Hygiene-Prozess - Einstige Leitung der Steri-Abteilung „maßlos überfordert“ / Plötzlich Entzündungen nach Knie-Eingriffen

Hygieneskandal am Uni-Klinikum Mannheim: „Beratungsresistenter“ Personalchef

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Hohlrauminstrumente stellen die Mitarbeiter vor besondere Herausforderungen: Fabian Holzwarth sortiert in der komplett umgestalteten Steri-Abteilung des Klinikums vorgereinigte Endoskope. © Thomas Rittelmann

Wer hat im Uni-Klinikum wann was von den Unzulänglichkeiten, ja Missständen bei der Aufbereitung von OP-Instrumenten gewusst und in welchem Umfang an den Geschäftsführer Alfred Dänzer weitergegeben beziehungsweise unterlassen? Auf diese Frage versucht die dritte Strafkammer des Landgerichtes auch am vierten Verhandlungstag des Hygiene-Prozesses eine Antwort zu finden.

Der Geschäftsführer jenes Fachdienstleisters, der im Herbst 2014 die Reorganisation der Sterilisationsabteilung übernommen hat und bis heute Vertragspartner der Universitätsmedizin ist, wird nicht nur als Zeuge, sondern auch als Sachverständiger gehört. Den zentralen Steri-Maschinenpark, den er vor sechs Jahren vorgefunden hat, bezeichnet er als „gut“, allerdings habe es „logistische Probleme“ gegeben – insbesondere weil die damaligen Leitungskräfte trotz eines Lehrganges für die (höchste) Fachkunde drei „maßlos überfordert waren“.

In der Befragung geht es auch darum, dass nach der Hygieneaffäre von den chirurgischen Bestecken – insgesamt um die 140 000 Einzelteile – etwa 80 Prozent gegen fabrikneue Haken, Scheren, Zangen und Co. ausgetauscht worden sind. Der sachkundige Zeuge weist darauf hin, dass ein knappes Drittel hätte durchaus weiter verwendet werden können: „Unansehnlich verfärbte Instrumente müssen nicht unbedingt unbrauchbar sein.“ Allerdings habe der seinerzeitigen Steri-Leitung die Fähigkeit gefehlt, zu unterscheiden, was noch chirurgisch genutzt werden kann und was nicht. Außerdem betont der Fachmann: „Grundsätzlich muss sich ein Operateur davon überzeugen, ob er auf einem sterilisierten Sieb funktionstüchtige Instrumente vorfindet.“

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Als der Zeuge über den seinerzeitigen Klinikum-Chef für Personal wie Logistik und dessen Einkäufer, beide zuständig für den sensiblen Bereich der Medizinprodukte-Aufbereitung, spricht, erklärt er unmissverständlich: „Die beiden hatten keine Ahnung, was da unten in der Steri abging!“

Nachmittags schildert der ausgebildete Arzt und heutige Geschäftsbereichsleiter Zentrale Klinische Einrichtungen, warum er im Herbst 2013 als damaliger Referent der ärztlichen Direktion mit den Steri-Problemen konfrontiert war: Ein Chirurg aus dem Orthopädischen Zentrum habe Alarm geschlagen, weil bei jahrelang unauffälligen Knie-Eingriffen plötzlich hintereinander Entzündungen aufgetreten waren. Bei der stichprobenartigen Untersuchung eines sterilisierten Besteck-Siebes, so führt er aus, „ist eine Verkeimung festgestellt worden“. Die Abstrichproben hätten den Verdacht nahegelegt, dass endoskopische Instrumente mit feinem Hohlraum möglicherweise nicht ausreichend durchspült wurden.

Der Mediziner berichtet von „frustrierenden“ Gesprächen mit dem damaligen Personalchef samt Einkäufer. Veränderungsvorschläge seitens der Klinikum-Hygieniker seien auf taube Ohren gestoßen. Der Personalchef habe sich als „beratungsresistent“ gezeigt. „Mit dem Argument ,Ich habe Hunger’ beendete er abends das Gespräch – ohne Ergebnis.“ Als Folge der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen sollte dieser Geschäftsbereichsleiter später mit einem Strafbefehl und 90 Tagessätzen belegt werden.

Der einstige Referent der ärztlichen Direktion, der schließlich direkt das Gespräch mit dem Klinikum-Geschäftsführer suchte, geht davon aus, dass dieser „nicht in vollem Umfang“ über die massiven Steri-Probleme informiert worden war. „Ich habe Herrn Dänzer immer kontrolliert erlebt, aber da war er richtig wütend!“ Dänzer habe sofort Maßnahmen verfügt – beispielsweise dass die zentrale Aufbereitungsabteilung künftig auch für Funktionstests der in OP-Bereiche ausgegliederten Reinigungsgeräte zuständig sein soll.

Befragt nach der anonym gemeldeten, aber nie gesichteten Fliege in einem OP-Set, erklärt der Zeuge: Natürlich habe man überlegt, von wem der Hinweis stammen könnte – „aber da gab es mehr Verdächtige als Einwohner von Mannheim“.

Am kommenden Donnerstag setzt das Gericht ab 9.30 Uhr nicht nur seine Zeugenbefragungen fort. Der Vorsitzende Richter Ulrich Bunk kündigt an, dass er eine Art Prozess-Zwischenbilanz ziehen wolle.

Dabei dürfte auch eine Rolle spielen, ob das Einkommen des angeklagten Ex-Managers mit dem Geschäftsergebnis des Klinikums beziehungsweise dessen Sparkurs verknüpft war.

Freie Autorin

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