Mannheim. Für Trauer bleibt im Polizeipräsidium Mannheim am Montag eigentlich kaum Zeit. Einen Tag, nachdem der 29 Jahre alte Polizist Rouven L. seinen Verletzungen erlegen ist, die ihm der Attentäter vom Marktplatz am Freitag zugefügt hat, geht der Alltag weiter - und fordert auch den Einsatz der Polizei.
„Wir müssen weiterhin für den Bürger da sein und werden das auch heute sein“, erklärt ein Sprecher des Präsidiums am Vormittag dieser Redaktion. Dennoch: Die Stimmung im Präsidium sei „natürlich extrem bedrückt. Das lässt sich nicht verschweigen.“
Rouven war ein besonderer Mensch - ruhig und bedacht im Handeln und immer mit einem freundlichen, offenen Lächeln gegenüber jeder und jedem. Wir werden ihn nie vergessen!
Wie lange der Polizeihauptkommissar bereits für das Polizeipräsidium Mannheim gearbeitet hat, dazu will das Präsidium am Montag aus Rücksicht auf den getöteten Kollegen nichts sagen. Dagegen kursieren in sozialen Medien bereits Foto und Klarname des 29-Jährigen.
Das Präsidium drückt seine tiefe Betroffenheit und sein Beileid für die Hinterbliebenen in einer kurzen Pressemitteilung aus und schreibt darin über Rouven L.: „Er war ein besonderer Mensch - ruhig und bedacht im Handeln und immer mit einem freundlichen, offenen Lächeln gegenüber jeder und jedem. Wir werden ihn nie vergessen!“
Rouven L. war einer von rund 40 Beamten und Beamtinnen, die dem Einsatzzug Mannheim angehörten. Der Polizist, der noch mit Schüssen versucht hat, das Leben seines Kollegen zu retten, sowie alle Kolleginnen und Kollegen, die am vergangenen Freitag an dem Vorfall beteiligt waren, werden laut Präsidium derzeit von der hauseigenen Polizeipsychologin betreut. Nach Informationen dieser Redaktion verrichten sie außerdem keinen Dienst.
„Es ist nicht der Zeitpunkt für Forderungen“
Auch unter Rouven L.s direkten Kolleginnen und Kollegen herrscht allumfassende Betroffenheit. Auf Anfrage erklärt etwa der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Mannheim, Thomas Mohr: „Mit großer Trauer und tiefem Bedauern sind wir sprachlos über den Tod unseres geschätzten Kollegen. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie, seinen Freunden und allen Kolleginnen und Kollegen. Die Zeit des Trauerns steht für uns im Vordergrund. Es ist nicht der Zeitpunkt für gewerkschaftspolitische Forderungen.“
Auch bei der Deutschen Polizeigewerkschaft im Deutschen Beamtenbund herrschen große Trauer und Anteilnahme. Unzählige Anrufe von Polizisten, aber auch von Bürgern aus ganz Deutschland gehen beim Mannheimer Kreisverband der Deutschen Polizeigewerkschaft ein. Alle Anrufer wollen ihre Trauer zum Ausdruck bringen und für den getöteten Polizisten spenden. So berichtet es der Kreisvorsitzende Frank Raisig, der den getöteten Polizisten ebenfalls gekannt hat. „Rouven wurde am Freitag auf tragische Weise aus unserer Mitte gerissen.“ Seine Kollegen hatten bis zum Schluss auf ein Wunder gehofft.
Rouven L.s gewaltsamer Tod treffe zutiefst und hinterlasse eine Lücke, die nicht zu füllen sei, sagt Raisig. Diese Gefühle von Trauer und Wut würden sicherlich noch lange anhalten, „und wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren“. In diesen schweren Zeiten gelte tiefstes Mitgefühl der Familie und den Angehörigen. „Ich wünsche mir, dass die ganze schreckliche Tiefe des Vorfalls auch an anderer Stelle seine Wirkung entfaltet und künftiges politisches und gesellschaftliches Denken und Handeln nachhaltig beeinflusst, so dass Rouvens Tod vielleicht nicht völlig sinnlos war“, sagt Raisig.
Auch verletzter Rechtspopulist Stürzenberger meldet sich
Die Mannheimer Einsatzkräfte aber müssen sich bereits wieder für die Kundgebungen und Gegendemos wappnen, die für die kommenden Tage auch am Marktplatz angemeldet sind. Hilfe ist angefordert und kommt von Spezialkräften und Einheiten der Landespolizei und vom Polizeipräsidium Einsatz in Göppingen, die auch bei anderen Großlagen unterstützen. Für kommenden Freitag, genau eine Woche nach dem Attentat, ist eine Schweigeminute geplant: Um 11.34 Uhr - zum Zeitpunkt des Angriffs - will das gesamte Kollegium des Polizeipräsidiums Mannheim sowie der Polizeipräsidien landesweit während des Dienstes innehalten. Bereits am Montag sind am Präsidium und an Streifenwagen Trauerflore zu sehen.
Nach dem Attentat hat sich am Montag indes auch Michael Stürzenberger von der „Bürgerbewegung Pax Europa“ (BPE) in einem Video auf dem Nachrichtendienst Telegram aus dem Krankenhaus gemeldet. Stürzenberger war für die Veranstaltung der islamkritischen Gruppe nach Mannheim gereist und sollte dort als Redner auftreten. Der Attentäter hat auch ihn verletzt.
„Ich freue mich, dass alle Verletzten der BPE, von denen wir Kunde bekommen haben, außer Gefahr sind“, sagt Stürzenberger im Video. Er ist überzeugt davon, dass der Angriff gezielt war. Außerdem werde versucht, Hass gegen die BPE zu schüren, „um solche Leute aufzuwiegeln, die dann plötzlich zu solchen apokalyptischen Attentaten“ bereit seien.
Der Angriff habe nun „alles verändert“, sagte der 59-Jährige. „In Mannheim ticken die Uhren anders. Das hat uns alle schwer getroffen.“ Gleichzeitig erklärte Stürzenberger, trotz des Angriffs die Arbeit der rechtspopulistischen und islamkritischen Bewegung fortsetzen zu wollen. „Wir müssen uns überlegen, wie das nun alles in Zukunft ablaufen kann - weil Freitag, Mannheim, hat wirklich alles verändert.“
Der bayerische Verfassungsschutz schrieb in seinem Bericht für das Jahr 2022 über Stürzenberger und den bayerischen Landesverband der BPE, es lägen „tatsächliche Anhaltspunkte“ dafür vor, dass diese „verfassungsschutzrelevante islamfeindliche Bestrebungen“ verfolgten, „die auf eine Abschaffung der Religionsfreiheit für Muslime gerichtet sind“. Im jüngsten Bericht für das Jahr 2023 tauchen Stürzenberger und die BPE nicht mehr auf. Das liegt nach Angaben des Landesamts aber nur daran, dass diese weniger aktiv seien. Sowohl Stürzenberger als auch der BPE Landesverband Bayern würden weiter beobachtet.
Petition fordert Umbenennung des Marktplatzes
Bereits am Sonntagabend und auch am Montag haben zahlreiche Parteien, Politikerinnen und Politiker, Verbände sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gesellschaft ihre Anteilnahme und Trauer um Rouven L. ausgedrückt, darunter Heidelbergs Oberbürgermeister Eckart Würzner. Die Bekundungen deckten das politische Spektrum ab.
Indes fordert eine Petition, den Marktplatz nach Rouven L. zu benennen. „In Zeiten von Attacken auf Politikerinnen und Politiker, nur kurz nach dem Angriff auf Matthias Ecke (SPD) in Sachsen und fünf Jahre nach dem Mord an Walter Lübcke dürfen wir uns an eine solch rohe Gewalt nicht gewöhnen“, heißt es.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Ein fürchterliches Wochenende in Mannheim