Protest

Gegenwind für geplanten Abriss des Mannheimer Collini-Centers

Die Deutsche Wohnwerte will den Büroturm des Mannheimer Collini-Centers für vier Neubauten plattmachen - doch dagegen regt sich Widerstand. Bewohner des Wohnturms kämpfen gegen den Abriss und für eine Sanierung

Von 
Martin Geiger und Waltraud Kirsch-Mayer
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Mannheim. "Der Umgang der Stadt mit den Bewohnern und der Eigentümergemeinschaft ist unter aller Kanone.“ „Mannheim sagt: Wir sind eine ,grüne’ Stadt. Aber was gemacht wird, ist genau das Gegenteil.“ „Dass man uns nicht nochmals die Gelegenheit gegeben hat, uns zu hören, tut uns am meisten weh.“ Wer sich mit Thomas Holzner und Francois de Poorter, den Vorsitzenden des Vereins Wir im Collini, unterhält, merkt schnell: Den beiden brennt etwas unter den Nägeln. Und das ist der geplante Abbruch des Collini-Büroturms, in dem früher das Technische Rathaus untergebracht war.

Die Vorsitzenden des Anwohnervereins des angrenzenden Wohnturms, der rund 75 Mitglieder hat, wollen den Abriss verhindern und kämpfen stattdessen für eine Sanierung. Zurzeit sammeln sie Unterstützer für die Einwendungen, die sie Ende Februar bei der Stadtverwaltung einreichen wollen. Denn die prüft aktuell die Genehmigung des Abrissantrags, den der neue Inhaber des Büroturms – der in Heidelberg ansässige Investor Deutsche Wohnwerte (DWW) – gestellt hat.

Die Debatte um das Vorhaben am Neckarufer ist nicht neu. Schon vor einigen Jahren, als im Gemeinderat entschieden wurde, dass im Glückstein-Quartier ein neues Technisches Rathaus gebaut und das alte samt Areal verkauft werden soll, gab es hitzige Diskussionen. Nicht zuletzt, weil ausgerechnet das Baudezernat des damaligen Bürgermeisters Lothar Quast (SPD) offenbar nicht genug Geld investiert hatte, um das städtische Eigentum in Schuss zu halten.

Abrissantrag gestellt

Nachdem die DWW als neuer Eigentümer ihre Pläne zum Abriss des alten Gebäudes und zum Bau von vier Häusern rund um den Wohnturm vorgestellt hatte, wurde es zunächst etwas ruhiger um das Projekt. Denn es verzögerte sich lange. Doch nun ist der Abrissantrag offiziell gestellt – und die Diskussion neu entfacht.

Thomas Holzner (l.) und Francois de Poorter. © Martin Geiger

„Für uns ist ein Abbruch tabu“, sagt Holzner. Die Gründe dafür haben er und de Poorter auf mehreren Seiten zusammengefasst. Dabei geht es um die „Zerstörung des Gesamt-Ensembles“, um einen „Verlust der Fassade“ des Wohnturms, an den die Galerie anschließt, die ebenfalls abgerissen werden soll. Es geht um „mögliche Beschädigungen des Wohnturms“ durch die Arbeiten, um einen Mangel an Parkplätzen und um jahrelangen Lärm und Dreck, die mit dem Abbruch verbunden sein dürften. Aber auch der versperrte Ausblick durch die geplanten Neubauten wird bemängelt: „Das führt zu enormen Wertverlusten für die betroffenen Wohnungen und kommt einer Teilenteignung gleich.“ Zudem führt der Verein Nachhaltigkeitsaspekte an: „Durch den Abriss und Neubau werden Tausende Tonnen CO2 erzeugt, nicht zu vergessen der Verlust an grauer Energie.“

Fallstudie in der Ausstellung

„Gefährdete Arten“ – diesen Titel trägt nicht etwa eine Doku über bedrohte Tiere oder Pflanzen, sondern eine in Stuttgart laufende Ausstellung des baden-württembergischen Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA) über Gebäude im Spannungsfeld von „Erhalt versus Abriss“. Eine der Fallstudien ist dem Mannheimer Collini-Center gewidmet, dessen Büroturm vier Neubauten weichen soll. Inzwischen mehren sich Stimmen, ob es mit Blick auf Klimaschutz und Ressourcenknappheit Sinn macht, den Betonbau niederzuwalzen – auch weil Zahlen aufrütteln: Das Bauwesen verursacht etwa 40 Prozent der deutschen CO2-Emissionen, ist für ein Drittel des Energieverbrauchs (Stichwort Heizung) verantwortlich und produziert 60 Prozent des zu entsorgenden Abfalls. Weiteres Problem: In jedem Rohbau stecken 80 Prozent der Energie eines gesamten Haus-Lebenszyklus – „graue Energie“, die bei einem Abriss vergeudet wird.

Bevor der Abbruchantrag genehmigt wird, muss die DWW erst mal die Hosen runterlassen und erklären, was wie gemacht wird.
Thomas Holzner und Francois de Poorter Verein Wir im Collini

Auch wenn Revitalisierung noch ein Nischenmarkt ist, spezialisieren sich zunehmend Büros auf Bauen und Modernisieren mit dem Bestand. Etwa das in München ansässige Beratungs- und Architekturunternehmen CSMM. Nach dessen nachhaltigen Konzepten präsentieren sich dort Neu und Alt zugleich, das Olympia Business Center oder das aus den 1970ern stammende Bürogebäude „Fritz“. Im Gespräch bezeichnet der geschäftsführende Gesellschafter Timo Brehme als „Supergau“, wenn noch funktionstüchtige Bausubstanz abgerissen wird, um sie durch neue zu ersetzen. Schließlich gelten Zement, Beton und Stahl mit ihrem hohen Energiebedarfs bei der Herstellung als Klima-Killer. Brehme gehört wie viele der Architekturzunft zu den Unterstützern eines Abrissmoratoriums. In einem offenen Brief wird für jeden Abriss eine Genehmigung gefordert – „unter der Maßgabe des Gemeinwohls, also der Prüfung der sozialen und ökologischen Umweltwirkungen“.

Auch die zuletzt erheblich gestiegenen Kosten in der Baubranche treiben Holzner und de Poorter vom Verein Wir im Collini um: „Was passiert, wenn die DWW nach dem Abriss sagt: Das Projekt lohnt sich nicht mehr? Sondern nur noch, wenn wir doppelt so hoch bauen?“, fragen sie und fordern: „Bevor der Abbruchantrag genehmigt wird, muss die DWW erst mal die Hosen runterlassen und erklären, was wie gemacht wird.“ Das Unternehmen will sich auf Anfrage zurzeit nicht näher zu dem Projekt äußern, sondern erst die Prüfung seines Abrissantrags abwarten.

Dass Abriss statt Erhalt häufig mit zu hohen Ausgaben begründet wird, diese Erfahrung macht der Karlsruher Architekt Hubert Baumstark, der die Fassadensanierung des gleichalten, aber bestens erhaltenen Collini-Wohnturms mit privaten Eigentümern betreut hat, immer wieder. Er gibt zu bedenken: „Solange die Kosten für Abbruch und Entsorgung oder Rückbau, Aufbereitung und Wiederverwendung nicht volkswirtschaftlich angemessen beziffert werden, fristen Instandhaltung, Instandsetzung, Weiternutzung und Umnutzung ein Nischendasein.“

Gegen den Abbruch hat der Collini-Verein schon vor Längerem eine Petition gestartet, die seinen Angaben nach bislang mehr als 1000 Unterstützer unterzeichnet haben.

Der Verwaltungsbeirat der Wohnungseigentümergemeinschaft des Collini-Wohnturms – der im Gegensatz zum auch für Mieter und Anlieger offenen Verein die Besitzer der rund 520 Wohnungen vertritt – schlägt dagegen etwas moderatere Töne an. Zwar haben auch die Beiräte zusammen mit dem Verwalter als gesetzlichem Vertreter „Anregungen und Bedenken hinsichtlich der geplanten Durchführung des Abbruchs“ vorgebracht, wie Vorsitzender Rainer Herzog mitteilt. Dabei gehe es jedoch „vor allem um die Sicherung der teilweise verknüpften Versorgungseinrichtungen des Gesamtkomplexes und den Erhalt der Infrastruktur unseres Wohngebäudes während der Abbruch- und Bauphase“. Eindeutig für eine Sanierung spricht sich der Beirat nicht aus. Stattdessen erklärt er, es gebe „innerhalb der Bewohnerschaft unseres Wohnhauses ein breites Spektrum an Meinungen zu dem Bauvorhaben“. Außerdem sei das Vorhaben auf dem Nachbargrundstück vom Gemeinderat beschlossen worden und gehöre somit „nicht zum Entscheidungsbereich der Anwohner“.

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Positives Beispiel

Weiterbauen statt Neubauten, dafür engagiert sich auch Astrid Wuttke, Partnerin des Frankfurter Architekturbüros Schneider und Schumacher. In einem Interview mit dem Wirtschaftsmagazin „Capital“ antwortet sie auf die Frage, ob man jedes Gebäude recyceln könne: „Häufig entscheiden das nicht wir Architekten, sondern die Eigentümer. Leider denken die über eine mögliche Weiternutzung bislang nur selten nach.“ Als positives Beispiel nennt sie das Juridicum, ein Bürobau der 1960er auf dem alten Frankfurter Uni-Gelände. Und der soll entgegen ursprünglicher Pläne nicht plattgemacht, sondern innerhalb des einstigen Rohbaus moderne wie bezahlbare Wohnungen beherbergen. Der Sanierungsentwurf stammt von jenem Frankfurter Büro, das beim Collini-Büroturm einen Komplettabriss zugunsten von vier unterschiedlich hohen, flügelförmigen Ersatzbauten vorsieht: Das Konzept belegte bei dem 2019 von der Stadt Mannheim ausgelobten Investorenwettbewerb den ersten Platz . Auf die Anfrage des „MM“, ob damals auch eine erhaltende Variante zur Diskussion gestanden habe, erklärt Astrid Wuttke: Dazu könne sich nur der Auftraggeber äußern, die Deutsche Wohnwerte in Heidelberg. Und deren Geschäftsführer Thomas Dorant erklärt: Ja, es gab solcherart Vorprüfungen – - aber mit dem Resultat, dass eine Sanierungslösung unwirtschaftlich beziehungsweise die Kostenfrage unkalkulierbar gewesen wäre.

Vertragliche Vereinbarungen

Auch für die Stadtverwaltung ist eine Sanierung offenbar kein Thema mehr: „Dies wurde vor einigen Jahren geprüft und aus wirtschaftlichen Gründen verworfen“, erklärt eine Sprecherin von Baubürgermeister Ralf Eisenhauer (SPD). Rechtliche Mittel, um eine solche durchzusetzen, habe die Kommune nach dem Verkauf an DWW nicht mehr. Dennoch könne der Investor nicht tun und lassen, was er will. Er müsse sich grundsätzlich an die Ergebnisse des seinerzeit durchgeführten Wettbewerbs halten: „Der Wettbewerbsentwurf wurde als Maßstab der weiteren Planung und Umsetzung, sowie entsprechende Mechanismen bei Abweichungen hiervon, vertraglich vereinbart.“

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Der Gemeinderat wird bei dem Projekt ebenfalls noch ein wichtiges Wort mitreden: Denn selbst wenn der Abriss genehmigt werden sollte, müssen als nächste Schritte das städtebauliche Konzept fertiggestellt und ein Bebauungsplan entworfen und verabschiedet werden.

Und zu welchen Schlüssen ist die Nachwuchs-Architektin Soffia Jungmann gekommen, die sich für ihre Masterarbeit am Karlsruher Institut für Technologie KIT intensiv mit dem Collini-Center auseinandergesetzt hat? Sie findet, dass „insbesondere die Skelettkonstruktion strukturell großes Potenzial für einen Umbau bietet“. Jedenfalls stößt ihr in der Ausstellung gezeigtes Modell zum Collini als „gefährdete Art“ auf großes Interesse.

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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