Mannheim. Die etwa 100 Menschen, die am Dienstagabend auf dem Marktplatz zusammenkommen, sind laut. Viele Palästina-Fahnen sind zu sehen. Typische Parolen, wie man sie von vergangenen Demonstrationen von Free Palestine Mannheim bereits kennt, schallen über den Platz. Über Instagram kann man die nach eigenen Angaben spontan organisierte Demonstration sogar live verfolgen.
Die fürchterlichen Bilder, die am Abend in diversen Nachrichtensendungen zu verfolgen sind, seien Anlass für die spontane Demonstration, heißt es im Vorfeld auf Sozialen Medien. Bei einem Raketeneinschlag in einem Krankenhaus in Gaza sind viele Hundert Menschen getötet worden. Für einen Sprecher der Gruppe Free Palestine ist klar, dass die Rakete von Israel aus abgeschossen worden sei, hört man in der Rede auf dem Marktplatz.
Videomitschnitt sichergestellt
Auch die Hamas beschuldigt israelische Streitkräfte – die weisen die Vorwürfe zurück und machen ihrerseits eine militante Palästinensergruppe dafür verantwortlich. Vieles ist auch am Mittwoch in dieser Frage noch unklar – auf dem Mannheimer Marktplatz aber spielen diese offenen Fragen keine Rolle. Eine vergleichbare Demonstration mit 40 bis 50 Personen findet am Dienstagabend auch in Stuttgart statt.
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Diese Einschätzung revidiert die Polizei am Nachmittag. Mehrfach ist auf einem Video die Parole „From the river to the sea, Palestine will be free“ zu hören. Man habe den Beitrag gesichert und an die Kriminalpolizeidirektion Heidelberg weitergeleitet, die Ermittlungen aufnehme, erklärt eine Sprecherin dieser Redaktion. „Eine rechtliche Würdigung obliegt der zuständigen Staatsanwaltschaft Mannheim.“ Auf Anfrage erklärt ein Sprecher der Behörde, dass bei derartigen Parolen der Tatbestand der Volksverhetzung in Betracht kommen könnte, weil das Existenzrecht Israels dadurch betroffen sei. „Es bedarf jedoch immer einer Prüfung des konkreten Einzelfalls.“
Laut Versammlungsgesetz müssen in Baden-Württemberg Demonstrationen 48 Stunden vor Bekanntgabe bei der zuständigen Behörde angemeldet werden. Ist eine Anmeldung nicht oder nur später möglich, zum Beispiel, weil kurzfristig auf ein Ereignis reagiert wird, muss man diese Frist nicht einhalten. Ob das auf die Demonstration am Dienstag zutraf, ist am Mittwoch nicht abschließend klar. Die Stadtverwaltung kann eine Anfrage dieser Redaktion, auch dazu, wie aus ihrer Sicht die Demonstration verlaufen sei, bis zum Abend inhaltlich nicht beantworten und kündigt dies für diesen Donnerstag an.
Weitere Demonstration geplant
Indes prüft die Polizei, wie in der Nacht auf Montag eine Palästina-Fahne am Wasserturm angebracht werden konnte. Die Gruppe Free Palestine hatte am Montag auf Instagram ein Video geteilt, das die Fahne am Haupteingang des Wasserturms gezeigt hatte. Nachdem die Polizei gegen 2 Uhr auf die Fahne aufmerksam gemacht worden sei, erklärt ein Sprecher auf Anfrage, sei diese sichergestellt worden. Verdächtige, die die Flagge angebracht haben könnten, seien nicht bekannt. Die Polizei prüft demnach, ob beim Anbringen ein Hausfriedensbruch begangen worden sei.
Möglicherweise auch, um vor Kooperationsgesprächen mit der Versammlungsbehörde die Situation zu beruhigen. Diese Gespräche führt die Versammlungsbehörde mit Sicherheitskräften und Organisatoren vor jeder Demonstration. Eine solche hat Free Palestine für diesen Samstag erneut angemeldet. Die Versammlungsbehörde bestätigt auf Anfrage – ohne dabei die Organisationen zu nennen – die Anmeldung einer Demonstration von 18 bis 20 Uhr auf dem Marktplatz unter dem Titel „Gegen Krieg, Besatzung, Gewalt und Unterdrückung in Palästina und Israel“ mit 300 erwarteten Personen.
Auch Deutsch-Israelische-Gesellschaft meldet Kundgebung an
In der vergangenen Woche hatte die Versammlungsbehörde eine Demonstration von Free Palestine wegen Sicherheitsbedenken verboten. Das Verwaltungsgericht hatte dieses Verbot bestätigt, nachdem die Gruppe gegen die Entscheidung geklagt hatte. Auf der spontanen Demonstration am Dienstag hatte ein Sprecher angekündigt, notfalls eine weitere Instanz zu bemühen, um gegen ein eventuelles Verbot zu klagen. Wann die Kooperationsgespräche stattfinden, ist nicht bekannt.Auch die Deutsch-Israelische-Gesellschaft Rhein-Neckar/Mannheim (DIG), das Junge Forum sowie der Arbeitskreis gegen Antisemitismus und Antizionismus Mannheim hat für Samstag eine Versammlung angemeldet. Von 17 Uhr an solle es am Paradeplatz einen Infostand geben, auf den ab 18 Uhr eine Solidaritätskundgebung folgen soll, teilte die DIG dieser Redaktion mit.
Zudem hat die Muslimische Hochschulgruppe Mannheim zum „Totengebet in Abwesenheit“ auf den Rheinwiesen im Lindenhof eingeladen. Am Sonntag wollen die Studenten ein islamisches Gebet zum „Gedenken aller Verstorbenen aus dem Kriegsgebiet“ sprechen, teilt die Hochschulgruppe mit. „Wir möchten für unsere verstorbenen Geschwister, die während der vergangenen Wochen ihr Leben verloren haben, beten“, heißt es weiter. Jeder, der trauern möchte, könne dabei seine Gedanken und Gefühle zu diesem Anlass teil. (mit lia)
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