Mannheim. Am Montag durfte keine pro-palästinensische Demonstration auf dem Mannheimer Marktplatz stattfinden. Der Verwaltungsgerichtshof hat die erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe bestätigt. Kurz vor 17 Uhr teilte eine Sprecherin dem „MM“ mit, dass die Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts „soeben zurückgewiesen“ wurde. Am Abend verbreitete die Gruppe Zaytouna Rhein-Neckar schließlich auf ihrem Telegram-Kanal, dass sie Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht habe. Die Entscheidung steht aus. Eine Ersatzkundgebung, die um 17 Uhr vor dem Hauptbahnhof hätte stattfinden sollen, hat die städtische Versammlungsbehörde zwar bestätigt – allerdings mit derselben Auflage wie für die ursprünglich geplante Kundgebung: nicht am 7. Oktober. Das bestätigte die Stadt dem „MM“.
Etwa drei Stunden zuvor hatte die Erste Kammer des Verwaltungsgerichts den Eilantrag einer palästinensischen Aktivistengruppe abgelehnt. Die Gruppe hatte sich an das Gericht gewandt, nachdem die Stadt Mannheim in einer Auflage von vergangener Woche Dienstag verfügt hatte, eine pro-palästinensische Demonstration nicht am 7. Oktober, sondern an einem anderen Tag durchzuführen. Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hatte die Gruppe Beschwerde eingelegt, über die der Verwaltungsgerichtshof entscheiden musste.
Das Verwaltungsgericht hatte geurteilt, dass die Demonstration am Montagabend nicht stattfinden dürfe, weil eine „hinreichende Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ bestünde, heißt es in der Mitteilung. Zwar weist das Gericht darauf hin, dass auch die Wahl des Zeitpunkts einer Versammlung vom Recht auf Versammlungsfreiheit gedeckt ist. Der 7. Oktober sei aber der Jahrestag eines „planvollen, von unterscheidungslosem Vernichtungswillen getragenen Massakers mit mehr als 1000 Toten, hundertfacher Geiselnahme sowie mehreren Tausend Verletzten“, führt das Gericht in einer mehrseitigen Begründung aus.
Fotos israelischer Geiseln auf dem Mannheimer Paradeplatz
Angemeldet hatte der Antragssteller die Versammlung bereits im August, Ende September fand das Kooperationsgespräch mit der Stadtverwaltung statt. Dem 7. Oktober komme als Jahrestag des Terrorangriffs der Hamas auf Israel ein „historisch eindeutiger Symbolgehalt“ zu, gibt das Verwaltungsgericht die Argumente der Stadtverwaltung für die Auflage wider. Demnach sei der Tag auch für viele Menschen in Mannheim ein bedeutsamer Gedenktag. Aus Sicht der Versammlungsbehörde, heißt es in der Mitteilung des Verwaltungsgerichts weiter, richte sich die angemeldete Demonstration gegen das Gedenken und entfalte eine „Provokationswirkung“. Es sei damit zu rechnen, dass der Terrorangriff in positives Licht gerückt werde.
Das Karlsruher Verwaltungsgericht folgt dem. „Die Äußerungen des Antragstellers gegenüber der Stadt Mannheim deuteten darauf hin, dass mit der Versammlung eine Rechtfertigung und Relativierung des Geschehens beabsichtigt sei.“ Laut der Mitteilung habe der Veranstalter in Gesprächen mit der Stadtverwaltung im Zusammenhang mit dem Massaker unter anderem erklärt, dass es „unklar“ sei, was am 7. Oktober 2023 geschehen sei, weil es dazu viele „Mythen und Geschichten“ gebe. Zudem sei die Versammlung unter dem Namen einer Organisation angemeldet worden, so das Gericht, die sich im Internet ausdrücklich mit der verbotenen Terrororganisation Hamas solidarisiert habe.
Davon nicht betroffen waren die Versammlungen der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG). An deren Infostand auf dem Paradeplatz gegen 15.30 Uhr mehrere Menschen. Vielleicht sind es 30, vielleicht 40. Die Diskussionen über die Situation in Nahost, die israelische Regierung, vor allem aber über die Folge des 7. Oktober 2023 verlaufen, so der Eindruck, zivilisiert, sachlich, aber in der Sache hart. Ob man immer zueinanderfindet? „Nein“, sagt Catherina Field von der DIG im Gespräch mit dieser Redaktion. Das sei aber auch nicht das primäre Ziel. „Mir reicht es oft schon, wenn nach einem Gespräch nicht mehr geleugnet wird, dass es den 7. Oktober überhaupt gegeben hat.“
Hin und wieder laufen aber auch Menschen vorbei, die schimpfen und die DIG-Mitglieder beschimpfen. Hinter dem Stand, auf der Grünanlage des Paradeplatzes, sind Bilder der Geiseln ins Gras gesteckt. Viele bleiben stehen, schauen sich die Porträts an. Man kommt auch darüber miteinander ins Gespräch. Bei der Kundgebung der DIG am frühen Abend sind schätzungsweise 250 bis 300 Menschen dabei.
„Unerträglich“: Mannheims Ex-OB Peter Kurz bezieht Stellung
Nur einige hundert Meter trennen den Paradeplatz vom Marktplatz, wo die pro-palästinensische Kundgebung hätte stattfinden sollen. Auch diese Nähe hätte in den Augen der Richterinnen und Richter „das sittliche Empfinden der Bevölkerung auf empfindliche Weise“ beeinträchtigt, heißt es. „Die Opfer eines gezielten Massakers an der Zivilbevölkerung würden dabei als bloße ,Begleitschäden’ eines an sich ,legitimen’ Kampfes dargestellt. Dies richte sich gerade gegen die Beispiellosigkeit des Geschehenen und berühre damit den Kern des Gedenkens an die Opfer“, heißt es weiter.
Auch Ex-Oberbürgermeister Peter Kurz äußert sich im Netzwerk LinkedIn. Dort bezeichnete er Demonstrationen für Palästina am 7. Oktober als „unerträglich“. Und weiter: „An diesem Jahrestag für Palästina zu demonstrieren, bedeutet, Menschen einzuladen, die Täter zu feiern und als Veranstalter auch genau so verstanden zu werden.“ Das schade nicht nur dem Zusammenleben, sondern verhindere auch echte Diskussionen über die Situation im Nahen Osten.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Nach einem Jahr Nahost-Krieg ist die Situation auch in Mannheim angespannt