Kommentar Mannheimer Collini-Center: Gebäude als Wegwerfartikel

Vor dem Hintergrund der Debatte um den Büroturm des Mannheimer Collini-Centers fordert Waltraud Kirsch-Mayer ein grundsätzliches Umdenken beim Thema Bauen

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Waltraud Kirsch-Mayer
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Das Phänomen ist sprichwörtlich: „Was ich nicht weiß (oder nicht wissen will), macht mich nicht heiß.“ Dies trifft für ziemlich alle Lebensbereiche zu. Bekanntlich standen „rauchende Schlote“ einst fürs deutsche Wirtschaftswunder und nicht für Luftverschmutzung. Dass Atomkraft bis in die 1970er als umweltfreundlich wie risikoarm wahrgenommen wurde und sowohl Mannheim als auch die BASF ein Kernkraftwerk planten, darüber staunt man rückblickend. Ach ja, da war noch bis zum Verbot 1993 der Werkstoff-Tausendsassa Asbest eine Wunderfaser mit globaler Karriere samt inhalierbarem Lungenkrebsrisiko.

Solche Beispiele zeigen: Es bedarf oftmals Jahrzehnte, bis als selbstverständlich empfundene Erfolgsgaranten hinterfragt werden. Auch beim Bauen. Schließlich ging der „Klima-Killer“ Zement, der als Betonbestandteil mit hoher Energie und entsprechenden CO2-Emissionen produziert wird, im Schatten von Kohlekraftwerken und Verkehr lange unter. Ohnehin galt und gilt: Bauen, Bauen, Bauen! Wofür platt gemacht und Schutt aufgehäuft wird. Gebäude als Wegwerfartikel! Selbst wenn Sanieren, Modernisieren, Umwidmen und Erweitern möglich wären.

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Noch ist im kollektiven Bewusstsein nicht angekommen, dass bei jedem Abriss jene „graue Energie“ verloren geht, die benötigt wurde, um das Material für niedergewalzte Mauern wie Decken herzustellen, zu transportieren und zu verbauen. Klar ist nicht jede Bruchbude erhaltenswert, dürfte sich ein Ersatzbau häufig als sinnvoll erweisen. Gleichwohl darf Abriss kein Automatismus sein. Eigentlich sollte die öffentliche Hand bei Substanzerhaltung zwecks Klimaschutz Vorreiter sein. Die Stadt Mannheim hat sich freilich mit dem Verkauf ihres vernachlässigten Collini-Büroturms aus der Verantwortung geschlichen. Und die Schwesterstadt Ludwigshafen will ihr 1979 errichtetes Rathaus rückbauen, wie abreißen gern schönend umschrieben wird. Kosten rund 80 Millionen Euro. Der Preis fürs Klima bleibt unbeziffert.

Freie Autorin