Stadtgeschichte

Erinnerung an alten Glanz: Kalender zeigt historisches Mannheim

Vom Kaiserreich bis zu den 1920er Jahren: Ein neuer historischer Kalender zeigt, wie die Quadratestadt vor mehr als 100 Jahren ausgesehen hat - darunter ein längst vergessenes Wachhäuschen am Mannheimer Schloss

Von 
Konstantin Groß
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Paradeplatz mit Altem Kaufhaus auf N 1 im Jahre 1895 – eines der prachtvollen historischen Fotos aus dem neuen Mannheim-Kalender. © Marchivum / Edition panorama

Mannheim. Treffpunkt für das Gespräch ist am Rheinufer, im Urbana Speicher 7, im rückwärtigen Bereich eines prägnanten Hafengebäudes aus den 50er Jahren. Die Frontfassade mit einem riesigen Wandbild verziert, der Blick zum Rhein. Bernhard Wipfler liebt die Location. Denn er liebt den Hafen. Und daher auch besonders das Bild vom östlichen Ufer des Mühlauhafens aus der Zeit um 1900. Dieses Foto ziert das Blatt für den Monat August in jenem historischen Kalender, den sein Verlag Edition Panorama gerade herausgebracht hat.

Historisches Mannheim: Die Stadt, wie sie einmal war

Schon von seiner äußeren Erscheinung ist das Werk eindrucksvoll. Die Kalenderblätter sind einen halben Meter hoch, gar 60 Zentimeter lang. Selbst eine große Wand erhält dadurch ihren Akzent; so mancher Käufer lässt sich daher das eine oder andere Motiv rahmen. Dieser Kalender, er ist eigentlich ein historischer Bildband für die Wand.

Verleger Bernhard Wipfler mit dem neuen historischen Kalender. © Konstantin Groß

Zu sehen sind 13 Fotos aus dem alten Mannheim vom Kaiserreich bis zu den 1920er Jahren, also weit vor den Verheerungen des Krieges. Bilder, die das - wie Goethe einst formuliert - „gleich und heiter gebaute“ Mannheim zeigen, die das Herz jedes Kurpfälzers (und nicht nur dessen) höher schlagen lassen.

Das gilt etwa für das Schloss um 1920 mit den nicht mehr existierenden Wachhäuschen, den Hauptbahnhof mit den Baumalleen am Kaiserring, den Paradeplatz mit dem Kaufhaus N 1, den Marktplatz mit dem Alten Rathaus. Kunstvoll gestaltete Plätze, die diese Bezeichnung noch verdienen. Jedes Bild mit einer kleinen, hübschen Kommentierung, für deren fachliche Qualität die Autoren Grit Arnscheidt, Barbara Becker und Michael Caroli bürgen.

Immerwährender Mannheim-Kalender: Viele Bilder stammen aus dem Marchivum

Die Originale der Fotos, einige noch von damaligen echten „Hof-Fotografen“, stammen aus dem Bestand des Marchivum. Glasplatten, gescannt und wiedergegeben im Duotone-Druck-Verfahren. „Dunkle Flächen wirken dadurch wärmer, ja dreidimensional“, erläutert Wipfler. Ein aufwendiges Verfahren: „Vor jedem der beiden Durchgänge muss die Druckmaschine neu gereinigt werden.“ Ein Betrieb in Passau ist einer der wenigen, der dies noch für solch große Formate leisten kann. Und um die optimale Ausstattung zu komplettieren, sind die einzelnen Kalenderblätter aus hochwertigem Papier gestaltet und mit einem stabilen weißen Rücken versehen.

Konzeptionell handelt es sich um einen immerwährenden Kalender, wie Kenner das nennen. Denn das kommt dem heutigen Kunden-Geschmack entgegen. „Die Zeiten der Kalender nur für ein Jahr sind vorbei“, weiß Profi Wipfler.

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Und ein Profi in Sachen historischer und anderer hochwertiger Kalender ist dieser Verleger allemal. Ende der 1970er Jahren bringt er mit Grit Arnscheidt seinen ersten heraus, dem Hafen gewidmet. Viele folgen, gar mit Kupferstichen. Schließlich jene mit Fotos von Horst Hamann, Ausdruck einer mit seiner vertikalen Ausrichtung bahnbrechenden und erfolgreichen Symbiose, deren Ergebnisse in Ausstellungen quer über den Globus und Besprechungen in der „New York Times“ Niederschlag finden. Doch das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte (wenngleich New York und Mannheim manches gemein haben, nicht zufällig etwa einen ähnlichen historischen Grundriss).

Historisches Mannheim: Paradeplatz "auch ein aktuelles Thema"

Doch zurück zur Kurpfalz. Wie kommt Wipfler zum jetzigen Mannheim-Projekt? „Um das Jahr 2000 bereits hatte ich einen großen Bildband über das historische Mannheim gemacht“, erzählt er: „Der war im Nu vergriffen, das Interesse also riesig.“ Schon lange juckt es ihn daher, sich diesem Thema erneut zuzuwenden. „Zumal der Paradeplatz ja auch ein aktuelles Thema ist.“

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So spürt man: Für den Verleger, mit seinem Sohn Sebastian inzwischen im Thema Bauen auch beruflich engagiert, ist dieser Kalender Herzensanliegen. Obgleich Wipfler kein gebürtiger Monnemer ist. Erst mit 22 kommt er in die Quadratestadt. Aber bleibt ihr bis heute treu. Denn Mannheim fasziniert ihn. „So lebendig, so offen“, schwärmt er. Und ja, er verwendet bewusst auch den Begriff „multikulturell“, in seinem Kern für eine Stadt ja kein Schimpfwort, sondern vielmehr ein Kompliment. Und überhaupt die Mannheimer! An ihnen bewundert Wipfler ihre Ehrlichkeit: „Die Leute hier sagen, was sie denken.“

Mannheim  - auch heute eine spannende Stadt

Aber ja, auch er weiß natürlich: „Schön“ im Sinne einer puppenstübchenartigen Altstadt, das ist Mannheim nicht. „Aber unheimlich spannend“, meint Wipfler, „gerade für jemanden, der sich für Architektur interessiert.“Und das tut er.

Von progressiver Seite wird bei historischen Bildbänden zuweilen angemerkt, sie verklärten die Vergangenheit, verdrängten damit soziale Gegensätze, ja die Not vieler, die damals besteht. „Niemand, auch ich nicht, möchte wieder in solchen Zeiten leben“, folgt Wipfler durchaus diesem Befund. Aber nicht der Schlussfolgerung: „Man muss nicht alles problematisieren“, meint er: „Sondern man darf sich erfreuen an dem wunderschönen Aussehen einer Stadt wie dem alten Mannheim.“ Der neue Kalender bietet dazu Gelegenheit. Und zwar eben jeden Tag.

Historisches Mannheim. Die Quadratestadt um 1900 - ISBN 978-3-89823-633-1, 38 Euro, überall im Buchhandel

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