Mannheim. Die Fontänen sollten nur in die Höhe schießen – aber stattdessen versickerte immer mehr Wasser im Boden. Daher werden die Becken der Jugendstilanlage am Friedrichsplatz derzeit saniert. Erst ab April 2023 sprudeln die Wasserspiele wieder. Von Peter W. Ragge
Minibagger, Kipper und Radlader kurven herum, Betonplatten sind an den Füßen eines Krans aufgeschichtet, man sieht Zelte und freigelegte Graniteinfassungen. In einer denkmalgeschützten Anlage zu bauen, sei „schon eine Herausforderung“ und „sehr spannend“, sagt Joachim Baumann, der Projektleiter, der für die MVV Energie AG die Baustelle betreut. Aber der Mannheimer freut sich über diese Herausforderung: „Es ist schon etwas sehr Besonderes, hier im Herzen der Stadt arbeiten zu dürfen“, so Baumann.
In diesem Herzen, nämlich den als besonderes Kulturgut geschützten Wasserspielen, gab es aber – um im Bild zu bleiben – gewaltige Herzrhythmusstörungen. Im Kaskaden- sowie dem eigentlichen Fontänenbecken kam es seit Jahren zu, so Baumann, „ganz enormem Wasserverlust“. Die MVV beziffert ihn auf 50 Kubikmeter – täglich: frisches Trinkwasser, das stets neu in die Anlage eingespeist werden musste und dann versickerte. Das liegt daran, dass vor allem die Becken-Abdichtungen starke Zerfallserscheinungen und zahlreiche Risse aufwiesen.
Rohre sind völlig porös
Ein Gutachten belegte bereits seit Jahren, dass alle Fugen an den Rändern und innerhalb der Becken nicht mehr funktionsfähig sind. Die Betonflächen seien „offenporig und demineralisiert“, heißt es da. Es gebe starke Zerfallserscheinungen und Risse. Dazu kommt, dass die in der Anlage verlegten Kunststoff-Rohrleitungen inzwischen derartig spröde seien, dass sie „ohne Vorwarnung zerspringen können“.
2020 wäre fast der gesamte unterirdische Technikraum geflutet worden – nur mit viel Glück entdeckte gerade noch rechtzeitig ein MVV-Mitarbeiter, der zufällig vor Ort war, den Schaden, sonst hätte das Wasser die Technik zerstört. Die MVV Energie AG betreibt nämlich für die Stadt die Wasserspiele, hat dazu aber nicht ständig Mitarbeiter vor Ort – die Fontänen laufen, wenn die Anlage mal in Betrieb genommen wurde, vollautomatisch.
Zuletzt saniert worden ist die von 1957 stammende Anlage in den 1980er Jahren. „Die Wasserrohre von damals sind einfach durch, da gibt es heute viel bessere, wesentlich haltbarere Leitungen“, verweist Baumann auf die bereitliegenden blauen Kunststoffrohre. Doch ehe eine neue Ringleitung gelegt und das insgesamt 850 Meter umfassende Rohrleitungsnetz erneuert wird, stehen die eigentlichen Brunnenanlagen im Mittelpunkt – und die stammen größtenteils noch aus der Bauzeit des Friedrichsplatzes, sind also über 100 Jahre alt. Daher arbeite man in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz, betont der Projektleiter. „Da gibt es genaue Vorgaben“, die Steinmetze und Restauratoren dann einhalten müssen, erklärt er.
Friedrichsplatz
- 1886 begannen die Bauarbeiten für den Wasserturm, 1889 war er fertig.
- Auf den Flächen rund um den Wasserturm legten Stadtgärtner in den 1890er Jahren einen Schmuckplatz als Eingangsportal für die östliche Stadterweiterung an. Das Areal wurde 1899 und nochmal zum Stadtjubiläum 1907 neu gestaltet. Die Pläne für Grünanlagen und Arkadenbauten stammen vom Architekten Bruno Schmitz, der den Rosengarten baute.
- Benannt ist der Platz nach dem 1856 bis 1907 regierenden badischen Großherzog Friedrich I.. Er gilt als ältestes der zwölf größten deutschen Wasserspiele.
Als im Oktober die Arbeiten anfingen, wurde zunächst das Fontänenbecken, das mit 1050 Betonplatten abgedeckt ist, ausgeräumt. „Zwischen den Platten und dem Beckenboden sind die Armaturen und die Düsen für die Fontänen“, erläutert Baumann. Dafür haben alle Platten passgenaue Öffnungen, „daher muss man sie danach wieder exakt so verlegen“. Also haben die Bauarbeiter die Platten nach dem Vorbild der Mannheimer Quadrate mit Buchstaben und Zahlen nummeriert und zudem farblich gekennzeichnet, ehe sie per Kran aus dem Becken gehoben und auf einer Wiese aufeinandergestapelt wurden.
Danach haben die Arbeiter die Granitsteinfassungen des Fontänenbeckens ebenso wie die Sandsteinblöcke rings um das Kaskadenbecken demontiert – eine Beckenfläche von insgesamt 3810 Quadratmetern. „Alles wird Stück für Stück saniert, wobei das Hauptaugenmerk den Fugen gilt“, erklärt der Projektleiter. Dabei arbeiten die Restauratoren mit Spachtel und Spritze. Verwendet wird zweierlei Mörtelschichten: „Dazu haben wir mit der Denkmalpflege ein einzigartiges Konzept entwickelt“, so Baumann: „Die untere Schicht muss abdichten, die obere denkmalpflegerischen Ansprüchen genügen.“
Arbeiten sind bisher im Zeitplan
Diese besonderen Arbeiten vertragen weder Feuchtigkeit noch Kälte, daher stehen über den Abschnitten, die gerade saniert werden, beheizte Zelte. Auch der Sandstein selbst sei ja starken Umwelteinflüssen ausgesetzt gewesen und müsse daher restauriert und imprägniert werden. Ein zweites Zelt umgibt den Atlantenbrunnen, errichtet 1914 als Sockel für ein nie realisiertes Denkmal für Großherzog Friedrich I. von Baden und zuletzt 2003 restauriert durch den Verein Stadtbild. Auch hier werden alle Steine gesäubert und ausgebessert, die Fugen abgedichtet.
Dabei sei der bisher milde Winter hilfreich gewesen. „Wir liegen im Zeitplan, da wir von Frost verschont geblieben sind“, versichert Baumann – und auch das Budget werde eingehalten. 5,305 Millionen Euro beträgt es, wobei die Stadt mit Zuschüssen aus den Denkmal-Fördertöpfen von Bund und Land von 1,35 Millionen Euro rechnet. Bis Herbst sollen die meisten Arbeiten abgeschlossen sein. In diesem Jahr gibt es daher keine Wasserspiele – damit bis 2023, zur Bundesgartenschau, alles fertig ist.
Die ebenso anstehende Sanierung des Wasserturms selbst soll erst nach 2023 angegangen werden. „Da sind wir weiterhin in der Planung“, so der Projektleiter. Wetter, Schadstoffbelastung sowie Graffiti und Schmierereien machen dem Sandstein nämlich schwer zu schaffen.
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