Klima

Die große CO2-Bilanz - wer in Mannheim wie viel ausstößt

Die Stadt Mannheim hat ihr Klimaziel 2020 erreicht. Ein wesentlicher Grund dafür sind Sondereffekte. Das zeigt die Analyse der aktuellsten vorliegenden CO2-Bilanz für die Stadt - ebenso wie ihr größtes Problem

Von 
Martin Geiger
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Mannheim. Alle reden übers Klima und viele über die Bemühungen der Stadt Mannheim, bis 2030 klimaneutral zu werden. Aber wo steht die Kommune eigentlich heute? Wer stößt wie viel Treibhausgas aus? Das zeigt die CO2-Bilanz für Mannheim, die das Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung (ifeu) im Auftrag der Stadt für das Jahr 2020 erstellt hat. Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick.

Wie viele Treibhausgase sind 2020 in Mannheim ausgestoßen worden?

Insgesamt waren es 2,561 Millionen Tonnen CO2 oder andere Treibhausgase, die entsprechend in CO2-Einheiten, sogenannte Äquivalente, umgerechnet worden sind. Ganz exakt kann dieser Wert natürlich nicht sein, weil er nicht genau gemessen werden kann, sondern auf Grundlage der vorhandenen Daten näherungsweise berechnet wird.

Wer ist der größte CO2-Verursacher in der Stadt?

Nahezu die Hälfte der Treibhausgase, nämlich 46 Prozent, werden von der Industrie ausgestoßen. Mehr als die Hälfte davon entsteht durch den Stromverbrauch der Unternehmen. Rund ein Viertel der Industrie-Emissionen ist durch den Einsatz von Erdgas bedingt. Den Rest verursachen Fernwärme, Heizöl und Sonstiges.

Wer hat den zweitgrößten Ausstoß?

Im Jahr 2020 waren es mit 24 Prozent an der Gesamtmenge die privaten Haushalte. Die Fernwärme bildete hier mit gut einem Drittel den größten Block, gefolgt vom Strom- und Erdgas-Verbrauch. Das Heizöl spielt in der Stadt eine relativ kleine Rolle.

Wer folgt auf dem dritten Platz in dieser Rangliste?

Der Verkehr mit einem Anteil von 23 Prozent im Jahr 2020. Dafür sind, mehr oder weniger, alleine die Kraftstoffe für die Verbrenner-Motoren verantwortlich. Nur ein kleiner Teil wird durch den Strombedarf in diesem Bereich verursacht. Rund zwei Drittel der Emissionen entstehen durch den „normalen“ Autoverkehr. Ein weiteres Drittel kommt durch den Wirtschaftsverkehr hinzu.

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Was fehlt jetzt noch in der Gesamtbilanz?

Vier Prozent des Treibhausgases in der Stadt entstehen im Gewerbe, Handel und bei Dienstleistungen – wobei die Abgrenzung in der Bilanz an dieser Stelle etwas schwammig wird. Denn alle Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten werden den Angaben der Stadtverwaltung zufolge der Systematik entsprechend automatisch dem Sektor Industrie zugerechnet – selbst wenn es sich beispielsweise um ein großes Handelsunternehmen handelt.

Wie ist der ökologische Fuß-abdruck der Stadtverwaltung?

In der Bilanz wird die kommunale Verwaltung zusammen mit den Eigenbetrieben und den anderen städtischen Gesellschaften, beispielsweise der GBG, zusammengefasst – wobei jedoch vermietete Wohnungen oder Seniorenheime hier nicht miteingerechnet werden. So ergibt sich ein CO2-Anteil von drei Prozent für den „Konzern Mannheim“. Der größte Einzelverbraucher ist dabei die Uniklinik. Schulen und Kitas tragen rund ein Fünftel zu diesem Ausstoß bei.

Wie ist die gesamte Entwicklung seit 1990?

Hier lohnt sich ein Blick auf zwei unterschiedliche Werte. Denn der Treibhausgas-Ausstoß ist zwar stetig gesunken: etwa bis 1995 um 5 Prozent, 2005 um 17 Prozent, 2014 um 22 Prozent und 2020 sogar um 40,9 Prozent. Gleichzeitig hat sich der Gesamt-Energieverbrauch in der Stadt bis 2018 jedoch quasi nicht verändert. Nur im Jahr 2020 sank er im Vergleich zu 1990 um 11 Prozent. Doch die Werte von 2020 sind mit Vorsicht zu genießen – denn dabei handelt es sich um einen Ausnahmefall.

Warum stellt das Jahr 2020 einen Ausnahmefall dar?

Weil hier die Auswirkungen der Corona-Pandemie die Werte verzerren. Wir alle erinnern uns: Die Einschränkungen waren massiv, Schulen und Kitas zeitweise geschlossen, Restaurants und Läden ebenso, die meisten im Homeoffice, viel weniger Autos auf der Straße, kaum ein Flugzeug in der Luft. Das alles schlägt sich auch in der CO2-Bilanz nieder, weshalb die ifeu-Forscher raten, sich an den Vor-Pandemie-Werten zu orientieren – und 2018 lag der CO2-Ausstoß von Mannheim beispielsweise bei 3,133 Millionen Tonnen, was im Vergleich zu 1990 einem Rückgang um 28 Prozent entspricht.

Wo liegt Mannheim damit im bundesweiten Vergleich?

Relativ weit oben oder hinten, je nachdem, wie man es sehen will. Aufgrund des hohen Industrieanteils ist auch der Treibhausgas-Ausstoß relativ hoch. Das zeigt sich beim Pro-Kopf-Vergleich einiger zufällig ausgewählter Städte. Auch wenn das aufgrund der unterschiedlichen Zeitpunkte und teils verschiedener Systematiken nicht immer ganz einfach ist, wird klar: Mannheims Werte sind im Vergleich zu anders strukturierten Städten wie beispielsweise Freiburg oder Heidelberg relativ hoch. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass Frankfurt aufgrund des Flughafens mit 10,7 Tonnen pro Kopf im Jahr 2017 ein ähnliches Niveau erreicht.

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Welche Rolle spielt eigentlich das Grosskraftwerk Mannheim (GKM) bei dieser Berechnung?

Eine zumindest nicht dominierende: Denn Deutschlands größtes Steinkohlekraftwerk steht zwar in Neckarau. Aber seine Emissionen von jährlichen ungefähr zwischen 5 und 7 Millionen Tonnen CO2 werden in der Systematik der Wissenschaftler nicht komplett Mannheim angerechnet. Stattdessen wird in der ifeu-Bilanz der bundesdeutsche Strommix herangezogen und mit dem Energieverbrauch in Mannheim verrechnet. Im Ergebnis bedeutet das also, dass die GKM-Emissionen praktisch auf ganz Deutschland umgelegt werden. Bei der Fernwärme wiederum fließt nur der Anteil ein, der auch in Mannheim verbraucht wird.

Was bedeutet das alles für das Ziel der Klimaneutralität bis 2030?

Um als klimaneutral zu gelten, muss die Stadt ihren CO2-Ausstoß im Vergleich zu 1990 um mindestens 80 Prozent reduzieren. Dem sogenannten Greenhouse Gas Protocol zufolge dürfen bis zu 20 Prozent der Emissionen durch klimapositive Maßnahmen – beispielsweise Wiederaufforstungsprojekte – ausgeglichen werden. Umgerechnet bedeutet das also, dass Mannheim 2030 maximal knapp 0,9 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen darf. Gegenüber dem Jahr 2018 müssen also noch mehr als 2 Millionen Tonnen eingespart werden.

Und wie geht es nun mit der Klimabilanz weiter?

Um einen besseren Überblick über ihre Klimaschutzbemühungen zu haben, will die Stadt künftig jedes Jahr anstatt wie bislang alle zwei Jahre eine CO2-Bilanz erstellen lassen. Da die Berechnung jedoch relativ kompliziert ist, dauert dies seine Zeit. So soll die Bilanz für das Jahr 2021 erst gegen Ende dieses Jahres vorliegen. Gleichzeitig will die Stadt im Internet eine Möglichkeit schaffen, damit alle Interessierten verfolgen können, wie sie bei der Umsetzung ihres Klimaschutzaktionsplans vorankommt. Dieses sogenannte Monitoring-System soll im Laufe des Sommers eingeführt werden.

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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