Gemeinderat

Droht Mannheim eine politische Blockade?

In der jüngsten Sitzung eines Gemeinderatsausschusses ist der Bebauungsplan für Spinelli gescheitert - an unterschiedlichen Weltanschauungen. Ist das die neue politische Realität? Was die großen Fraktionen denken

Von 
Martin Geiger
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Der Gemeinderat bei den Etatreden. © Thomas Tröster

Mannheim. Was am Ende übrig blieb, war ein Scherbenhaufen – und jede Menge Diskussionsbedarf: Nachdem der Gemeinderatsausschuss für Umwelt und Technik in seiner jüngsten Sitzung den Bebauungsplan für den dritten Bauabschnitt auf Spinelli abgelehnt hatte, war etlichen Kommunalpolitikern die Ratlosigkeit anzusehen. Denn was früher wie eine Formsache erschien, mündete nun in einer Blockade: Manche Fraktionen (Grüne/PARTEI und LTK) stimmten gegen den Plan der Stadtverwaltung, weil sie weniger Auto-Stellplätze wollten – andere (AfD und FDP/MfM) stimmten dagegen, weil sie mehr wollten. Das Ergebnis: Die weitere Entwicklung des neuen Wohngebiets am Rande des Buga-Geländes liegt auf Eis.

Ist das nach den Kommunalwahlen im Sommer die neue politische Realität in Mannheim? Droht der Stadt in manchen Bereichen ein Stillstand, weil es im aktuellen Gemeinderat keine klaren Mehrheiten mehr gibt? Ist zu befürchten, dass die unterschiedlichen Weltanschauungen der gewählten Stadträtinnen und Stadträte künftig häufiger Entwicklungen verhindern – etwa was die Zukunft der Innenstadt betrifft, den Masterplan Mobilität oder die klimagerechte Transformation? Der Versuch einer Analyse.

Die Ausschüsse

Beginnen wir bei der kleinsten Einheit: den Ausschüssen. Dort werden viele Entscheidungen fachlich vorberaten, um die Debatten im Gemeinderat zu begrenzen. Insgesamt gibt es neun Ausschüsse. Die meisten haben zwölf Sitze, die proportional zu den Sitzen im Gemeinderat besetzt werden. In der Regel haben also CDU, Grüne/Partei, SPD und AfD je zwei Stimmen, die neue LTK-Fraktion (Linke, Tierschutzpartei, Klimaliste), FDP/MfM und ML/FW je eine. Macht zusammen elf, es bleibt also ein Sitz übrig.

Wer diesen jeweils bekommt, haben nach Angaben der Stadtverwaltung die beiden größten Fraktionen – CDU und Grüne/Partei – miteinander ausgehandelt. Das Ergebnis: In drei der vier wichtigsten Ausschüsse (Hauptausschuss, der für Umwelt und Technik sowie der für Bildung und Gesundheit) haben die Grünen eine Stimme mehr.

Teilt man diese Konstellation nun entsprechend der Logik des vorherigen Gemeinderates auf, kommt das eher links-gerichtete Lager (SPD, Grüne, LTK) auf sechs Sitze. Die eher bürgerlichen Fraktionen (CDU, FDP/MfM und ML) haben vier. Sollte die AfD genauso wie sie stimmen, könnte es also durchaus ab und an zu Patt-Situationen kommen.

Bei Gleichstand gilt eine Vorlage der Stadtverwaltung aber als abgelehnt. Und in – von der Stadtverwaltung grob geschätzten – zwei Fünfteln aller Fälle wäre dies das letzte Wort: Da ist nämlich das Votum der Ausschüsse ausschlaggebend.

Gemeinderat

Bei etwa weiteren zwei Fünfteln aller Beschlussvorlagen kommt es auf die Abstimmung im Gemeinderat an – die vom Ergebnis in den Ausschüssen abweichen kann. Denn der Beschluss dort gilt hier lediglich als Empfehlung. Und das letzte Fünftel der zu beschließenden Pläne der Stadtverwaltung wird sogar nur im Gesamtgremium beraten.

Dem Gemeinderat, über dessen Tagesordnung der Oberbürgermeister entscheidet, kommt also die entscheidende Stellung zu. Das Gremium mit seinen 48 Vertretern ist jedoch sehr heterogen besetzt. Klare Mehrheiten gibt es hier nicht mehr.

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Bleibt man bei der alten Logik, hat das eher linke Lager aus SPD, Grünen und LTK zusammen 23 Sitze. Das bürgerliche Lager aus CDU, FDP und ML kommt auf 17. Deckt sich deren Abstimmungsverhalten mit dem der AfD – was bei Ablehnungen häufig vorkommt, bei einem gemeinsamen Zustimmen politisch aber äußerst heikel wäre – wären es 24. Dann könnten die zwei noch verbleibenden Stimmen den Ausschlag geben: die von Einzel-Stadtrat Julien Ferrat (Die Mannheimer) – und die von Oberbürgermeister Christian Specht, der bekanntlich der CDU angehört und bei allen Gemeinderatsentscheidungen mitstimmen darf.

Angesichts dieser Lage ist davon auszugehen, dass es vom jeweiligen Thema abhängt, welche Mehrheiten sich bilden. Es kommt aber noch ein ganz anderer Faktor hinzu – der Zufall: Da bei 48 Personen vermutlich in mehr oder weniger jeder Sitzung irgendjemand fehlen dürfte – sei es krankheitsbedingt oder wegen anderer Termine (es handelt sich um ein Ehrenamt) – können sich die Mehrheitsverhältnisse auch von Sitzung zu Sitzung verändern.

Städtische Gesellschaften

Auch auf andere Gremien könnten sich die neuen Verhältnisse theoretisch auswirken: etwa auf die Aufsichtsräte wichtiger städtischer Unternehmen wie der Wohnungsbaugesellschaft GBG. Denn bei deren Berufung spielt in der Regel der Parteien-Proporz ebenfalls eine Rolle. Zwar sagt GBG-Geschäftsführer Karl-Heinz Frings: „Wir gehen davon aus, dass wir in den Aufsichtsgremien weiterhin sachorientiert diskutieren und arbeiten können. Das erfordert schon die Rolle der Aufsichtsräte, die ja im Sinne der jeweiligen Gesellschaften handeln, in deren Aufsichtsgremien sie sitzen.“ Sollten sich die politischen Fronten in den nächsten Jahren jedoch verhärten, dürfte das irgendwann auch bei den städtischen Gesellschaften zu spüren sein.

Die Fraktionen

Dort sieht man die Entwicklung relativ gelassen, wie Nachfragen bei den drei großen ergeben. CDU-Chef Claudius Kranz sagt zwar, „hin und wieder“ könne es auch künftig zu Blockaden in den Gremien kommen, wenn widerstreitende Interessen im Spiel seien. Einen politischen Stillstand befürchtet er jedoch nicht: „In einem Jahr reden wir nicht mehr darüber, da wird sich alles zurecht geruckelt haben.“ Nach den „starken Veränderungen“ sei der Gemeinderat noch in der „Findungsphase“.

Auch die Fraktionsvorsitzenden der Grünen zeigen sich recht entspannt und wollen die Lage nicht überbewerten: Nina Wellenreuther verbucht den geplatzten Spinelli-Bebauungsplan als „ersten Erfahrungswert“. Gabriele Baier sieht darin einen „Weckruf für die Verwaltung“. Diese sei aufgefordert, künftig gerade bei kontroversen Themen im Vorfeld von gemeinderätlichen Beschlüssen stärker auf die Fraktionen zuzugehen: „Kommunikation ist ein großes Thema“, sagt Wellenreuther.

Das sieht SPD-Chef Reinhold Götz ebenso: Die neue politische Konstellation erfordere „mehr Diskussionen und mehr Arbeit im Vorfeld, sowohl von der Verwaltung als auch den Fraktionen“. Alle Beteiligten müssten sich an die veränderten Gegebenheiten gewöhnen: „Das ist ein Prozess, der vom OB und den Dezernenten moderiert werden muss.“ Doch noch etwas hält Götz für notwendig: „Vor allen Dingen von den großen Fraktionen ist Kompromissbereitschaft gefragt.“

Alle vier betonen jedoch auch: Es werden politisch spannende Zeiten.

Spinelli

Und wie geht es nun mit dem geplatzten Bebauungsplan für den dritten Abschnitt auf Spinelli weiter? Er soll nach Angaben der Stadtverwaltung in den nächsten Monaten abschließend im Gemeinderat behandelt werden: Solange die Ausschuss-Entscheidung noch nicht vollzogen sei, bestehe die Möglichkeit, dass das Gesamtgremium den Beschluss ändert.

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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