Mannheim. Die Versammlungsbehörde der Stadt Mannheim hat die für Samstagabend angemeldete Demonstration der Gruppe "Free Palestine Mannheim" verboten. Das hat der Veranstalter am frühen Nachmittag auf Sozialen Medien erklärt. Auf Anfrage bestätigte die Verwaltung das Verbot. Die Stadt haben die Kundgebung verboten, " weil eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht, die aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ausnahmsweise eine Untersagung rechtfertigt", heißt es auf Nachfrage im exakt gleichen Wortlaut, wie einen Tag zuvor in der Verbotsbegründung für eine am Donnerstag angemeldete Kundgebung.
Zu der Demonstration am Samstagabend wurden laut Verwaltung 100 Personen erwartet. Die Veranstaltung war als "Mahnwache/Solidaritätskundgebung zum Gedenken an die Opfer in Palästina" angemeldet worden.
Gruppe will klagen - Polizei mit "starken Kräften" vor Ort
Die Gruppe Free Palestine Mannheim kritisierte in einer ersten Stellungnahme das Verbot. Man habe sich im sogenannten Kooperationsgespräch, das vor jeder Demonstration mit Behörden geführt wird, "für Sachen, die nur in ihrer Fantasie passieren können" rechtfertigen müssen, hieß es unter anderem. Konfrontiert mit diesem Vorwurf antwortet die Verwaltung erneut kurz und sachlich: Man entscheide im Einzelfall über die Bestätigung oder das Verbot einer Versammlung. Sofern nicht hinreichend gewährleistet sei, dass Auflagen, die die öffentliche Sicherheit gewährleisten sollen, eingehalten werden, spreche die Stadt ein Versammlungsverbot aus. "Dies geschieht unabhängig von der inhaltlichen Ausrichtung einer Versammlung", schreibt eine Sprecherin.
Die Gruppe kündigte an, gegen die Entscheidung gerichtlich vorgehen zu wollen und per Eilantrag Klage einzureichen. Am Abend erklären Vertreterinnen und Vertreter von Free Palestine im Gespräch mit dieser Redaktion ihr Vertrauen in den Rechtsstaat. "Wir sind überzeugt, morgen rechtmäßig demonstrieren zu dürfen."
Zuständig für den angekündigten Eilantrag ist das Verwaltungsgericht Karlsruhe. "Grundsätzlich versuchen wir bei solchen Eilanträgen immer, die Entscheidung vor dem angemeldeten Demonstrationsstart zu fällen. Damit dem unterlegenen Kläger noch genug Zeit bleibt, in die weitrere Instanz zu ziehen", erklärt Sprecher und Vorsitzender Richter Lutz Metzger am Verwaltungsgericht Karlsruhe dieser Redaktion. Bei der Entscheidungsfindung orientiere man sich oft auch an Urteilen von höheren Instanzen. Die letzte Instanz für ein entgültiges Urteil wäre dann das Bundesverfassungsgericht.
Die Polizei bereitet sich unabhängig von der Entscheidung des Gerichts auf einen größeren Einsatz vor. "Wir werden mit starken Kräften in der Stadt sein, um gegebenenfalls das Verbot durchzusetzen oder die Sicherheit und Ordnung bei der Versammlung zu gewährleisten", erklärt Sprecher Patrick Knapp am Abend dieser Redaktion. "Für uns macht es personell keinen Unterschied, ob das Verbot gilt oder nicht."
Gericht entscheidet im Einzelfall
Ob das Verwaltungsgericht dem Eilantrag der Free Palestine Gruppe stattgibt oder ihn abweist, lässt sich nur schwer voraussagen - die Gerichte entscheiden jeweils im Einzelfall. Dabei kommt es auch auf die Anzahl der angemeldeten Teilnehmenden an, welche Route durch die Stadt geplant ist und mit welchen Argumenten die Stadt das Verbot begründet. Wie die Stadt auf die Nachricht einer Klage reagiert? Eine Sprecherin erklärt auf Anfrage nur, dass man die Entscheidung des Gerichts abwarten werde - und erst dann das weitere Vorgehen bespreche.
Ein Blick nach Berlin zeigt: Hier hatte das zuständige Verwaltungsgericht vor drei Tagen den Eilantrag des Veranstalters zurückgewiesen. Zuvor hatten pro-palästinesische Gruppe erneut in Neukölln demonstrieren wollen, die Polizei die israelfeindliche Demo aber verboten. wie der Berliner "Tagesspiel" berichtet.
Schon am frühen Freitagmorgen hatte sich der Arbeitskreis islamischer Gemeinden Mannheim (AKIG) mit einem „Gemeinsamen Appell für Frieden und Respekt“ erstmals öffentlich zu Wort gemeldet. Darin verurteilen die AKIG-Mitglieder die Anwendung von Gewalt in jeglicher Form ebenso wie den Missbrauch von Religion zur Förderung oder Rechtfertigung von Gewalt. Sie betonen die Bewahrung eines friedlichen Zusammenlebens auf der Basis gegenseitigen Respekts, Rücksichtnahme und Anerkennung als vorrangiges Ziel. Diese Werte wollen sie, vornehmlich gegenüber den jüngeren Generationen, aktiv vorleben und vermitteln.
In einer Pressemitteilung der Stadt informiert die Verwaltung außerdem darüber, dass sich Oberbürgermeister Christian Specht bereits am Donnerstagabend mit Vertretern der AKIG getroffen hatte. Und dabei den gemeinsamen Appell begrüßt: „Dass Sie nicht schweigen, sondern aktiv zu Frieden und Respekt aufrufen, ist ein sehr wichtiges Zeichen für unsere Stadtgesellschaft. Auch ich appelliere an alle Mannheimerinnen und Mannheimer, den friedlichen und offenen Dialog fortzuführen und sich nicht von einzelnen radikalen Stimmen aufstacheln zu lassen.“ Specht betont in der Pressemitteilung auch: „Wir werden als Stadt keinerlei Hetze oder Gewaltaufrufe dulden und – wenn nötig – mit allen legitimen Mitteln dagegen vorgehen.“
Hohe Hürden für Verbot
In Mannheim hatte die Verwaltung bereits am Donnerstagmittag eine für Donnerstagabend angemeldete Palästina-Demonstration verboten. Begründet hatte die Verwaltung dies mit einer "unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit".
Zuletzt hatten mehrere Organisationen sowie Politikerinnen und Politiker das Verbot der Demonstration gefordert. Das aber ist kein Grund, Versammlungen auch tatsächlich zu verbieten. Die Hürden für eine solche Entscheidung sind hoch. „Ein Verbot kommt nur dann in Betracht, wenn die Behörde nachweisen kann, dass bestimmte Aussagen fallen werden und dass diese Straftaten darstellen", hatte Nils Schaks, Juniorprofessor für Öffentliches Recht an der Universität, am Donnerstagnachmittag dieser Redaktion erklärt. Bevor die Behörde eine Demonstration wegen inhaltlichen Aussagen verbietet, müsse sie „alle anderen rechtmäßigen Deutungsmöglichkeiten ausschließen können“.
Verbote auch in Frankfurt und Berlin
"Free Palestine" ist in Mannheim nicht unbekannt. Nachdem eine pro-palästinensische Demonstration vor zwei Jahren gewalttätig geendet war, verliefen die bislang letzten beiden Demonstrationszüge ohne größere Zwischenfälle.
Zuletzt hatten unter anderem Frankfurt, Kassel und Berlin ebenfalls pro-palästinensische Kundgebungen verboten.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-stadt-mannheim-verbietet-palaestina-demo-auch-am-samstag-_arid,2135726.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-stadt-mannheim-verbietet-pro-palaestina-kundgebung-_arid,2135318.html
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Palästina-Demo in Mannheim verboten: Eine Gratwanderung