Interview

Das sagt Mannheims Sicherheits-Dezernent zu den Nahost-Demos

Als Sicherheitsdezernent ist Volker Proffen auch für die Mannheimer Versammlungsbehörde zuständig. Im Interview spricht er über die Stimmung und Sicherheit während der Nahost-Demos in Mannheim - und darüber, was sich ändern muss

Von 
Kai Plösser und Sebastian Koch
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Am 24. Februar trennten pro-palästinensische und pro-israelische Demonstrationen nur wenige Meter. © C. Blüthner, T. Tröster

Mannheim. Herr Proffen, die Auswirkungen der Weltpolitik sind über Demonstrationen deutlich in Mannheim zu spüren. Wie stark gefährden die fortlaufenden Demonstrationen von palästinensischer und von israelischer Seite den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Stadt?

Volker Proffen: Ich sehe den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht gefährdet. Trotzdem kann man nicht verhehlen, dass Mannheim ein Oberzentrum des Geschehens ist und dass die Demonstrationen Auswirkungen auf die Gesellschaft haben. Allein schon, weil Versammlungen und Demonstrationen immer mit Beeinträchtigungen für Menschen einhergehen, die hier leben.

Volker Proffen. © Thomas Tröster

Auch bei der Demo gegen Rechtsextremismus am Samstag hat es Spannungen gegeben, nachdem pro-palästinensische Demonstranten mit Fahnen am Paradeplatz aufgetaucht sind und - wegen der Fahnen - von der Demo ausgeschlossen wurden. Die palästinensischen Aktivisten sprechen von Rassismus auf einer Anti-Rassismus-Demo. Haben sie Recht?

Proffen: An der Versammlung hatten auch Personen teilgenommen, die der Pro-Palästina-Bewegung zuzuordnen waren, Flaggen schwenkten und die Versammlungsteilnehmer als Heuchler bezeichneten. Nach Aufforderung des Versammlungsleiters der Pro-Palästina-Demo, Letzteres zu unterlassen, störten sie die Kundgebung weiterhin. Daraufhin wurden sie vom Versammlungsleiter von der Versammlung ausgeschlossen.

Haben Sie sich in den vergangenen Wochen bei Demonstrationen persönlich ein Bild vor Ort gemacht?

Proffen: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Versammlungsbehörde begleiten jede Versammlung in diesem Zusammenhang, egal, ob unter der Woche oder am Wochenende. Das belastet die Ressourcen stark - nicht nur zeitlich, sondern weil es dafür ein sehr hohes Qualifikationsniveau braucht. Ich selbst bin nicht bei jeder Versammlung dabei, mache mir aber in regelmäßigen Abständen ein Bild vor Ort. Natürlich nicht als Teilnehmer, sondern als neutraler Beobachter.

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Wie ist die Stimmung vor Ort?

Proffen: Die Stimmung ist aufgeheizt. Das war sie schon von Beginn an. Wir stellen aber fest, dass die Emotionalität zunimmt.

Als Behörde müssen Sie neutral sein - gleichzeitig nimmt die Bevölkerung wahr, dass die Stimmung immer aufgeheizter wird. Wie fängt man das wieder ein?

Proffen: Ein wichtiges Instrument sind die Kooperationsgespräche, die vor jeder Versammlung geführt werden. Dabei werben wir als Behörde um ein vernünftiges Vorgehen. Wir schaffen den Rahmen für die Versammlungen und stellen dabei auch klar, was nicht geduldet ist. Schließlich wollen wir, dass die Demos in unserer Stadt friedlich verlaufen und weder Versammlungsteilnehmer noch unbeteiligte Dritte gefährdet werden. Das sind unsere Möglichkeiten. Letztlich haben aber auch Sie in Ihrer Berichterstattung herausgearbeitet, welch hohes Gut die Versammlungsfreiheit nun mal ist.

In einem Brief an unsere Redaktion heißt es, der Hauptbahnhof sei während einer Pro-Palästina-Demo eine „No-Go-Zone für Juden“ gewesen. „Während eines Free Palestine Protests wurden im Foyer drei Menschen umzingelt, bedrängt und angepöbelt, nur weil eine Frau unter ihnen eine Halskette mit einem Davidstern trug. Mitglieder der Jüdischen Gemeinde und der DIG wurden in einer Rede namentlich genannt und unter rasenden Jubelrufen der Menge öffentlich angeprangert. Ist das das Mannheim, in dem wir heute leben?“ Was entgegnen Sie?

Proffen: Unser oberstes Ziel ist es, dass sich Menschen bei Demonstrationen in unserer Stadt sicher fühlen. Dass das zuletzt offenbar nicht der Fall war, nehmen wir sehr ernst. Deshalb haben wir gerade erst Vertreterinnen und Vertreter von Polizei, Deutsch-Israelischer Gesellschaft, Jüdischer Gemeinde und Behörde eingeladen, um die Situation zu besprechen und zu eruieren, wie alle Seiten künftig dazu beitragen können, dass die Sicherheit verstärkt wird. Ich bitte Sie um Verständnis - das Gespräch war vertraulich und ich kann deshalb nicht über weiterführende Inhalte Auskunft geben. Wir arbeiten aber daran, die Sicherheit weiterhin zu verbessern.

Seit Oktober Dezernent

  • Der gebürtige Mannheimer Volker Proffen (CDU) ist als Bürgermeister auch für Sicherheit und Ordnung, Finanzen und öffentlichen Nahverkehr zuständig.
  • In dem von ihm geleiteten Dezernat I ist zudem die Versammlungsbehörde angesiedelt. 

Die israelische Seite kritisiert Videos, die während Demos gemacht worden sind. Auf dem einen ist ein palästinensischer Aktivist am Paradeplatz zu sehen, der auf pro-israelische-Demonstranten trifft, sie diffamiert und ihnen unterstellt, dass sie für Geld demonstrieren. Auf einem anderen ist zu sehen, wie der Kantor der Jüdischen Gemeinde in Abwesenheit während der Demo am Hauptbahnhof namentlich angeprangert wird. Sind Ihnen die Videos bekannt? Was denken Sie darüber?

Proffen: Ja, die Videos sind mir bekannt und meines Wissens Gegenstand polizeilicher Ermittlungen. Ganz klar: Provokationen oder Anfeindungen wollen wir in Mannheim nicht sehen! Jeder soll hier an Versammlungen teilnehmen können, ohne sich dabei unsicher oder bedroht zu fühlen.

Wie konnte der Aktivist so weit vordringen? Das war nur ein einzelner. Wenn es mehr sind, wäre das ein Sicherheitsproblem.

Proffen: Wir haben in dem erwähnten Gespräch Punkte angesprochen, die besser organisiert werden können. Die werden bei der nächsten Versammlung auch umgesetzt.

Am Hauptbahnhof standen Polizisten in unmittelbarer Nähe und haben nicht eingegriffen.

Proffen: Es ist nicht meine Rolle, die Arbeit der Polizei zu bewerten. Die Polizei hat einen sehr herausfordernden Job, in einer aufgeheizten Situation verhältnismäßig vorzugehen.

Es ist aber passiert, was nicht passieren darf. Die Demonstranten sind aufeinandergetroffen. Auch wenn es nur ein einzelner war.

Proffen: Die Demonstrationen waren räumlich und zeitlich sehr nah beieinander angemeldet.

Deswegen stellt sich ja aber erst recht die Frage, warum das Geschehen nicht besser geschützt war. Es war doch jedem klar, dass die Demonstranten sich sehr nahekommen.

Proffen: Es sind in dem Gespräch Punkte adressiert worden, die weiter verbessert werden können.

Gibt es vergleichbare Vorfälle von pro-israelischen Demonstranten?

Proffen: Vonseiten Pro-Palästina hat sich niemand bei uns beschwert. An dieser Stelle ist mir wichtig zu erwähnen: Wir Mannheimerinnen und Mannheimer haben uns in der Mannheimer Erklärung für Toleranz und Vielfalt auf Dialogbereitschaft, Toleranz und auch auf das Unterlassen von allem, was provoziert und Konflikte verstärkt, verpflichtet. Ich appelliere, diese zu beherzigen. Es ist eine wichtige Erklärung, die wir in dieser vielfältigen Stadt alle beachten und leben sollten.

Hat es seitens der Verwaltung Überlegungen gegeben, beide Seiten an einen Tisch zu bekommen?

Proffen: Als Verwaltung ist es in erster Linie unsere Aufgabe friedliche Demos zu ermöglichen. Es ist extrem herausfordernd, in einem so tiefsitzenden Konflikt globaler Dimension zu einer inhaltlichen Annäherung zu kommen.

Es reicht schon, wenn sich in Mannheim beide Seiten annähern. Dass man den Konflikt hier nicht lösen kann, ist klar.

Proffen: Dafür braucht es die Bereitschaft beider Seiten.

Haben Sie von einer Seite Bereitschaft wahrgenommen?

Proffen: Grundsätzlich gibt es in Mannheim ja immer schon ein großes Bemühen des interreligiösen Dialogs - auch mit der Mannheimer Erklärung. Dennoch, mit Blick auf die Demonstrationen und den Nahost-Konflikt: Wir als Versammlungsbehörde sind für Sicherheit und Ordnung zuständig. Wir haben alle Hände voll damit zu tun, Demonstrationen in einem sicheren Rahmen stattfinden zu lassen und zu einem reibungslosen Ablauf der Versammlungen beizutragen. Aber natürlich würde auch ich persönlich mir wünschen, dass die Stimmung in dieser Sache bei uns in Mannheim schnellstmöglich nicht mehr ganz so aufgeheizt wäre und dass jeder friedlich für seine Überzeugung demonstrieren und sich dabei sicher fühlen kann.

Redaktion

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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