Mannheim. Sie werden sonst nie öffentlich gezeigt: Historische Kutschen, die alle um die vorige Jahrhundertwende über holprige Straßen rollten, sind auf dem Maimarkt zu sehen. Es ist eine besondere Premiere, denn sonst behandelt der Mannheimer Unternehmer Heinz Schiedel seine umfangreiche, als größte Europas geltende Kutschensammlung eher als Privatangelegenheit und macht sie nur auf persönliche Einladung zugänglich.
„Ein richtiger Schatz, ein Stück Technikgeschichte“, dankt Oberbürgermeister Christian Specht dem Unternehmer für seine Bereitschaft, so den Maimarkt zu bereichern. Vermittelt hat das Reitervereinspräsident Peter Hofmann. Scheidel wählte für den Maimarkt dann, wie er sagt, „bewusst keine Prunkkutschen“ aus, von denen er auch viele hat, sondern - passend zum Umfeld - gewerblich genutzte Fahrzeuge.
In einem sind sogar Schweinchen auf der Ladefläche, wenn auch aus Holz. „Das ist ein Metzgerwagen, mit dem sind die Metzger zu Bauern gefahren und haben Schweine eingekauft“, sagt Scheidel zu dem um das Jahr 1900 in Nürnberg gebauten Wagen. Daneben steht ein Milchwagen, ebenso um das Jahr 1900 entstanden. „Der VW Bus von früher“, scherzt Scheidel. Damit seien die Lebensmittelhändler übers Land gefahren, hätten Brot und Milch angeboten, ihre Ankunft per Glocke angezeigt.
Besonders der Eiswagen zieht Blicke auf sich
Viele Blicke zieht der Eiswagen auf sich. Er stammt aus der zeit um 1920, gehörte den Pfälzischen Eiswerken. Mit dem isolierten und daher besonders schweren, breit bereiften Gefährt haben Metzger, Bäcker, Gastronomiebetriebe, aber auch private Haushalte Stangeneis bekommen, als es noch keine elektrischen Kühlschränke gab. „In Mannheim ist so ein Wagen von der Firma Eis-Bender noch bis in die 1960er Jahre herumgefahren“, weiß Heinz Scheidel. Auch eine Art Taxi, eine sechssitzige Mietkutsche (Berline genannt) von 1890, zeigt er.
Das älteste Exemplar, das er auf dem Maimarkt präsentiert, ist eine Handdruckspritze von 1880. Mit einem Kutscher und zwölf Mann Besatzung ist sie ausgerückt, wenn es gebrannt hat. „So etwas hatte jedes Dorf“, so Scheidel. An Bord sind Ansaugschläuche, um Wasser aus Feuerlöschteichen oder Flüssen zu pumpen. „Acht Mann haben gepumpt, dann konnte die Spritze 25 Meter weit reichen“, erklärt der Kutschensammler. Als Hersteller solcher fahrbaren Feuerspritzen ist der in Feudenheim aufgewachsene Heidelberger Unternehmer Carl Metz bekennt geworden.
Von 1904 stammt das größte ausgestellte Fahrzeug - eine Dampfspritze aus Paris. „Damit stand die Feuerwehr immer unter Dampf“, so Heinz Scheidel. Statt mit Muskelkraft ist die Pumpe da mit einem Dampfkessel angetrieben worden, „aber den konnte man im Notfall nicht erst anheizen“, erläutert er, weshalb die von Pferden gezogenen Geräte immer bereit sein mussten. „So etwas konnten sich aber nur größere Städte leisten“, so der Unternehmer. Bald seien diese Art von Kutschen aber von Motorkraftwagen verdrängt worden - wie ohnehin die Kutsche bald nur noch als Freizeitvergnügen diente. „Eine Erfindung aus unserer Stadt, das Auto von Carl Benz, hat der Kutsche den Garaus gemacht“, so Oberbürgermeister Specht. Daher sei es etwas Besonderes, dass ausgerechnet Mannheim diese ungewöhnliche Kutschensammlung beherberge.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Treffen wir uns auf dem Maimarkt!