Mannheim. Für Neujahrswünsche bleibt wenig Zeit. Erst um 0.15 Uhr sind die über Funk zu vernehmen. Zuvor ist einfach viel zu viel zu tun in der Integrierten Leitstelle von Feuerwehr und Rettungsdienst in der Silvesternacht. „Es war viel, aber es lief glimpflich“, zieht der stellvertretende Kommandant der Feuerwehr, Jens Stiegel, Bilanz des Jahreswechsels und atmet zufrieden auf, dass es zumindest keine Übergriffe auf seine Einsatzkräfte gegeben habe.
Schon die Phase vor Mitternacht, sonst eine ruhige Zeit, nennt Stiegel „turbulent“. Und damit meint er nicht die Politikerbesuche. Sicherheits-Bürgermeister Volker Proffen verteilt auf der Hauptfeuerwache „Mannemer Dreck“, auf der Wache Nord schauen Kommunalpolitiker von Grünen und SPD, von der CDU und Vertreter vom Bürgerverein Gartenstadt vorbei. Aber nie sind alle da, wenn die Geschenkkörbe überreicht werden.
Silvester in Mannheim: Elf Menschen aus Haus gerettet
Erst kommt es in F 6 zu einem Balkonbrand. „Aber die Scheiben haben zum Glück Stand gehalten, sonst wäre es schnell ein Wohnungsbrand geworden“, so Roland Rimmelspacher, der in dieser Nacht Führungsdienst der Berufsfeuerwehr ist. Und obwohl die Flammen schon auf den darüberliegenden Balkon übergeschlagen hätten, habe die Freiwillige Feuerwehr ein Übergreifen des Brands verhindern können. Zudem sei auf der Rheinau ein Ölofen außer Kontrolle geraten. Zehn Kleinbrände, etwa von Mülltonnen oder Gebüsch, zählt Rimmelspacher bis Mitternacht.
Richtig dramatisch wird es gegen 23 Uhr. Anwohner melden den Ausbruch eines Brandes in einem Mehrfamilienhaus in der Gaußstraße. Zwischendurch heißt es sogar, dass mehrere von Qualm und Feuer eingeschlossene Personen mit Taschenlampen auf sich aufmerksam machen würden - was sich dann als Party herausstellt.
Aber elf Menschen muss die Feuerwehr über das Treppenhaus, eine Person über eine Leiter retten. Ein Feuerwehrmann verletzt sich bei dem Einsatz leicht an der Hand. Die 70-jährige Bewohnerin der Brandwohnung muss mit Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus. Nicht nur ihre Wohnung, sondern laut Polizei das ganze Mehrfamilienhaus sind durch Rauch und Löschwasser nicht bewohnbar.
In Mannheim Schönau brennt ein Baum neben einer Sporthalle
Ab 23.17 Uhr gehen mehrere Notrufe von der Schönau ein, wonach eine Sporthalle brennen würde. Mehrere Nachbarn rufen an, nennen unterschiedliche Adressen, schildern alle hellen Feuerschein. Tatsächlich brennt nicht das Dach der Sporthalle, sondern nur ein Baum und Gebüsch. Doch in dem Moment bewährt sich bereits, dass die Leitstelle, in der sonst nachts drei Disponenten sitzen, auf sechs aufgestockt worden ist und ein weiterer Beamter kurz vor Mitternacht dazukommt. „Wir werden den Zeitpunkt erleben, wo die alle arbeiten“, ahnt Jens Stiegel - und behält Recht.
Dieses Jahr ist es nämlich nicht mal genau zum Jahreswechsel ruhig. Um 23.53 Uhr kommt der Alarm vom Heizkraftwerk Nord, dass es im Müllbunker brennt. Sofort rücken starke Kräfte von Berufsfeuerwehr und Freiwilliger Feuerwehr aus. Um Mitternacht sind sie auf der Anfahrt beziehungsweise rollen gerade die ersten Schläuche aus, um 0.08 Uhr sind zwei, ab 0.15 Uhr vier Strahlrohre auf den qualmenden, kokelnden Abfall gerichtet. Dieser Einsatz zieht sich stundenlang hin - während anderswo gleichzeitig auch viele Kräfte gebraucht werden.
Feuerwehr stockt zu Silvester in Mannheim Kräfte auf
Das Heizkraftwerk ist der letzte und der 2061. Brandeinsatz in 2023, dazu kommen 2614 technische Hilfeleistungen. Damit hat sich die Gesamtzahl der Einsätze im vergangenen Jahr (4675) im Vergleich zu 2022 (4430) erneut erhöht. Und in den ersten Stunden von 2024 geht es gerade so weiter - mit allein 22 Kleinbränden von 0 bis 2.30 Uhr.
Die Berufsfeuerwehr ist auf 57 Einsatzkräfte aufgestockt, weil der gerade beendete Grundlehrgang alle drei Wachen verstärkt. Statt regulär einem machen zwei Einsatzleiter (Simon Fuchs und Constantin Ksoll) Dienst. Und von der Freiwilligen Feuerwehr sind 83 Ehrenamtliche da - einer davon, Markus Balschbach, gar an seinem Geburtstag.
Er ist als Zugführer der Abteilung Nord im Heizkraftwerk. Mit 36 Männern und Frauen ist diese Abteilung besonders stark präsent. Die Abteilung Innenstadt stellt 20 Ehrenamtliche, die Abteilungen Neckarau, Rheinau und Wallstadt besetzen je ein Löschfahrzeug. „Alle sind gerollt“, betont Jens Stiegel, gerade die Ehrenamtlichen seien „mehrmals eingebunden gewesen“ und ihr Engagement „absolut erforderlich“.
Ständig lautet das Alarmstichwort „Kleinbrand außerhalb Gebäude“. Von Sandhofen bis Rheinau ziehen sich quer durch die Stadt die Meldungen, dass Gebüsch, Abfallhaufen, Mülltonnen oder mal ein Balkon in Flammen stehen. Meist reicht etwas Wasser, notfalls wird ein Müllcontainer mit Schaum geflutet. In der Tiefgarage am Wasserturm löst der Rauchmelder aus, weil oben so viel Feuerwerk gezündet wird.
Personalsituation „auf Kante genäht“
Um 0.40 Uhr steigt kurz der Adrenalinspiegel der Verantwortlichen, denn aus dem Franz-Islinger-Haus wird ein Feuer gemeldet. Es stellt sich als angebranntes Essen heraus - aber bei einem Altenheim gilt eine höhere Alarmstufe, und es könnte ja eine Evakuierung nötig werden, daher rasen gleich viele Löschfahrzeuge, zwei Drehleitern und ein Großaufgebot vom Rettungsdienst los.
Der sollte in dieser Nacht um drei Rettungswagen verstärkt werden, das hatte die Stadt von Krankenkassen und Hilfsorganisationen gefordert. Wirklich besetzt sind, wegen Personalmangel, nur zwei Fahrzeuge mehr; von Maltesern und ASB. „Und alle werden gebraucht, ohne die wäre es schwierig“, so Christoph Scherer, Geschäftsführer der Integrierten Leitstelle. 46 Einsätze zählt er um den Jahreswechsel für den Rettungsdienst. Immer wenn die Feuerwehr unter Atemschutz arbeitet, muss aus Sicherheitsgründen eigentlich ein Rettungswagen dazu.
Dazu kommen Verbrennungen durch Feuerwerkskörper, Verletzungen, mal da ein Kollaps, dort ein urologischer Notfall, Folgen von Schlägereien. Einmal halten sogar Passanten ein Notarztfahrzeug, das zurück ins Krankenhaus will, unterwegs an und melden einen Verletzten. Gegen 1.46 Uhr warten zeitgleich zwei Patienten, einer mit Nierenkolik, einer mit Alkoholvergiftung, auf Hilfe - aber alle zwölf Rettungswagen sind zu der Zeit ausgebucht, und der eine, der im Klinikum gerade frei wird, muss sofort weiter zu einem noch dringenderen Notfall. „Der Rettungsdienst ist eben insgesamt auf Kante genäht“, seufzt da Andreas Pitz, ebenso Geschäftsführer der Integrierten Leitstelle.
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