Besuch in Riesa - Einwohnerzahlen sinken kontinuierlich, Industrie wächst wieder – ein Rückblick auf die Veränderungen seit der Wende im Jahr 1989

Eine Stadt entwickelt sich

Von 
Joana Rettig
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Zu Zeiten der DDR prägte vor allem das Stahlwerk mit rund 13 000 Beschäftigten Riesas Wirtschaft. © Rettig

Riesa – Mannheims Partnerstadt im sächsischen Landkreis Meißen. Industriestadt, Sportstadt, Kulturevents. In den Büchern erscheint Riesa das erste Mal 1119. Das Jahr 1623 gilt jedoch als Gründungsjahr. Da bekam Riesa das Stadtrecht. Die Städtepartnerschaft mit Mannheim schloss die kleine Elbstadt 1988 – ein Jahr vor der Wende. Was hat sich seit dem Mauerfall dort getan?

Gesellschaft

Die Einwohnerentwicklung spricht fast schon für sich. Vor der Wende, im Jahr 1989, lebten in Riesa 47 326 Menschen. Heute sind es nur noch 30 600. Ein Rückgang um 35 Prozent, erklärt Uwe Päsler, Sprecher der Stadtverwaltung. Viele junge Menschen sind aus der DDR weggezogen. Sind in den Westen übergesiedelt. Denn nun war es legal, das Land Richtung Bundesrepublik zu verlassen. Doch der Trend hat sich bis heute gehalten. Das bestätigte auch eine 20-jährige Studentin im Gespräch mit dem „MM“. „Ich bin fast die Einzige aus meinem Abiturjahrgang, die hier geblieben ist“, sagt sie. Die meisten seien weggezogen. Andere sind zum Studieren an der Riesaer Berufsakademie aber auch hergekommen. Dieser Weggang sei aber nicht mehr durch eine Flucht in den Westen begründet. „Die meisten sind nach Dresden oder Leipzig zum Studieren gegangen“, sagt sie. So ist es auch kein Wunder, dass die Altersstruktur im Wandel ist. Im Schnitt sind Menschen in Riesa fast zehn Jahre älter als Mannheimer – nämlich 51,1 Jahre.

Wirtschaft

Riesa galt schon in der DDR als Industriestandort. Insbesondere das Stahlwerk mit mehr 13 000 Beschäftigten prägte die Stadt. Einen großen und auch langen anhaltenden Rückschlag musste die Stadt, wie viele ostdeutsche Standorte, aber ebenfalls hinnehmen, als die Wende kam. Arbeitslosigkeit machte sich auch in Riesa breit. Die Wende 1989/90 führte zum Zusammenbruch vieler Industriebetriebe – die Baumwollspinnerei etwa oder das Aropharmwerk, das zum größten pharmazeutischen Kombinat der DDR gehörte, mussten schließen. Branchen wie Stahlerzeugung, Elektronik, Reifenindustrie, Metallverarbeitung, Chemie, Lebensmittelherstellung und Logistik haben sich jedoch in Riesa gehalten und wurden Stück für Stück wieder neu aufgebaut. Das Stahlwerk übernahm 1992 der italienische Hersteller Feralpi. Er beschäftigt heute 686 Mitarbeiter. Der größte Arbeitgeber ist Neways Electronics, ein Elektronikdienstleister mit Hauptsitz in den Niederlanden. 800 Mitarbeiter zählt das Unternehmen in der Elbestadt. Laut Oberbürgermeister Marco Müller steht die Stadt heute wieder „sehr stabil“ da. Die Gewerbesteuereinnahmen seien in den vergangenen Jahren sogar verdoppelt worden.

Sport

Der wahrscheinlich bekannteste Verein ist der BSG Stahl Riesa – ein Fußballverein, der in der DDR 1968 den Aufstieg in die Oberliga schaffte. Europaweit erfolgreich macht Riesa aber ein anderer Verein: der im Dezember 2002 gegründete Cheerleaderverein, der mit Europameistertitel und Weltmeisterschaftsbronze zur deutschen Spitze im ursprünglich aus den USA stammenden Cheerleading gehört. Entwickelt hat sich Riesa zur Sportstadt durch den ehemaligen Dezernenten Wolfram Köhler, der 1990 aus Mannheim in die sächsische Stadt ging. Er erreichte den Bau der Sachsenarena, in der 1999 die Sumo-Weltmeisterschaft stattfand – damit gelang ihm eine Wende, viele weitere internationale Sportveranstaltungen folgten. Höhepunkt war die Beteiligung Riesas an der Olympia-2012-Kampagne Leipzigs. Die Sachsenarena kann bis zu 13 000 Zuschauer fassen. Neben Sport dient sie auch für Konzerte und andere Veranstaltungen.

Kultur

Als Köhler nach Riesa kam, hätte ein Interview im „MM“ ihm damals fast den Kopf gekostet (wir berichteten). Er sagte, er würde notfalls Grundstücke verkaufen, um Geld in die Kultur investieren zu können. Am Freitag startete in der Sachsenarena die große Live-Tour der bekannten Fernsehshow „Let’s dance“, die am Sonntag auch nach Mannheim kommt. Doch nicht nur Musik prägt die Stadt Riesa. Wie eine Mitarbeiterin des Stadtmuseums erklärte, wurde vergangenes Jahr viel Geld in die Erneuerung des Museums gesteckt.

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Riesa: Mannheims Partnerstadt entwickelt sich

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