Mannheim. Mitarbeiter aus unterschiedlichen Bereichen des Grosskraftwerks Mannheim (GKM) haben sich im vergangenen Sommer und Herbst in insgesamt drei Briefen an die Unternehmensführung gewandt. Darin beklagen sie massive Personalengpässe. Der Betriebsrat bestätigt den Eingang der Schreiben, die nun auch dem „MM“ vorliegen.
Was bemängeln die vier Schichtleiter?
Die Lage im GKM gebe „Anlass zur Besorgnis“, schreiben sie. Aufgrund des Personalengpasses sei es „mittlerweile kaum mehr möglich, die geforderten Mindestbesetzungen in den einzelnen Bereichen zu gewährleisten“. Das dadurch für den Einzelnen erhöhte Arbeitsaufkommen „gefährdet die Arbeitsqualität sowie die Arbeitssicherheit“. Weiter heißt es: „Bei Unterdeckung werden Rundgänge und Kontrollen nur noch eingeschränkt durchgeführt, was die Verfügbarkeit der Anlagen und die Sicherheit des Betriebes gefährden kann.“
Was kritisieren die neun Meister aller Instandhaltungsgewerke?
Auch sie bemängeln eine „sehr angespannte personelle Situation“. Diese verursache „massive Probleme“. Ihr Fazit: „Die an uns gestellten Anforderungen und Aufgaben können wir, unter diesen Gegebenheiten, nicht mehr ordnungsgemäß durchführen. Auch die Arbeitssicherheit sehen wir dadurch gefährdet.“ Sie wünschen sich, „dass unser ,Hilferuf’ bei Ihnen Gehör findet“.
Was beschäftigt die Mitarbeiter der E-Warte?
Diese bilden eine Art Schnittstelle zwischen dem Werk und seinen Kunden. In ihrem offenen Brief kritisieren praktisch alle der etwa ein Dutzend Beschäftigten „die untragbaren Zustände bei personeller Unterbesetzung“. Ihren Angaben nach müssen zwei der drei Arbeitsplätze der E-Warte zwingend belegt sein.
Aus dem Schreiben von Juli geht jedoch hervor, dass offenbar zumindest phasenweise nur eine Fachkraft im Einsatz war. „Dieser Betriebszustand ist als fahrlässig bis hin zu grob fahrlässig einzustufen“, heißt es. Er mache „zwingend eine Gefährdungsanzeige“ erforderlich. „Sollte zu dieser Fahrweise mit Unterbesetzung der E-Warte auch noch der einzige diensthabende Kollege ausfallen“, so der Brief, „wäre das GKM intern/extern handlungsunfähig und dies kann zu fatalen Auswirkungen (Blackout) der Stromversorgung und Fernwärmeversorgung der Stadt Mannheim führen.“
Wie schätzt der Betriebsrat die Situation ein?
„Die Briefe spiegeln die angespannte personelle Situation im GKM wider“, teilt Vorsitzender Ümit Lehimci mit. „Vor allem die nicht vorhandene Vorausplanung“ schlage sich hier nieder. „Wir haben im Betrieb geltende Regelungen, würden diese Regelungen eingehalten werden, wären wir nicht in der aktuellen Situation beziehungsweise könnten mittelfristig Abhilfe schaffen.“
Was sagt die Gewerkschaft Verdi dazu?
Gewerkschaftssekretär Angelo Bonelli spricht von einem „untragbaren Zustand“. Verantwortlich dafür ist aus seiner Sicht der GKM-Vorstand. Dieser halte sich nicht an eine Betriebsvereinbarung zur Personalbedarfsplanung. Zudem verweigere er sich einer Klärung der Gültigkeit unterschiedlicher Tarifverträge, die in den vergangenen Jahren abgeschlossen worden sind. So sei es „zu einem absoluten Stillstand“ gekommen. Gemessen an einem einst vereinbarten Tarifvertrag seien aktuell im GKM rund 70 Stellen unbesetzt. Die Ursache für den Personalengpass, der durch außergewöhnlich viele Kündigungen verschärft werde, liegt für Bonelli in einem „Mix aus den Versäumnissen des Vorstands in den letzten Jahren und der niedrigen Attraktivität des GKM aufgrund des Kohleausstiegs“.
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Was sagt der GKM-Vorstand dazu?
Inhaltlich äußert er sich zu den Mitarbeiter-Briefen bislang nicht. Eine am Montag gestellte Anfrage beantwortete er bis Donnerstagnachmittag nicht. Dazu sei man zeitlich nicht in der Lage. Für die kommende Woche kündigt Holger Becker, der Kaufmännische Vorstand, eine Stellungnahme an. Die Kritik der Gewerkschaft weist er jedoch „mit aller Entschiedenheit“ zurück. Richtig sei, „dass im Zusammenhang mit dem Tarifvertrag zum sozialverträglichen Kohleausstieg in Baden-Württemberg im September 2021 Absprachen zur Neuausrichtung des GKM getroffen wurden, die eine Anpassung des Tarifvertrages zur Beschäftigungssicherung aus dem Jahr 2016 und der damit zusammenhängenden Betriebsvereinbarung Personalbedarfsplanung betreffen. Diese Gespräche waren bis heute – trotz vielfacher Gesprächsangebote unsererseits – nicht erfolgreich.“ Der Vorstand stehe jedoch weiterhin für Gespräche zur Verfügung. Zudem habe das GKM in den vergangenen neun Monaten 20 Externe eingestellt.
Was ist der Hintergrund der ganzen Situation?
Aufgrund des Kohleausstiegs muss das GKM, Deutschlands größtes Steinkohlekraftwerk, spätestens 2033/34 den Betrieb einstellen – möglicherweise sogar schon 2030. So sinkt die Zahl der Mitarbeiter: Nach Angaben des Betriebsrats von einst 1400 auf aktuell rund 480. Über Ersatzinvestitionen am Standort, die Arbeitsplätze in einem relevanten Ausmaß erhalten würden, ist bislang noch nicht entschieden worden.
Wem gehört das Grosskraftwerk Mannheim eigentlich?
Den drei Energieunternehmen RWE (40 Prozent), EnBW (32) und MVV (28). Die beiden Letzteren gehören mehrheitlich der öffentlichen Hand.
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