Mental Health

Depression, während alles blüht: neue Selbsthilfeangebote in Mannheim

Die Sonne kommt raus, blendendes Wetter. Doch wer depressiv ist, bleibt oft in der dunklen Kammer. Junge Erwachsene sind besonders betroffen. Doch Mannheims Selbsthilfeszene reagiert mit neuen hilfreichen Angeboten

Von 
Lea Seethaler
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Fenster auf, aber keine Sonne im Gemüt: Um die seelische Gesundheit von Deutschlands jungen Erwachsenen ist es schlecht bestellt. © DPA

Mannheim. Wenn sich dunkle Kammern bei schönem Wetter manchmal besser anfühlen, als draußen die Sonne zu genießen. Oder sich der Gang zum Einkaufen anfühlt wie eine Wanderung auf den Mount Everest: Junge Menschen, die etwa Depressionen haben, kennen das. In Mannheim haben sich zuletzt auffallend viele Selbsthilfegruppen für genau diese junge Zielgruppe gegründet.

Das verwundert nicht. Der neue AXA Mental Health Report etwa zeigte zuletzt: Unter 18- bis 24-Jährigen sagen 41 Prozent, sie seien aktuell psychisch erkrankt. Immer mehr Menschen lassen ihre mentale Erkrankung überhaupt nicht behandeln (24 Prozent) oder versuchen, diese selbst zu behandeln (24 Prozent), so die Umfrage weiter.

Schon ein Umzug kann die Krankheit Depression mitauslösen

Das ist fatal, denn schwerwiegende Erkrankungen wie Depression, Angststörung, Essstörung und Zwangsstörung bedürfen professioneller Hilfe. Und gerade stressreiche Lebensabschnitte von jungen Menschen wie etwa der Umzug in eine neue Stadt, der Berufseinstieg, das Studium oder neue zwischenmenschliche Beziehungen können eine Überforderung verursachen. Dadurch ist die Psyche verletzlicher, das Risiko einer psychischen Belastung steigt. Doch Selbsthilfe kann eine wichtige Säule sein. „Ein Austausch mit anderen schafft das Gefühl, nicht alleine zu sein“, so die Selbsthilfevereinigung. Alleine das „Verstandenwerden“ kann zur Stärkung der eigenen Kräfte führen.

Neue Gruppe „Handmade with Love“: Zurücktasten ins Leben

Eine der vielen neuen Mannheimer Selbsthilfegruppen ist etwa die für Menschen zwischen 25 und 40 Jahren mit Depressionen oder Stimmungs- oder Antriebsstörungen. Die Menschen können sich dort „austauschen und das Aktive, Lustige und Unbeschwerte in sich ans Tageslicht bringen“, teilt der Gesundheitstreffpunkt in der Alphornstraße mit. Ziel: sich gegenseitig ermutigen, positive Veränderungen im Leben anzustoßen und trotz der Krankheit eine gute Zeit miteinander verbringen. Zudem ist eine Gruppe für junge Erwachsene mit denselben Herausforderungen im Alter von 18 bis 27 Jahren beim Gesundheitstreffpunkt im Aufbau.

Kommentar Wie die fatale Unsichtbarkeit psychischer Krankheit Leid befeuert

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Wichtig ist aber, zu beachten, dass es sich nicht um ein therapeutisches oder psychologisches Angebot handelt. Eine Selbsthilfegruppe wird nicht durch eine Fachkraft angeleitet und ersetzt keine Therapie, betont die Selbsthilfevereinigung. Doch sicher ist auch angesichts mangelnder Therapieplätze die Gründung der neuen Selbsthilfen eine weitere Stütze für Menschen, die Hilfe suchen.

Oft fällt es Menschen mit Depression etwa schwer, sich selbst zu motivieren und an einem Projekt dran zu bleiben. In der Gruppe „Handmade with love“ besteht da zum Beispiel die Möglichkeit, gemeinsam in der Gruppe „das Dranbleiben zu üben und kleine Handarbeits- und Handwerksprojekte umzusetzen“, teilt der Gesundheitstreffpunkt mit. Auch möchten die Betroffenen sich darüber austauschen, wie Achtsamkeit im Alltag umgesetzt und einer Überforderung gegengesteuert werden kann.

Dienstagstreff: Von Beziehung über Zwangsstörung bis Studium

Bei den Gruppen hat sich auch der „Dienstagstreff“ etabliert. Er richtet sich an Menschen zwischen 18 und 35 Jahren . Es geht dort um genau die Schwerpunktthemen, die auch der AXA Mental Health Report als drängend einordnet: Einsamkeit, Depression, Zwangserkrankung, aber auch den Arbeitsalltag, die Beziehung oder das Studium.

Nur 42 Prozent der Deutschen sehen Zukunft optimistisch

  • Der neue AXA Mental Health Report zeigt: Frauen und junge Erwachsene in Deutschland sind besonders von psychischen Erkrankungenbetroffen. Die junge Generation verliert außerdem an Optimismus.
  • Besonders alarmierend: Immer mehr mental erkrankte Personen lassen ihre Erkrankung gar nicht behandeln oder behandeln sich selbst.
  • Mehr als vier von zehn (41 Prozent) der jungen Frauen unter 35 in Deutschland geben an, aktuell an Depressionen, Angststörungen, Essstörungen, Zwangsneurosen oder anderen psychischen Erkrankungen erkrankt zu sein. Nur eine Minderheit von 42 Prozent der Deutschen blickt insgesamt optimistisch in die Zukunft, geht aus dem Report hervor. Unter den 18- bis 24-Jährigen sind es sogar nur 39 Prozent.
  • 2023 haben noch rund die Hälfte (47 Prozent) der jungen Menschen in Deutschland positiv in die Zukunft geblickt und waren positiver gestimmt als der Bundesdurchschnitt.
  • Deutlich mehr als die Hälfte (63 Prozent) der 18- bis 24-Jährigen sagte bereits im Report 2023, dass soziale Medien und das „always on“ im Netz ihre emotionale Verfassung negativ beeinflussen. see

Alle Themen aus dem Bereich seelische Gesundheit dürfen hier offen angesprochen und besprochen werden, so die Gruppe. Es handelt sich hierbei um einen moderierten Austausch in Mannheim. Für den aktuellen Dienstagstreff sind acht feste Treffen geplant. Die Treffen finden jeden ersten und dritten Dienstag im Monat von 18 bis 19.30 Uhr in der Max-Joseph-Straße 1 im 4. OG statt. Start war 2. April, es ist aber möglich, zu späteren Treffen dazuzukommen, so die Verantwortlichen.

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Die Gruppe „ACT!“ wiederum wendet sich an Menschen mit ACT-Therapiemethode-Erfahrung. ACT ist Englisch für „Handeln“ und ACT ist die Abkürzung für eine bestimmte Form der Psychotherapie, der Akzeptanz- und Commitment-Therapie. Sie wendet sich laut Gesundheitstreffpunkt an Langzeit-Leidende, die bereits mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte mit psychischen Problemen kämpfen und „denen ACT endlich Erleichterung gebracht hat“. „Willkommen sind Menschen, die weiter „ACTig“ an ihren Herausforderungen arbeiten wollen, sei es nun Depression, Angst, Panik, Zwanghaftigkeit, Essstörung, Messietum, Borderline-Symptomatik, Suchtverhalten. Denn eine Hürde kommt hier leider selten allein“, heißt es. Die Gruppe findet vorwiegend virtuell statt, ein bis zwei Mal monatlich.

Bundesgesundheitsministerium: Selbsthilfe äußerst effektiv

Eine vom Bundesgesundheitsministerium geförderte, mehrjährige Studie, an der Personen aus allen Feldern der Selbsthilfe, Selbsthilfeunterstützung und des Gesundheitswesens beteiligt waren, belegte zuletzt die vielfältigen positiven Effekte der Selbsthilfe: Das Gefühl haben, nicht alleine zu sein, offen über die eigenen Probleme sprechen können, von den Erfahrungen anderer zu profitieren oder auch zu lernen - ließen so oft die Erkrankung besser bewältigen, heißt es.

Anmeldung zu den genannten Gruppen: Telefonisch unter 0621/339 1818 oder per E-Mail an gesundheitstreffpunkt-mannheim@t-online.de und unter www.gesundheitstreffpunkt-mannheim.de).

Hier gibt es Hilfsangebote - per Telefon und im Netz:

Wenn Sie selbst depressiv sind, wenn Sie Suizid-Gedanken plagen, dann kontaktieren Sie bitte die Telefonseelsorge im Internet oder über die kostenlose Hotlines 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222 oder 116 123. Die Deutsche Depressionshilfe ist in der Woche tagsüber unter 0800 / 33 44 533 zu erreichen.

Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion

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