Mannheim. Soldaten, die Fasnachtsorden verleihen? Ja, auch das gab es in den 1970er und 1980er Jahren. Da ließ die „Mannheim Military Community“ solche Orden produzieren, um sich standesgemäß revanchieren zu können, wenn deutsche Karnevalsvereine die Kasernen besuchen. Jetzt sind sie wieder zu sehen – ab Samstag im „House of Maemories“ auf Franklin, wo die amerikanische Geschichte dokumentiert wird.
„Ein Heimatmuseum für den neuen Stadtteil“ nennt Harald Stockert, der Direktor des Marchivum, die neue Einrichtung. „Auch wenn der Begriff antiquiert wirkt“, wie er sagt, treffe er zu, denn schließlich handle es sich bei dem neuen Stadtteil um ein Gelände, das eine große Geschichte habe – als einst größte amerikanische Siedlung in Deutschland.
Deren frühere Vorschule, direkt neben der Sports Arena gelegen, ist nun zum Ausstellungs- und außerschulischen Lernort umgestaltet worden. „Wir wollen hier die amerikanische Geschichte in Mannheim an authentischem Ort erlebbar machen“, erklärt Stockert. Zugleich wolle man einen „Ort der Begegnung“ schaffen.
Vom Baseball über die Musikkultur bis zu Protesten vor Kasernen
Dazu hat die für die Konversion verantwortliche städtische Projektentwicklungsgesellschaft MWSP den Flachbau gekauft und teilweise zur Verfügung gestellt. Schon 2016 und 2018 gab es hier temporäre Ausstellungen zur amerikanischen Geschichte, damals noch unter dem Titel „Zeitstromhaus“ als Teil des Geschichts- und Naturprojekts, das sich entlang des gesamten neuen Grünzugs Nord-Ost erstrecken sollte, aber nie realisiert wurde.
Nun haben im Auftrag von MWSP und Marchivum, als dessen Außenstelle das Haus künftig geführt wird, die tecton GmbH Berlin zusammen mit Kuratorin Andrea Perthen die Dauerausstellung „MAEMORIES – Amerikanische Geschichte(n) in Mannheim“ realisiert.
Auf 260 Quadratmetern zeigt sie zahlreiche Fotografien, auch einzelne Filme, Dokumente und Objekte, darunter eine Galeriewand mit Fundstücken aus den früheren Kasernen, vom Baseball über dreckige Stiefel bis zum Treppenhandlauf einer früheren Wehrmachtskaserne, wo die Amerikaner nach dem Einzug das eingeritzte Hakenkreuz übermalt hatten.
Insgesamt mehr als 500 000 US-Soldaten in Mannheim stationiert
Vom Einmarsch der 7. US Army gegen Ende des Zweiten Weltkriegs im März 1945 bis zum 31. Mai 2011, als die Flagge der US Garnison Mannheim eingeholt wurde, und dem endgültigen Abzug 2015 prägten die Amerikaner immerhin 70 Jahre die Stadtgeschichte mit. Mehr als 500 000 Soldaten taten seither hier jeweils mehrere Jahre lang Dienst.
13 Standorte mit mehr als 2000 Kasernengebäuden, Lagerhallen und Wohnhäuser hatten die Amerikaner im Stadtgebiet, „mit eigenem Rechtsrahmen, eigenen Regeln, eigener Lebenswelt“, so der Marchivum-Direktor.
Doch es sei „nicht nur eine Militärpräsenz“ gewesen, sondern „die Soldaten waren Teil der Stadt und auch des zivilen Lebens“, verweist Stockert auf den Einfluss im Bereich des Sports, wie bei American Football und Baseball, die Auswirkungen auf die Musikkultur wie durch den berühmten „Top Hat Club“ und andere amerikanische Clubs oder die Deutsch-Amerikanischen Volksfeste.
Bedeutung der US-Amerikaner für Mannheim und die Entwicklung der Demokratie
Erläutert wird ebenso die Bedeutung der Amerikaner für die Entwicklung der Demokratie in der Nachkriegszeit. „Aber es geht nicht nur darum, wie das Mannheimer Leben bereichert wurde“, so Stockert, sondern auch Konflikte mit und Proteste gegen die Militärs sind Teil der Ausstellung, etwa wegen der Nutzung des Käfertaler Walds oder im Zuge der Debatte um die Nachrüstung der Nato in den 1980er Jahren.
Zeitzeugen und Deutsch-Amerikanische Freundschaftsvereine sind laut Stockert bei der Erarbeitung der Ausstellung „eng einbezogen“ worden. Und den Bogen zur Konversion, also der neuen Nutzung der Kasernenflächen, schlägt ein interaktiv belebtes Modell von Franklin.
Finanziert wurde die Ausstellung durch die MWSP, die 100 000 Euro bereitstellt. Die Baden-Württemberg-Stiftung gibt 60 000 Euro, „weil es außerschulischer Lernort wird“, so der Marchivum-Chef. Miet- oder Nebenkosten berechnet die MWSP zwar nicht, aber für Aufsichtspersonal, Reinigung, die Organisation und Durchführung von Führungen und Vermittlungsangeboten fallen pro Jahr beim Marchivum 48 000 Euro an, für dieses Jahr noch 24 000 Euro.
Die hat das Kulturdezernat jetzt als überplanmäßige Mittel zur Verfügung gestellt. Für die kommenden Jahre muss dazu dann der Etat des Marchivum vom Gemeinderat aufgestockt werden.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar US-Geschichte in Mannheim: Warum eine Ausstellung nicht reicht