Mannheim. Plötzlich ist alles anders im Rathaus. Die Pförtner rufen, freundlich und gut gelaunt, „Ahoi!“ Und der Oberbürgermeister begrüßt nicht nur formell die vielen Fasnachter, die traditionell am „Schmutzigen Donnerstag“ das Gebäude in E 5 stürmen, sondern er stürzt sich spürbar mit viel Spaß ins Getümmel und hält eine richtige Büttenrede. Damit sind die „tollen Tage“, bei denen die Narren raus aus den Sälen gehen und nun auf der Straße feiern, eröffnet.
„Prinzessinnenempfang“ heißt der Termin offiziell bei der Stadt, weil zur „Weiberfasnacht“, wie der Tag ja traditionell auch genannt wird, die Lieblichkeiten besonders im Mittelpunkt stehen. Auch eine Abordnung aus Ludwigshafen ist dabei, angeführt von Christoph Heller, Präsident vom Großen Rat. Dem leistet Jeanette Bohrmann aus dem Büro von OB Specht dann sogar Amtshilfe bei der Ordensverleihung an Rainer Holzhauser, Ehrenmitglied des Präsidiums der Vereinigung Badisch-Pfälzischer Karnevalvereine. Richtig bürgerfreundlich!
Dann kommt Christian Specht. „Erstmals darf ich nicht nur dabeistehen“, sagt er erfreut. Als Erster Bürgermeister war er oft dabei, jetzt aber ist er Oberbürgermeister. Daher übergibt er den Stadtschlüssel nicht einfach so an das Stadtprinzenpaar sowie vier Lieblichkeiten der Vorortvereine „Spargelstecher“ Käfertal, „Stichler“ Sandhofen, „Zabbe“ Seckenheim und des Carnevals Clubs Waldhof (CCW). Er dankt des Fasnachtern für ihre ehrenamtliches und auch ihr soziales Engagement, besonders dem Stadtprinzenpaar für seine Spendenaktion für krebskranke Kinder. Solch anerkennenden Worte gab es bei dem Empfang auch schon früher. Eine ganze Büttenrede hielt, zumindest bei diesem Termin, indes keiner der beiden direkten Specht-Vorgänger.
Schunkelrunde mit Bloomaul
Specht stellt elf „zukunftsweisende Thesen zur Fortentwicklung der Mannheimer Fasnacht“ auf. Ob sie in einer Geschäftsanweisung münden werden, will er vom Gemeinderat „unter dem Schutz der Narrenfreiheit“ und vom Narrengericht unter Vorsitz von Stadtrat, Jurist und Ex-Prinz Alexander Fleck prüfen lassen, wie er augenzwinkernd sagt. Viele der Thesen sind mit viel hintergründigem Humor, Insiderwissen über Kommunalpolitik und Seitenhieben auf Fasnachter gespickt.
So will Specht den Mannheimer Fasnachtszug künftig elf Mal um den Wasserturm schicken. Dann wüssten auch die Mannheimer Fasnachter die – dieses Jahr sehr verkürzte – Zugstreck in Ludwigshafen zu schätzen. Thomas Dörner, den Präsidenten der Karnevalskommission, möchte der Oberbürgermeister zum Chef einer städtischen Gesellschaft zur Aufzucht von Eseln machen – dann profitieren die Wagen des Fasnachtszugs von der günstigeren Besteuerung von Agrardiesel.
Das Museumsschiff soll zum Narrenschiff umgebaut, der Rheinauer Verein „Sandhase“ unter Naturschutz gestellt und das „Pilwe“-Ruhekissen zur Grundausstattung der Stadtverwaltung gemacht werden. Und dann wäre da noch die SAP Arena, die Specht der Wallstadter „Gowe“ anvertrauen will – weil die in ihrem Vorort auf den Bau eines Kultur- und Sportzentrums drängt. Und falls der CCW sich weiter nicht in die Reihen der Vereine einreihen wolle, die abwechselnd eine Stadtprinzessin stellen, „muss er zur Strafe jährlich die neue SPD-Bundesvorsitzende stellen“, ordnet Specht voller Ironie an.
Fasnachtsmarkt am Wasserturm eröffnet
Bei den Fasnachtern kommt das prima an. Das Stadtprinzenpaar kennt Specht ja, schon, er war sowohl bei der Inthronisation von Stadtprinzessin Larissa I. als auch bei Prinz Jochen I. dabei. „Eine große Ehre“, wie Larissa I. dankt. „Hier fühle ich mich pudelwohl“, sagt sie und startet mit den Prinzessinnen der Vorortvereine und Specht eine Schunkelrunde zur Musik von Bloomaul Joachim Schäfer. Dazu gibt es, erstmals im Rathaus, die lokale Sektmarke „Mannem Vorne“, die Stadtprinz Jochen I. ja kreiert hat und vertreibt. Er hofft, dass die auch künftig dort ausgeschenkt wird.
Dann stimmt Joachim Schäfer aber „Auf, Ihr Brüder die Pfalz“ an. So weit müssen die Fasnachter indes gar nicht, nur zum Wasserturm. Im Schatten des 38 Meter hohen Riesenrads wird da der Fasnachtsmarkt eröffnet. „Mein Kleiner sagt schon seit fünf Tagen, er will jetzt täglich Riesenrad fahren“, erzählt Erste Bürgermeisterin Diana Pretzell da über ihren im Sommer 2021 geborenen Sohn: „Der Ausblick von da oben ist gewaltig!“, schwärmt sie. Aber erst schlägt sie gewaltig zu: Nur zwei Schläge braucht Pretzell, und schon sind das Fass Freibier und damit der Fasnachtsmarkt offiziell eröffnet. Auch dazu spielt Joachim Schäfer „besondere Urgesteinmusik“, wie es Diana Pretzell ausdrückt, ehe es auch hier mit dem Stadtprinzenpaar eine fröhliche Schunkelrunde gibt.
„Jetzt kommen die sechs tollen Tage, jetzt geht es richtig los“, sagt Pretzell und weist auf die etwa 60 Fahrgeschäfte und Buden hin, die am Paradeplatz, entlang der Planken und rund um den Wasserturm stehen. Dafür dankt sie den Schaustellern ebenso wie Christine Igel und Patrick Müller von der städtischen Tochtergesellschaft Event & Promotion, die das alles organisieren. Am Samstag gibt es ab 11.33 Uhr einen kleinen Umzug von Fasnachtern ab der Kurpfalzbrücke zum Wasserturm und zwischen 12 und 14 Uhr Party auf einem Wagen von Schausteller Markus Rick an der Münzgasse. An Fasnachtdienstag werden die ganzen Planken zur Partymeile – mit fünf Bühnen mit ganz unterschiedlichen Musikrichtungen.
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