Borelly-Grotte - Schadstoffsanierung beendet / Seit 2016 gesperrte Kaiserring-Passage wird endgültig stillgelegt / Stadt lässt Treppenschächte eben verschließen

Abriss unter der Erde beginnt im April

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Thorsten Langscheid
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In den Treppenabgängen der stillgelegten Kaiserring-Passage am Hauptbahnhof häufen sich das Laub vom letzten Herbst und der Müll, den Passanten hier achtlos fallen lassen. Rostende Absperrgitter und in zweieinhalb Jahren unansehnlich gewordene Verbundplatten, mit denen die Eingänge im September 2016 vernagelt wurden, verstärken die triste Szenerie am Eingang zur Innenstadt. Wie’s weitergehen soll mit der Fußgängerunterführung, die im Dezember 1962 als modernes Stadtentrée eröffnet wurde, steht zwar seit Jahren fest. So richtig voran geht es aber auf der unterirdischen Baustelle bisher nicht. Bis die hässlichen Treppenschächte endlich verschwinden, so ließen Projektleiterin Elizabeta Schulz und Rathaus-Sprecher Jan Krasko jetzt durchblicken, dürfte noch einige Zeit vergehen.

Nach längeren Verzögerungen wegen des Ausfalls einer bereits beauftragten Firma nimmt die Stadt jetzt einen neuen Anlauf für den lange geplanten Abriss im Untergrund: „Wir wollen im April mit dem Rückbau der Wände und Einbauten beginnen“, kündigt Schulz an. „Borelly-Grotte“, nach dem Tiefbaudezernenten Wolfgang Borelly, der die Stadt in den Wiederaufbaujahren nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1972 geprägt hat, nennen die Mannheimer die Passerelle. Einst schicke Ladenpassage, fiel die Grotte zuletzt nur noch als innerstädtischer „Angstraum“ mit Kriminalitäts- und Drogenproblemen auf. Die Treppen-Abgänge samt Aufzügen und Rolltreppen will Schulz bis August abgebaut haben, danach übernimmt der Rathaus-Fachbereich Tiefbau die Unterführung und plant die Verfüllung und Einebnung der Schächte.

Gesamtkosten rund 810 000 Euro

Das nötige Geld – rund 810 000 Euro – hat der Gemeinderat längst bewilligt. Es hakte allerdings bei der Umsetzung. „Wir haben die Zeit aber genutzt und alle problematischen Baumaterialien entsorgt“, berichtet die Projektleiterin. Da der Innenraum der Grotte im Laufe der Zeit mehrfach umgebaut wurde, war die Schadstoffsanierung, so Schulz, „gar nicht so einfach“. Sie musste zahlreiche Bohrungen machen und Proben analysieren lassen. Vor allem Asbest, aber auch Mineralfasern und andere Schadstoffe wurden aufwendig ausgebaut und entsorgt.

„Wir können hier unten praktisch nur von Hand arbeiten“, erklärt sie, warum alles länger dauert als auf einer „normalen Baustelle“. So darf die Projektleiterin in der Unterführung aus Sicherheitsgründen keine motorbetriebenen Baumaschinen einsetzen. „Das macht die Sache mühsam und langwierig“, sagt sie und zeigt auf bereits nach Holz und Metall sortierte Bauschutt-Haufen. „Das muss natürlich auch noch alles ’raus.“ Neben den keilförmigen Widerlagern bleiben die vier tragenden Betonsäulen stehen – und müssen komplett freigelegt werden, damit Prüfingenieure beurteilen können, ob es zu Rissen oder Setzungen kommt. Denn die Unterführung ist technisch gesehen nichts anderes als eine Brücke und muss regelmäßig auf ihre Tragfestigkeit hin überprüft werden.

Deswegen ist auch keine Verfüllung der Grotte vorgesehen, sondern der Erhalt des unterirdischen Raums. Zudem laufen weiterhin genutzte Ver- und Entsorgungsrohre unter der Decke der Passage entlang, Ampeln und Straßenlaternen sind in der Betonplatte verankert, die Stromversorgungs- und Steuerungskabel liegen ebenfalls im Inneren der Grotte. Ein Komplett-Abriss des Überführungsbauwerks komme ebenfalls nicht in Frage – zu stark wäre der Eingriff in die mit über 40 000 Autos in 24 Stunden stark befahrene Kreuzung von Kaiserring und Bismarckstraße.

Wachsende Kriminalität

In den Jahren vor der Schließung im September 2016 spielte die wachsende Kriminalität am Hauptbahnhof eine Rolle. 2010 wurden laut polizeilicher Statistik im Umfeld der Unterführung und der dortigen Nachtschwärmer-Gastronomie 264 Straftaten registriert, 2014 waren es 728 Straftaten. In der Hauptsache stieg die Rauschgiftkriminalität von 33 (2010) auf 304 Delikte in 2014. Zudem wurden von der Polizei 33 Fälle von Gewaltkriminalität und 102 Fälle der Straßenkriminalität registriert.

Im kommenden Jahr, so zeigt sich Elizabeta Schulz auf der Treppe am Ausgang der Grotte zuversichtlich, erinnere oben am Ring nichts mehr an die ungeliebte Unterführung. „Es bleibe dann nur noch ein Notzugang, durch den man zu Prüfzwecken in den Innenraum gelangt“, erklärt sie, macht das Licht aus und schließt die provisorisch aus Verbundplatten gezimmerte Tür ab.

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Mannheims Untergrund

  • Begonnen wurde mit dem Bau der Kaiserringpassage im Dezember 1961. Eröffnet wurde sie ein Jahr später.
  • Der Bau der Grotte hat 3,1 Millionen Mark (rund 1,5 Millionen Euro) gekostet. Einschließlich des oberirdischen Verkehrsknotenpunktes beliefen sich die Kosten auf 7,3 Millionen Mark (3,6 Millionen Euro).
  • Für den schmetterlingsförmigen Bau wurden 3600 Kubikmeter Beton und 475 Tonnen Stahl verbaut. Die unterirdische Fläche der Anlage umfasst etwa 1300 Quadratmeter.
  • In den 1990er Jahren wurde die Passage komplett saniert und anschließend von einem privaten Investor betrieben.
  • Vorschläge zur weiteren Nutzung – etwa als Fahrradparkhaus oder als Untergrund-Veranstaltungsort – erwiesen sich als technisch zu aufwendig und zu teuer. (lang)

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