Mannheim. Zwei Jahre auf Bewährung und 75 000 Euro Geldauflage: Das sieht das am Montag gefällte Urteil im Hygiene-Prozess vor. Der ehemalige Geschäftsführer des Mannheimer Uniklinikums Alfred Dänzer muss darüber hinaus mit dem Verlust seiner Pensionsansprüche als Beamter rechnen.
Ausführlich erläutert der Vorsitzende Richter Ulrich Bunk, warum die dritte Strafkammer am Mannheimer Landgericht davon ausgeht, dass Alfred Dänzer ihm auferlegte Plichten nicht erfüllt hat – und dies keineswegs fahrlässig, sondern bedingt vorsätzlich.
Zwar sei es das Klinikum, das Medizinprodukte wie OP-Instrumente, Apparaturen und einschlägige Software betreibt, aber die Verantwortung dafür liege beim Geschäftsführer als dessen rechtlichen Vertreter. Die Gesetzeslage sei insofern eindeutig, als Mängel im Sinne „jeder Abweichung von der Sollbeschaffenheit“ – ob nun bei chirurgischem Besteck oder Geräten zum Reinigen sowie Desinfizieren – als Verstoß gelten. Da Alfred Dänzer bereits 2007 vom Regierungspräsidium Karlsruhe nach einer Begehung über massive Unzulänglichkeiten informiert worden ist, so der Kammervorsitzende, könne nicht mehr nur von unterlassenen Maßnahmen gesprochen werden. „Es war aktives Tun.“
Keine fachliche Einführung
Bunk führt aus, dass die im Gesetz formulierten Pflichten beim Betreiben von Medizinprodukten zwar delegiert werden können – „man kann sich aber nicht von der Pflicht befreien“. Das Gericht wirft Alfred Dänzer vor, keinerlei Kontrolle ausgeübt zu haben. Obendrein seien wichtige Aufgabenbereiche an Abteilungen übertragen worden, ohne zuständige Beauftragte zu benennen und diese fachlich in ihre Aufgaben einzuführen.
Gefehlt habe außerdem ein Budget – denn ohne abrufbare Mittel seien anfallende Aufgaben einem „Schwarzen Peter“ gleich hin und her geschoben worden. Zwar habe Alfred Dänzer bauliche Maßnahmen angeordnet und neue Geräte anschaffen lassen, aber insgesamt „hat es sich um Flickschusterei gehandelt“.
Die verhängte zweijährige Bewährungsstrafe bezeichnet der Vorsitzende Richter als „noch angemessen, aber erforderlich“. Die Kammer habe zugunsten des inzwischen 73-Jährigen gewertet, dass die insgesamt sechseinhalbjährige Verfahrensdauer eine große Belastung bedeutete. Mit Blick auf die Tatsache, dass die Anklage seit Dezember 2017 beim Landgericht hing, erklärte er: „Wünschenswert wäre gewesen, das Verfahren innerhalb eines Jahres zu führen.“
Als Ausgleich erkennt die Kammer drei Monate der Bewährungsstrafe als bereits abgegolten an. Bei der Urteilsberatung, so Bunk, habe auch eine Rolle gespielt, dass Dänzer der Verlust der Pensionsansprüche als Beamter droht. Denn die kann auch ein bereits pensionierter Beamter verlieren, wenn dieser strafrechtlich zu zwei Jahren verurteilt wird.
Allerdings muss der Dienstherr bei der gesetzlichen Rentenkasse nachversichern – aber diese Leistungen fallen deutlich niedriger aus. Da Alfred Dänzer schon vor der Überführung des Klinikums in eine gemeinnützige GmbH bei den städtischen Krankenanstalten tätig war, hat er Beamtenstatus.
Schadensansprüche ungewiss
Ob das Uniklinikum in kommunaler Trägerschaft gegen seinen einstigen Geschäftsführer Schadensansprüche geltend machen wird, ist ungewiss – allerdings erwähnte der Kammervorsitzende die Möglichkeit einer solchen Klage. Ein sich anschließender zivilrechtlicher Prozess dürfte den Ex-Geschäftsführer in die Bredouille bringen. Schließlich sind bei Managerversicherungen Klauseln üblich, wonach ein vertraglich vereinbarter Schutz – häufig im zweistelligen Millionenbereich – nicht greift, wenn eine strafrechtliche Verurteilung wegen grober Fahrlässigkeit beziehungsweise Vorsatz vorliegt.
Anwalt Hans Ulrich Beust lässt Journalisten nach dem Urteilsspruch des Landgerichts wissen, dass er für seinen Mandanten auf jeden Fall Revision einlegen will. Er kritisiert zudem, dass die Kammer juristisch Vorsatz zur Last legt. Denn wäre sie von Fahrlässigkeit ausgegangen, hätte das Verfahren wegen Verjährung eingestellt werden müssen – worauf die Verteidigung gehofft hatte.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Hygiene-Prozess: Ein Urteil mit Folgen