Mannheim

Debatte in der Mannheimer Stadtbibliothek: Anonyme Attacken im Netz öffentlich anprangern

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Muhterem Aras, Landtagspräsidentin Baden Württemberg, sprach anlässlich des Tags des Grundgesetzes. © Michael Ruffler

Bei einem Wertekanon verhält es sich in etwa so wie mit einem Muskel, der verkümmert, wenn er nicht genutzt wird. Auch das Grundgesetz will von jeder Generation mit neuem Leben erfüllt werden. Diese Botschaft zieht sich als Appell durch die Reden in der Stadtbibliothek, wo der 73. Geburtstag unserer Verfassung gewürdigt und dabei die im Artikel 5 gewährte Meinungs- und Pressefreiheit diskutiert wird.

Sind soziale Medien „Fluch oder Segen für die Demokratie?“ titelt am Dienstag der „MM“ und berichtet über eine facettenreiche Debatte von Schülerinnen und Schülern mit Mannheimer Bundestagabgeordneten. Das brisante Thema steht auch abends bei der Veranstaltung des Deutsch-Türkischen Instituts für Arbeit und Bildung (DTI) im Mittelpunkt. Nach kurzen Einführungen von Bürgermeister Dirk Grunert und dem DTI-Vorstandsvorsitzenden Mustafa Baklan leuchten zwei Impulsreferate das hohe Gut der Meinungsfreiheit und deren Spannungsverhältnis aus.

„Wir müssen diejenigen, die mit Hass und Hetze das gesellschaftliche Klima vergiften, zur Verantwortung ziehen,“ sagt Karsten Kammholz, Chefredakteur des "Mannheimer Morgen". © Michael Ruffler

„Das Grundgesetz schützt den Bürger und nicht den Staat“ , schickt Landtagspräsidentin Muhterem Aras ihren Ausführungen voraus und betont: „Freiheit ist immer auch die Freiheit der anderen.“ Wie sehr sich Häme und Hetze in sozialen Medien Bahn gebrochen haben, schildert sie an vielerlei Beispielen - auch sehr persönlich. „Ich erhalte Hassbotschaften, die weniger mir als meinem Geschlecht und meiner Herkunft gelten“, berichtet die türkisch stämmige Politikerin, die dafür plädiert, Bedrohungen im Netz juristisch zu verfolgen. Es dürfe kein Unterschied gemacht werden, ob jemand leibhaftig oder digital angegriffen wird. Gerade weil Attacken in anonymer Dunkelheit erfolgen, müssten diese im Licht der Öffentlichkeit angeprangert werden.

Aus der Sicht einer Zeitungsredaktion erklärt Karsten Kammholz als Chefredakteur des „Mannheimer Morgen“, warum er findet, dass in der digitalen Welt „zu wenig Regeln“ herrschen. Und dies erläutert er ganz konkret an dem aktuellen Polizeieinsatz auf dem Marktplatz. Sein Credo: „Wir müssen diejenigen, die mit Hass und Hetze das gesellschaftliche Klima vergiften, zur Verantwortung ziehen.“ Dass Plattformen wie Facebook oder Youtube bereit sind, solcherart Nachrichten wie auch „Fake News“ ernsthaft und schnell zu unterbinden, daran glaube er nicht mehr.

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Was bedeuten Instagram, Tik Tok, Twitter und andere Soziale Netzwerke für unsere Demokratie? Auf diese Frage versuchen Jugendliche der Integrierten Gesamtschule Herzogenried und der Friedrich List Schule in einem Streitgespräch Antworten zu finden. Auch wenn die eine Gruppe Argumente für Gefahren vorbringen soll und die andere für Vorzüge, so offenbart sich: „Gut -und-Böse“-Kategorien bringen wenig - vielmehr geht es darum, zu erkennen, was die grandiose Möglichkeit, sich erdumspannend zu vernetzen und auszutauschen, warum wie gefährdet. Und solcherart Für und Wider kristallisieren die beiden jungen Teams klar heraus.

Franz Egle, ehemaliger Präsident der Hochschule der Wirtschaft für Management, der für den Mannheimer Tag des Grundgesetzes das Konzept entwickelt hat, würdigt den Auftritt der Schülerinnen und Schüler: „Ich hätte mich früher in Eurem Alter nicht getraut, so wie ihr meine Meinung vor Publikum zu vertreten.“

Wie schon nachmittags gibt es auch abends die Möglichkeit, mit Vertreterinnen der Politik ins Gespräch zu kommen. Und die treibt um, dass im Netz nur noch „Anreißer“ gelesen und weitergeleitet werden, aber kaum noch komplexe Themen transportiert werden können.

Beim abschließenden geselligen Zusammensein lädt Stadtbibliothek-Hausherr Yilmaz Holtz-Ersahin dazu ein, „eine Brücke der Sympathie“ zu schlagen und beispielsweise über Bildung zu sprechen. Wie unterschiedlich diese sein kann, symbolisieren vier Stühle, die junge Menschen mit Migrationshintergrund in der Justus-von-Liebig-Schule nach Kernbotschaften von Mannheimer Einrichtungen und Persönlichkeiten gestaltet haben -als echte Hingucker.

Freie Autorin

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