Was ist da los, denkt sich Ralph Osswald, als er aus dem Fenster in der Lortzingstraße nach unten blickt. „Unsere gesamte Hausecke wurde von Polizisten mit Maschinenpistolen im Anschlag umstellt, ich konnte das gut von da oben beobachten.“ Im Erdgeschoss des Hauses damals in den 1950er Jahren: die Commerzbank-Filiale – mit direkter Alarmleitung zur Polizei. Wie sich kurz danach herausstellt: „Auf der Baustelle vor unserem Haus hat der Bagger ein Telefonkabel verletzt“ – eben die Alarmleitung. Bald gibt es Entwarnung, die Beamten kehren zurück in die wenige Meter entfernte Wache Waldhofstraße.
Genau: Lortzingstraße, Waldhofstraße und die dort einmündende Carl-Benz-Straße in der Neckarstadt – sie waren gefragt in Folge 209 von „Erkennen Sie Mannheim?“ Offenbar eine leicht zu identifizierende Ecke der Stadt. Als wir in Folge 208 ebenfalls einen Ausflug in die Neckarstadt unternahmen – in die Lange Rötterstraße – meldeten sich nur wenige Leserinnen und Leser. Ganz anders jetzt. „Ich denke, dass dieses Mal die Resonanz auf das Rätsel explodieren könnte“, schätzt Ursula Müller. Und sie behält recht. Mit fast 90 richtigen Einsendungen verzeichnen wir, zumindest was die letzten Jahre angeht, einen Rekord.
Eine ganze Reihe von Identifikationspunkten haben es den Teilnehmenden erleichtert. Da ist zum Beispiel das Gebäude der Mannheimer Motoren-Werke, MWM, ansatzweise zu sehen am rechten Bildrand. Einige Leserinnen und Leser, oder deren Verwandte, haben dort oder bei der Vorgänger-Firma, den Benz-Werken, gearbeitet. Etwa der Vater von Elke Scherb. Der 1908 geborene Senior war „über 50 Jahre ,Benzler’ mit der Betriebsnummer 8“, schreibt die Tochter. Elke Weinkötz hat selbst 43 Jahre lang bei MWM gearbeitet. Und auch Paul Braun hat hier „ab 1964 meu Brötche verdient“.
Ein weiterer Identifikationspunkt ist die Commerzbank, die vor einigen Jahren schloss und damit Platz schuf für das Sanitätshaus Annamaier. Doris Weinschenk machte von 1980 bis 1982 vor allem hier ihre Ausbildung zur Bankkauffrau und erinnert sich an ein „tolles Team“, das sie „als ,Azubine’ sehr herzlich in seiner Gemeinschaft aufgenommen“ habe. Hans Peter Nagy eröffnete hier 1971 sein erstes Konto, „auf das mein Lehrlingsgehalt von ca. DM 130 überwiesen wurde“. Und Matthias Feil machte in der Neckarstadt-Filiale 1995/96 eine Trainee-Ausbildung.
Die meisten Einsendenden richten ihren Blick aber vor allem auf die Straßenbahnlinie, die damals noch in einem Bogen über die Schimper- und Carl-Benz- auf die Waldhofstraße geführt wurde. Heute verläuft sie anders, geradewegs durch die Waldhofstraße – und das hat seinen Grund, wie gleich mehrere Leser berichten. So weiß Herbert Knörzer von einem schweren Straßenbahnunfall, der mit der später zurückgebauten Kurve zu tun gehabt habe.
Die Gewinner
- „Mannheimer Morgen“ und Marchivum arbeiten bei „Erkennen Sie Mannheim?“ Hand in Hand.
- Unter den richtigen Einsendungen werden kleine Geschenke aus dem Bestand des Marchivum verlost.
- Als Gewinner der Folge 209 sind gezogen worden: Andrea Geng, Monika Krämer und Ralph Osswald.
- Folge 210 unserer Rätsel-Serie „Erkennen Sie Mannheim?“ erscheint am Mittwoch, 8. November.
- Die Auflösung zu Folge 210 erscheint am Donnerstag, 16. November.
Aus der „S-Kurve“ geflogen
Manfred Kirschbaum präzisiert, die Linkskurve habe sich dereinst „unter einer fahrenden Straßenbahn abgesenkt, sie entgleiste und fuhr geradeaus durchs Eingangstor der Motoren-Werke“. Fritz Ebert erinnert sich „an einen schweren Unfall mit vielen Verletzten. Dabei kippte die Straßenbahn beim Abbiegen in die Carl-Benz-Straße wegen zu hoher Geschwindigkeit um.“ Aber auch ohne Unfall ist Frank Streitberger das „Geschockel“ in Erinnerung geblieben, „wenn man keinen Sitzplatz ergattert hatte“. Und Iris Siegrist hat es an dieser Stelle einmal „rumgeschleudert. Ich bin auf einem besetzten Kinderwagen gelandet. Zum Glück wurde niemand verletzt.“
Bei dem hier zu sehenden Wagen handle es sich übrigens um ein spezielles Fahrzeug, berichtet Eisenbahn-Liebhaber Bernd Hauke. Es sei zuerst nach Mannheim geliefert und deshalb „Typ Mannheim“ genannt worden – auch später beim Einsatz in anderen Städten. Die Fahrzeuge seien „die ersten mit Klimaanlage“ gewesen, so Hauke, „in Mannheim gab’s davon nur 20 Stück.“
„S-Kurve“ nannte man im Volksmund die damalige Bahnführung. „S-Kurve“ hieß auch eine Kneipe an der Ecke zur Schimperstraße, weiß Hans Geier noch ganz genau. Denn hier „hatten wir als heranwachsende Jugendliche in den frühen 1970er Jahren einmal ein paar Biere zu viel intus. Wir waren in der Kneipe dann so laut und ausgelassen, dass uns der Wirt kurzerhand aus der Kneipe rausgeworfen hat. Ohne irgendwelche Gewalt übrigens.“
Nächtliches Gegröle
„Nicht nur schöne Erinnerungen“ verbindet Yvonne Mütsch „mit diesem Fleckchen“. Besondere „Highlights“ seien „nächtlich grölende Betrunkene“ gewesen – was der nahen Polizeistation diverse Einsätze bescherte. Dass hier „viel zu tun“ war, weiß ebenfalls Gerhard Schmitt, der im Revier Neckarstadt eingesetzt war und seit 1996 im Ruhestand ist. Nicht gar so schöne Erinnerungen hat auch Monika Schmitt an diese Stelle. Beim Zahnarzt habe sie „so manchen Angstschweiß vergossen“.
Eindeutig überwiegen allerdings die positiven Erlebnisse. So hat Gerd Feßler nach kriegsbedingtem Aufenthalt in einem Lager für Frauen und Kinder im Elsass hier erstmals seine Großeltern väterlicherseits getroffen, „welche ich bis dahin nicht kennenlernen durfte“. Sie wohnten in dem dem rechts zu sehenden Backsteingebäude.
Markus Eberle hat in dieser Ecke „eine sehr schöne Jugendzeit verbracht“. Mit 20 Familien, die stets zusammenhielten, und vielen anderen Kindern, die Ruinengrundstücke und Baustellen als Abenteuerspielplätze nutzten.
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