Interview

Das sagen die Mannheimer AStA-Vorsitzenden zu KI, Inflation und nachhaltiger Uni

Nadja Fakesch und Marco Haupt vertreten als Vorsitzende des AStA mehr als 12 000 Studentinnen und Studenten an der Universität Mannheim. Im Interview sprechen sie über KI, bezahlbaren Wohnraum - und kritisieren den Zeitpunkt der Forderung, das Bafög zu erhöhen

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Sebastian Koch
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Sehen in der Anwendung von Künstlicher Intelligenz in der Lehre noch viele offene Fragen: die AStA-Vorsitzenden Marco Haupt und Nadja Fakesch im Gespräch mit „MM“-Redakteur Sebastian Koch. © Christoph Blüthner

Frau Fakesch, Herr Haupt, etwas mehr als 3000 junge Menschen haben im September an der Universität ihr Bachelor- oder Masterstudium begonnen. Was haben Sie ihnen als Vorsitzende der Studierendenvertretungen mit auf den Weg gegeben?

Marco Haupt: Wir haben in der Ersti-Woche gesagt, dass es sich lohnt, sich an der Uni und auch darüber hinaus zu engagieren - mit studentischen Initiativen, Fachschaften und AStA haben wir direkt vor Ort ein breites Angebot. Das hilft zum einen dem Gemeinwesen, zum anderen entwickelt es die eigene Persönlichkeit. Außerdem hilft es auf dem Arbeitsmarkt, wenn man über Engagement Soft Skills entwickelt hat.

Nadja Fakesch: Ich würde ihnen noch raten, hierher zu ziehen. Mannheim ist eine schöne und interessante Stadt. Der Einstieg ins Studium sollte der Beginn der Selbstständigkeit und der Selbstorganisation sein. Das prägt fürs Leben.

Haupt: Als jemand, der das damals nicht gleich gemacht hat, kann ich dir nur Recht geben: Das sollte man machen. Es vereinfacht vieles.

Apropos vereinfachen: Die Pandemie ist - hoffentlich - überstanden, ein Energielockdown wird nicht mehr diskutiert und die Inflation geht, auf einem noch hohen Niveau, zurück. Studierende stehen vor einem sorgenfreien Semester.

Fakesch: So weit würde ich nicht gehen. Das Geld ist immer knapp. Das ist keine News. Die Inflation ist immer noch hoch. Wenn man bedenkt, dass zum Beispiel im neuen Wohnheim in B6 Einzelzimmer 530 Euro Warmmiete kosten, ist das Geld aus dem Minijob, den die meisten haben, schon weg. Wohnraum ist in Mannheim ein generelles Problem. Deshalb ist es auch sehr gut, dass es das neue Wohnheim gibt, das sehr nah an der Uni liegt. Irgendwie muss man neben der Miete aber auch noch sein Essen kaufen können. Von sorgenfrei können wir leider noch nicht sprechen.

Haben Sie mit dem neuen Oberbürgermeister Christian Specht schon über die Bedürfnisse von Studentinnen und Studenten sprechen können?

Haupt: Nein, wir haben noch keinen längeren Dialog mit ihm gehabt. Das lag aber nicht am mangelnden Willen von Herrn Specht. Er ist neu im Amt und muss sich einarbeiten - das trifft auch auf uns zu. Wir haben im Juni Wahlen gehabt und mussten uns in den Semesterferien einarbeiten und abstimmen. Wir werden aber den Dialog suchen und würden uns freuen, wenn Herr Specht darauf eingeht.

Was würden Sie denn mit ihm besprechen wollen, was baldmöglichst aufgegriffen werden sollte?

Haupt: Das Thema günstiger und bezahlbarer Wohnraum ist sicherlich das drängendste - nicht nur für uns, sondern für alle Menschen in Mannheim. Es ist im Sinne der Stadt, Studierende nach Mannheim zu holen, damit die nach dem Studium der Stadt verbunden bleiben. Dafür müssen sie es sich aber leisten können, hierher zu ziehen.

Künstliche Intelligenz kann eine eigene intellektuelle Leistung nicht ersetzen. Wenn man weiß, wie man mit ihr umgeht, kann sie aber ein Teil der eigenen Leistung sein.
Marco Haupt AStA-Vorsitzender

Nach der Pandemie war es spannend, was von digitaler Lehre bleibt. Inzwischen gibt es aber ein ganz anderes digitales Thema: Künstliche Intelligenz. Welche Rolle spielt KI im Uni-Alltag?

Haupt: Bei Künstlicher Intelligenz war es interessant zu beobachten, wie schnell sich das auf die Lehre und auf Prüfungen ausgewirkt hat. Uns haben viele gefragt, ob sie derartige Programme etwa für Seminararbeiten benutzen dürfen und wenn ja, wie. Das war zuerst auch unter Dozierenden höchst umstritten, weil erst einmal neu definiert werden musste, was eine eigenständige Leistung ist und was nicht. Einerseits sind Arbeiten, die mit Hilfe von KI geschrieben werden, kein Plagiat einer dritten Person, was klar verboten wäre. Andererseits sind sie aber eben auch nicht komplett selbst angefertigt. Die Frage, wie man ChatGPT und andere Werkzeuge einsetzen kann, ist eine Grauzone - nicht nur für uns, sondern bundesweit.

Fakesch: Die Grauzone darf aber nicht dazu führen, dass Studierende verunsichert sind, was sie dürfen und was nicht. Viele Dozierende verlangen, dass man Texte und Anweisungen, die man in ChatGPT schreibt, als Quelle angeben muss. So versucht man, das Problem zu lösen. Trotzdem bleibt die Nachverfolgung schwer, falls man ChatGPT benutzt, aber nicht angegeben hat.

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Ist KI denn nun Fluch oder Segen für die Lehre?

Haupt: Künstliche Intelligenz kann eine eigene intellektuelle Leistung nicht ersetzen. Wenn man weiß, wie man mit ihr umgeht, kann sie aber ein Teil der eigenen Leistung sein. Es ist nicht so, dass Studis ein paar Stunden vor Abgabefrist eine Hausarbeit mit Künstlicher Intelligenz verfassen können. Die Programme können vieles, aber eben nicht alles.

Die Informationen und Ergebnisse sind nicht immer zuverlässig.

Haupt: Genau. Ein Professor hat mir von einer Hausarbeit erzählt, in der eine Studie einer seiner Kollegen zitiert wurde. Das Problem war nur, dass der Kollege diese Studie nie geschrieben hat und sie deshalb gar nicht existiert. Das Thema, das angeblich zitiert wurde, klang aber übrigens durchaus sinnvoll - vielleicht wird daraus ja ein Forschungsprojekt (lacht). Punktabzug für die Hausarbeit gab es natürlich trotzdem. Das Beispiel zeigt, dass die Handhabung von KI wichtig ist. Der Ansatz, zu sagen, es geht alles unter, wenn wir KI in der Lehre erlauben, ist aber sicherlich falsch. Es bringt auch nichts, KI überall zu verbieten. KI kann eine Bereicherung sein, wenn man weiß, wie man sie einsetzen kann und darf.

Wie lange wird es dauern, bis aus der Grauzone eine klar definierte Zone ist, in der Lehrende und Studierende wissen, wie sie mit KI umgehen können?
Haupt: Man darf nicht vergessen, dass wir von einer Frage sprechen, die gerade mal ein halbes Jahr alt ist. Weil darüber so oft gesprochen wird, entsteht der Eindruck, dass das Problem ewig existiert. Die Mühlen eines Lehrbetriebs mahlen gewöhnlich langsam, deshalb wird sich das einpendeln müssen. Wir werden da auch noch ein bisschen Trial and Error erleben, bis irgendwann alle halbwegs sicher sind, wie man weiter verfährt. Es gibt aber schon Bemühungen, für Lehrende und Lernende Klarheit zu schaffen. Dazu hat die Universität entsprechende Leitfäden geschaffen. Für Studierende lässt sich das so zusammenfassen, dass sie das Thema direkt bei ihren Profs ansprechen sollen - die legen ja letztlich die Kriterien für die Benotung fest.

Fakesch: Man darf auch die Lehrmittelfreiheit nicht vergessen. Die ist wichtig - führt aber eben auch dazu, dass Dozierende bei der Anwendung von KI Beinfreiheit haben.

Doppelspitze des AStA

  • Nadja Fakesch wurde 2003 in Mannheim geboren. Sie ist Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Universität. Fakesch, zuvor unter anderem Vorsitzende der Jusos, studiert Kommunikations- und Medienwissenschaft im fünften Bachelor-Semester.
  • Marco Haupt wurde 1999 in Darmstadt geboren. Er sitzt dem AStA seit 2022 vor, seit Juni 2023 mit Nadja Fakesch. Er studiert Politikwissenschaft im fünften Master-Semester.
  • Der AStA vertritt in diesem Semester etwa 12 000 Studentinnen und Studenten der Universität. 

Lassen Sie uns über Finanzen sprechen. Herr Haupt, Sie hatten im Dezember die Einmalzahlung für Studierende von 200 Euro zum einen als zu niedrig und zum anderen als zu wenig nachhaltig kritisiert, weil man das Geld mit der sprichwörtlichen Gießkanne verteilt und sich nicht tatsächlichen Bedürfnissen orientiert habe. Sie haben eine Sozialumfrage unter Studierenden angekündigt, um den tatsächlichen Bedarf zu überblicken. Warum gibt die Umfrage bis heute noch nicht?

Haupt: Der AStA hat eine Sozial- und Nachhaltigkeitsumfrage vorbereitet. Wir haben das Problem, dass die Nachhaltigkeitsmanagerin die Universität in der Zwischenzeit verlassen hat und damit ihr Angebot, die Mailverteiler der Universität zu verwenden, nicht mehr steht. Für uns wäre es ein großer Vorteil, über den Verteiler alle Studis zu erreichen - und nicht nur die, die uns auf Sozialen Medien folgen. Neben dem Problem der Verbreitung haben wir noch ein zweites: Wir sind davon ausgegangen, dass wir das Umfragetool der Universitäts-IT nutzen können, was aber nicht der Fall ist. Wir sind aber optimistisch, dass wir die Umfrage bis zum Jahresende umsetzen können und dann wissen, wie die finanzielle Situation der Studierenden tatsächlich ist.

Sie bekommen trotzdem Rückmeldungen von Studentinnen und Studenten. Wie hoch ist die Gefahr von Studentenarmut?

Fakesch: Die Gefahr besteht zumindest. Es gibt verschiedene Unterstützungsprogramme wie das Bafög. Das muss jedoch auch grundsätzlich reformiert werden. Trotzdem gibt es finanzielle Sorgen, wenn Mieten steigen und das Essen inflationsbedingt immer teurer wird.

Haupt: In Mannheim gibt es aber kein besonders großes Armutsproblem unter Studierenden. Natürlich sind die Mieten teurer als auf dem Land. Das ist aber überall so. Die Probleme, die wir haben, sind Probleme, mit denen alle Studierenden und Studierendenvertretungen in Universitätsstädten kämpfen.

Was kann man als AStA aktiv gegen Studentenarmut machen?

Fakesch: Wir bieten zum Beispiel eine Jobbörse auf unserer Webseite an. In Mannheim hat man auch gute Möglichkeiten, an Jobs zu gelangen. Aber selbst das Geld aus einem Minijob reicht eben oft nicht mal aus, um seine Miete zu bezahlen.

Haupt: Als AStA haben wir nicht die Mittel, um großflächig Sozialpolitik zu betreiben. Wir können Studierende aktiv auf Angebote hinweisen und unsere Sozialreferentin bietet individuelle Beratung an. Ein Problem unseres Sozialsystems ist, dass es viele Leistungen gibt, die nicht ausreichend bekannt sind, weil sie schlecht kommuniziert werden.

Fakesch: 25 Prozent der Studierenden haben keine Energiepauschale beantragt. Die, die es beantragt haben, haben dafür viel Zeit gebraucht, weil das System wahnsinnig kompliziert und bürokratisch gewesen ist. Das ist ein Beispiel dafür, dass die Kommunikation hakt. Ganz konkret haben wir als AStA zum Beispiel erreicht, dass man mit dem Studierendenausweis abends und am Wochenende kostenlos Bahn fahren kann und die Fahrräder von Nextbike für eine halbe Stunde lang kostenlos nutzen kann. Das wissen aber leider auch nicht alle.

Grundsätzlich muss in Deutschland aber ein Studium auch ohne finanzielle Hilfe des Elternhauses möglich sein.
Nadja Fakesch AStA-Vorsitzende

Die Bundesregierung hat das Bürgergeld angehoben. Das Deutsche Studierendenwerk hat ein paar Tage später gefordert, dass dann auch das Bafög wieder angehoben werden muss. Vermutlich ist das in Ihrem Interesse oder?

Fakesch: Prinzipiell schon. Der Zeitpunkt, den das Deutsche Studierendenwerk gewählt hat, ist aber kein guter gewesen. Es ist schwierig, wenn das Bürgergeld erhöht wird, dass man als Studierendenvertretung sagt, dass dann auch wir mehr bekommen müssen. Dadurch werden Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausgespielt. Beiden geht es nicht gut, sonst würden sie die Unterstützung nicht bekommen. Durch die Forderung, das Bafög zu erhöhen, wird aber der eigentlich gute Ansatz, das Bürgergeld zu erhöhen, entwertet. Grundsätzlich muss in Deutschland aber ein Studium auch ohne finanzielle Hilfe des Elternhauses möglich sein.

Die Nachhaltigkeitsmanagerin, deren Arbeit der AStA letztes Jahr sehr positiv bewertet hat, hat die Universität verlassen. Was bedeutet das für die Nachhaltigkeitsbewegung an der Uni?

Haupt: Die Universität ist aus unserer Sicht ernsthaft daran interessiert, sich weiterhin mit dem Thema zu befassen. Natürlich wirkt sich ein personeller Wechsel auf die Kontinuität aus, was wir jetzt bei der Sozial- und Nachhaltigkeitsumfrage zu spüren bekommen haben. Wir beobachten aber weiterhin, dass die Zusammenarbeit zwischen Universität und uns als AStA bei dem Thema gut funktioniert. Zum Beispiel organisieren einige ehrenamtliche Studierende gemeinsam mit uns als AStA eine interdisziplinäre Ringvorlesung zum Thema Klimawandel und die Uni unterstützt das.

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Die Universität will bis 2030 klimaneutral arbeiten. Was muss bis dahin noch passieren?

Fakesch: Eine gute Frage.

Ich habe viel Zeit mitgebracht.

Fakesch: Die Uni muss sich überlegen, wie man ausgleichen kann, dass das Schloss als altes Gebäude bei Strom und Heizen wenig klimaneutral sein kann. Unsere Universität steht, im Vergleich zu naturwissenschaftlich geprägten Universitäten, vor kleineren Herausforderungen. Dennoch ist die Digitalisierung nach wie vor ausbaufähig. Wenn man klimaneutral sein will, muss sich da vieles ändern.

Haupt: Generell müssen wir lernen, papierlos zu arbeiten. Es ist nicht effizient, Hausarbeiten ausdrucken zu müssen, um den Ausdruck abzugeben, nur damit er dann wieder von irgendjemandem eingescannt wird. Das ist nicht auf der Höhe der Zeit (lacht). Wir haben da aber zuletzt auch Fortschritte beobachtet. Die digitalen Klausuren, die man in der Pandemie hatte, müssen beibehalten und weiterentwickelt werden. Vom Gebäudemanagement abgesehen, müssen wir als Universität auch unsere intellektuellen Ressourcen nutzen. Die Uni ist nicht nur ein Gebäude, in dem sich die Verwaltung und ein paar junge Menschen aufhalten. Wir haben den Auftrag, Wissen zu generieren und zu kommunizieren. Wir müssen Perspektiven und Fachwissen aus vielen Disziplinen zusammenbringen, und einen konstruktiven Dialog herstellen, gerade wenn es um so wichtige Themen wie den Klimawandel geht.

Der Rektor der Dualen Hochschule in Mannheim argumentiert, der Erfolg von Nachhaltigkeit zeigt sich bei Hochschulen nicht auf dem Campus, sondern darin, wie Studierende nach dem Studium mit dem darin erlangten Wissen nachhaltig Wirtschaft prägen. Ist das auch ein Ansatz für die Universität?

Fakesch: Man kann doch auch beides machen. Die Argumentation legt nahe, dass man sich bei der Frage auch aus der Verantwortung stiehlt.

Haupt: Ich sehe nicht, warum das eine Entweder-Oder-Frage ist - das sollte Hand in Hand gehen und gelebte Praxis sein. Wenn mir ein Professor erzählt, wie ich nachhaltig leben und arbeiten kann, obwohl ich weiß, dass er selbst an einer Universität oder Hochschule arbeitet, die im Betrieb nicht nachhaltig ist, ist das einfach nicht glaubwürdig. Es geht da auch um eine gesellschaftliche Vorbildsfunktion, die wir als Bildungseinrichtung haben.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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