Kommentar Mannheimer Borelly-Grotte: ein Sinnbild alter Stadtplanung

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Timo Schmidhuber
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Im Mannheimer Volksmund heißt die Passage unter der Kreuzung von Kaiserring und Bismarckstraße Borelly-Grotte, benannt nach dem langjährigen Tiefbaudezernenten Wolfgang Borelly. Doch was sich anhört wie die Hauptattraktion eines Wellness-Tempels, war – von den Anfangsjahren abgesehen – nie ein angenehmer Ort.

Mannheim

Die Borelly-Grotte im Wandel der Zeit

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Die Bilder nach der Eröffnung 1962 zeigen eine moderne Ladenpassage, die aber bald nicht mehr funktionierte. Es folgten Leerstände, ehe sich ab den 1990er Jahren zwielichtig wirkende Kneipen und eine Disco ansiedelten. Die Kaiserring-Passage entwickelte sich zum Umschlagplatz für Drogen, zum Kriminalitätsschwerpunkt, zum „Angstraum“. Wer vom Hauptbahnhof auf dem Weg in die Innenstadt war, wollte nicht durch die dunkle Passage. Deshalb wurden schließlich oben auf der Bismarckstraße Ampel-Übergänge gebaut. Vor fünf Jahren verriegelte die Stadt die Borelly-Grotte – eine richtige Entscheidung. Dass sie ab Ende August nun endgültig mit Schotter und Beton geschlossen wird, ist kein Verlust.

Doch bei dem Projekt geht es weniger um Sicherheits- als vielmehr um Verkehrspolitik. Denn der eigentliche Grund fürs Zuschütten sind die Veränderungen auf dem Bahnhofsvorplatz. Dort soll ein vierter Bahnsteig für die Stadtbahn entstehen. Und dafür ist ein dauerhaft stabiler Untergrund nötig. Der zusätzliche Bahnsteig wird gebraucht, weil Mannheim seinen öffentlichen Nahverkehr stärken und eine neue Linie einrichten will: eine Verbindung vom neuen Stadtteil Franklin über den Hauptbahnhof und das Glücksteinquartier bis auf die Rheinau.

Sinnbild alter Stadtplanung

Es geht also um den Ausbau einer Mobilität, bei der nicht mehr das Auto die Hauptrolle spielt. Und damit wäre man wieder bei Passagen wie der Borelly-Grotte. Sie sind auch Sinnbilder einer veralteten Stadtplanung mit dem Auto im Zentrum. „Menschen unter die Erde, damit oben die Autos freie Fahrt haben“, hieß die Botschaft damals. Zum Glück denken Stadtplaner und Politikerinnen heute anders. In Mannheim startet ebenfalls Ende August der Verkehrsversuch, der den Auto-Durchgangsverkehr in der Innenstadt reduzieren soll und den Menschen mehr Fläche zurückgeben will. Gut so! Und schon lange liegen im Rathaus Pläne in der Schublade, wie man den Kaiserring zu einer boulevardartigen Straße ausbauen könnte. Sie sind zwar erstmal auf die Zeit nach der Bundesgartenschau vertagt. Sie dürfen aber keinesfalls in Vergessenheit geraten.

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

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