Mannheim - Rektor Thomas Puhl im Interview

Friedrichspark-Bebauung in Mannheim: Universität geht von vier Gebäuden aus

Von 
Martin Geiger
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So könnte es neben dem Schloss in einigen Jahren aussehen – wenn die Stadträte und Stadträtinnen der vorliegenden Planung für die Friedrichspark-Bebauung zustimmen. © Visualisierung: Architekturbüro Hähnig und Gemmeke Freie Architekten BDA

Mannheim. Der Rektor der Universität, Thomas Puhl, über die umstrittene Bebauung des Friedrichsparks, die Besonderheiten des Campus-Konzepts – und die Pläne der Hochschule für ein viertes Gebäude.

Herr Puhl, am Dienstag fällt die Vorentscheidung über die Bebauung des Friedrichsparks. Erklären Sie uns noch mal, bitte: Warum braucht die Uni diese Fläche?

Thomas Puhl: Weil wir einen großen Raumbedarf haben. Der Ostflügel des Schlosses, in dem etwa 20 Hörsäle sind, muss dringend renoviert werden. Die Feuerwehr knirscht heute schon mit den Zähnen und sagt uns: Unter Brandschutz-Aspekten ist diese Situation rechtswidrig. Wenn wir einen konsequenten Plan für die Renovierung haben, erhalten wir bis 2026 Aufschub. Wenn sich jedoch nichts tut, machen die uns den Laden dicht.

Könnten Sie nicht für die Renovierungszeit Ersatzflächen anmieten?

Puhl: Nein, weil wir am dringendsten Hörsäle brauchen: Die können Sie aber in einem klassischen Gebäude nicht so einfach unterbringen. Außerdem benötigen wir die Flächen nicht nur zeitweise, sondern dauerhaft. Wir sind heute schon die Landesuniversität mit dem höchsten Auslastungsgrad bei den Hörsälen. Und wir bekommen immer wieder neue Studiengänge und damit Lehrstühle sowie Forschungseinrichtungen dazu – und diese Leute müssen irgendwo sitzen. Hinzu kommt, das hat sich auch während der Pandemie verstärkt gezeigt, dass wir flexibel gestaltbare Räume mit einer modernen technischen Ausstattung brauchen: Das lässt sich im Schloss alleine wegen des Denkmalschutzes gar nicht umsetzen.

Rektor der Universität Mannheim

  • Thomas Puhl wurde 1955 geboren.
  • Er studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Bonn und Genf und promovierte 1985.
  • Als Assistent von Paul Kirchhof habilitierte er 1995 an der Universität Heidelberg.
  • 1996 erhielt er den Ruf an die Uni Mannheim. Dort hat er die Professur für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht, Öffentliches Wirtschaftsrecht und Medienrecht inne.
  • Von 2012 bis 2018 war er Prorektor der Universität. 2018 wurde er zum Rektor gewählt. 

Hat die Corona-Pandemie nicht gezeigt, dass der Bedarf langfristig sinkt? Vieles läuft doch online . . .

Puhl: Ganz im Gegenteil: Die Krise hat uns gezeigt, wie wichtig die Präsenz vor Ort ist. Bei den Online-Veranstaltungen beteiligen sich die Studierenden viel seltener. Darunter leidet die Qualität der Lehre ganz erheblich. Darum müssen wir die Leute wieder auf den Campus bringen. Abgesehen davon, dass auch der soziale Faktor wichtig ist: Unsere Studierenden leiden enorm unter der Isolierung. Die Nachfrage bei unserer psychologischen Beratungsstelle hat sich zuletzt vervierfacht.

Was genau wollen Sie bauen, und wer soll dort einziehen?

Puhl: Im jetzt zu beschließenden Teil-Bebauungsplan sind drei Gebäude mit fünf bis sechs Stockwerken vorgesehen. Am dringendsten benötigen wir die ersten beiden: Dort werden in den untersten beiden Etagen Hörsäle, Seminarräume und multifunktional nutzbare Lernräume entstehen. Darüber ist Platz für die Büros der Lehrstühle – zum einen der Philosophischen Fakultät und zum anderen der Wirtschaftsinformatik. Das dritte ist unser „Haus der Forschung“: Dort steht die Belegung noch nicht im Detail fest. Wir planen aktuell, neue psychologische Lehrstühle und Forschungsverbünde dort unterzubringen.

Verstehen Sie die Kritik, die es an Ihrem Vorhaben gibt?

Puhl: Ich kann sie teilweise nachvollziehen: Ich selbst bin ja auch ein Freund des tollen Barock-Ensembles aus Schloss, Jesuitenkirche und Sternwarte, das wir hier haben. Aber man muss schon sehen, dass man unterschiedliche Interessen auch irgendwie zusammenbringt. Und ich glaube, das ist uns sehr gut gelungen!

© MM-Grafik

Viele Mannheimerinnen und Mannheimer sehen das anders . . .

Puhl: Mag sein, aber ich möchte noch mal darauf hinweisen, dass wir 2017 einen transparenten Wettbewerb durchgeführt haben, an dem alle relevanten Institutionen beteiligt waren. Außerdem haben wir zahlreiche Zugeständnisse gemacht, um einen vernünftigen Kompromiss zu finden.

Welche?

Puhl: Ursprünglich wollten wir fünf Gebäuden errichten, jetzt begnügen wir uns mit dreien. Wir haben sie auch ein paar Meter weiter nach hinten gerückt, damit vorne mehr Bäume stehenbleiben können. Und die Abstände zwischen den Häusern wurden so vergrößert, dass Frischluft in Richtung Quadrate gelangt.

Geplante Friedrichspark-Bebauung

  • Nach dem ab Sommer geplanten Abriss des alten Eisstadions soll die Fläche neu genutzt werden.
  • Die Universität will dort drei Gebäude errichten. Diese sollen jeweils maximal 48 Meter lang und 21 Meter breit sein.
  • Zwei Gebäude sollen maximal fünf Stockwerke (19,5 Meter) hoch werden, eines sechs Stockwerke (22,5 Meter).
  • Die Abstände dazwischen sind mit mindestens 23 Metern geplant.
  • Die ersten beiden Häuser sollen 2026 oder 2027 bezugsfertig sein. Der Bau des dritten wird wohl frühestens 2028 beginnen.
  • Gegen das Vorhaben der Hochschule hatte es in den vergangenen Jahren breite Kritik gegeben.
  • Im Laufe dieses Monats soll nun die endgültige Entscheidung fallen.
  • Damit die Universität ihre Pläne verwirklichen kann, müssen zwei Gremien zustimmen: der Gemeinderat, der am 15. März tagt, und der Nachbarschaftsverband Heidelberg-Mannheim, der am 11. März zusammenkommt.
  • Der Gemeinderat stimmt über den konkreten Bebauungsplan ab. Der Nachbarschaftsverband entscheidet über den sogenannten Flächennutzungsplan, der die Basis für den Bebauungsplan darstellt.
  • Vorentscheidend für das Votum des Gemeinderats ist in der Regel die Abstimmung in den Ausschüssen. Diese findet am Dienstag, 8. März, im Hauptausschuss statt. Der Ausschuss für Umwelt und Technik ist dazu ebenfalls eingeladen. 

Dennoch monieren Kritiker die Folgen für die klimatischen Verhältnisse in der Innenstadt.

Puhl: Das kann ich nicht nachvollziehen: Im Vergleich zum Eisstadion sind die neuen Gebäude viel kleiner. Das heißt, die versiegelte Fläche nimmt deutlich ab! Zudem sind uns Umwelt und Energieverbrauch sehr wichtig: Die Dächer der Gebäude und drei von vier Fassadenseiten werden begrünt. Wir installieren Photovoltaikanlagen, so dass die Häuser mehr Energie produzieren, als sie verbrauchen. Sie werden geplant als „Effizienzhäuser Plus“ und haben damit Modellcharakter. Wir gehen da weit über die gesetzlichen Standards hinaus. Außerdem werden wir den Park aufwerten.

Wie?

Puhl: Er soll ein lebenswerter Raum werden, wo sich Studierende und Bürger gerne aufhalten, und der einen attraktiven Übergang zum Rhein schafft. Im Moment ist es ein Angstraum, den abends viele meiden. Wir wollen ihn über Terrassentreppen an den Gebäuden beleben und eventuell mit Wasserflächen verschönern. Wenn wir Baurecht haben, werden wir die Bürger bei der Gestaltung einbeziehen.

Hätten Sie nicht woanders bauen können, damit dort ein klassischer Park entstehen kann?

Puhl: Wir haben das riesige Privileg, dass wir eine Campus-Universität sind – und das wollen wir bleiben. Das gehört zu unserem Markenkern: Wir sind eine Universität der kurzen Wege. Wir haben den Tag in 90 Minuten Blöcke eingeteilt. Dazwischen sind 15 Minuten Pause, in denen die Studierenden von einem Ende des Campus zum anderen laufen können müssen. Natürlich könnten wir die Pausen verlängern. Aber dann würden wir am Tag weniger Blöcke unterkriegen – und unser Raumbedarf würde zusätzlich steigen. Das wäre ein Schuss in den Ofen.

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Vom Verbindungskanal hierher schafft man es aber in 15 Minuten.

Puhl: Zum Schloss vielleicht, wenn Sie sprinten. Bei unseren Hörsälen Richtung Bahnhof wird es schwieriger. Die Lebenswirklichkeit sieht zudem so aus, dass der Dozent zwei Minuten überzieht, die Studierenden ihre Sachen packen, zwei Sätze mit den Kommilitonen reden – und schon sind aus den 15 Minuten zehn geworden. Außerdem gehört auch das Interdisziplinäre zu unserem Markenkern: Wir haben hier Statistiker, Psychologen, Wirtschaftswissenschaftler – und die müssen sich begegnen. Die müssen sich in der Mensa treffen und an einem Tisch Kaffee trinken: Nur so funktioniert interdisziplinäre Forschung!

Das heißt, die Flächen am Verbindungskanal sind ungeeignet?

Puhl: Das Gelände ist ein wichtiges, das unbedingt städtebaulich gestaltet werden muss. Für mich sind dort mittelfristig aber eher Funktionen wie Wohnen oder Sport vorstellbar, bei denen der Weg zur Uni auch etwas weiter sein darf. Für Lehrgebäude eignet es sich nicht, auch weil der verkehrsreiche Parkring mit der Ampelkreuzung eine trennende Linie ist.

Wo wir schon bei der mittelfristigen Planung sind: Bleibt es bei den nun vorgesehenen drei Gebäuden? Der Flächennutzungsplan soll ja so geändert werden, dass das komplette Areal bis zum Parkring theoretisch nutzbar wäre.

Puhl: Das ist eine Option für die Zukunft, über die man in zehn Jahren entscheiden muss. In unserem Rahmenplan gehen wir von insgesamt vier Gebäuden aus, weil wir gerne auch ein „Haus der Studierenden“ errichten würden, in dem etwa Studienberatung, akademisches Auslandsamt und unsere fantastischen Initiativen aus der Studierendenschaft zusammengefasst werden. Ob es aber wirklich dazu kommt, kann ich Ihnen heute noch nicht sagen. Falls der Flyover wegfällt, wäre es denkbar. Aber bei diesem Gebäude bleibt uns noch Zeit, um auch über Alternativen nachzudenken.

Zum Rechenzentrum, das Sie auf A 5 planen, gibt es aber keine Alternative, oder? Manche halten es für kritisch, weil es zu groß sei und zu nah an der Sternwarte stehe . . .

Puhl: Ich weiß, aber diese Entscheidung hat die Stadt längst gefällt. Wir haben Baurecht und werden dort bis 2026 unser IT-Gebäude errichten – das wir dringend brauchen. Unser altes Rechenzentrum im Hochhaus am Hauptbahnhof ist im Sommer regelmäßig vom Zusammenbruch bedroht. Wenn da die Sonne aufs Dach scheint, herrschen Temperaturen von mehr als 30 Grad. Die neue IT-Einheit ist übrigens sehr energieeffizient und primär ein Service-Gebäude, nur etwa 15 Prozent der Fläche werden mit Servern belegt. Außerdem haben wir das Gebäude zehn Meter weiter von der Sternwarte weggezogen, als wir müssten. Auch hier sind vielfältige Begrünungselemente geplant. Zudem sind die drei obersten Stockwerke aus Holz gebaut. Das ist eine sehr vernünftige Lösung.

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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