand: Wärmepumpen funktionieren auch im Altbau

Von Oehsen erklärte: Die Förderung bei der Dämmung sei gering. Sie betonte, dass Dämmung und erneuerbare Wärme Hand in Hand gehen sollten, um den Gasverbrauch noch schneller zu senken. Denn teilweise müssen Gaskraftwerke die Wärmepumpen mit Strom versorgen. Sie verwies auf die Folgen des europäischen Gasimports, der zu fast 20 Prozent immer noch aus Russland stamme: „Wir haben allein im ersten Halbjahr 2025 elf Milliarden Euro für Energie aus Russland ausgegeben – das ist Geld für die Kriegskasse.“

Klöpfer betonte, dass Wärmepumpen auch im Altbau funktionieren, die Dämmung des Dachs und gute Fenster würden ausreichen, um eine gute Jahresarbeitszahl zu erreichen. Von Oehsen ergänzte: „Technisch gesehen bekommt man sozusagen jedes Gebäude mit Wärmepumpe warm, wenn man es darauf anlegt.“ In besonders schlecht gedämmten Gebäuden sei dies allerdings weder wirtschaftlich noch ökologisch sinnvoll. Sie forderte weiterhin: „Uns wäre geholfen, wenn die Energieversorger aufhören würden, die Fernwärme anzupreisen ohne Gebäudedämmung.“

Paul: Förderanträge für viele Gebäudebesitzer viel zu kompliziert

Paul ergänzte, dass die Kombination aus Dämmung und Wärmepumpe ideal sei, aber beides zusammen hohe Kosten verursache. Er empfahl eine schrittweise Umsetzung. Zudem betonte er, dass die Verfahren zur Beantragung von Fördergeldern viel zu kompliziert seien: „Selbst ich als Jurist stoße da an Grenzen.“ Die Folge sei, dass die meisten Immobilienbesitzer gar keine Zuschüsse beantragen würden – besonders für ältere Menschen seien die Verfahren zu kompliziert.

Auch über den Gasausstieg in Mannheim wurde diskutiert. Klöpfer stellte dabei klar, dass die MVV noch keinen Beschluss zur Stilllegung des Erdgas-Verteilnetzes im Jahr 2035 gefasst habe. Man müsse zunächst abwarten, bis die sogenannte EU-Gasbinnenmarktrichtlinie ins deutsche Recht überführt worden sei. Das geschehe wohl nächstes Jahr. „Solange Kunden Gas beziehen und bezahlen, wird das Gasnetz nicht stillgelegt“, sagte er. Auf den Hinweis von „MM“-Redakteur Geiger, dass die MVV das vor einem Jahr aber noch anders dargestellt habe, räumte Klöpfer Kommunikationsprobleme ein. Im Kern sei es darum gegangen, ein Zeichen zu setzen, und darauf aufmerksam zu machen, dass das Heizen mit Erdgas in den nächsten Jahren so teuer werde, dass es immer unattraktiver werde.

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Von Oehsen lobte die MVV für dieses Signal, das deutschlandweit Schlagzeilen gemacht hatte: „Es ist sehr gut, dass die MVV die Politik vor sich hertreibt.“

Zum Schluss konnten die Besucherinnen und Besucher ihre Fragen stellen. Dabei ging es unter anderem um die umstrittene Abscheidung und Speicherung von CO₂, um die Höhe der Zuschüsse für Klimaprojekt in Mannheim vonseiten der Europäischen Union, um geplante Maßnahmen, die aufgrund einer mangelnden städtischen Finanzierung geplatzt sind, oder um die Ungewissheit hinsichtlich öffentlicher Fördergelder für die Wärmwende. Etliche andere Fragen hatten da bereits die Energieberaterinnen und Energieberater der Klimaschutzagentur beantwortet, die vor und nach der Diskussion an einem eigenen Stand Tipps und Informationen gaben.

Eine Aufzeichnung der Veranstaltung soll ab Anfang nächster Woche im Youtube-Kanal der Abendakademie zu finden sein: youtube.com/c/AbendakademieMA.

Freie Autorin

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