Mannheim. Leben bis zuletzt. Auch und trotz unheilbarer Krankheit. Dabei unterstützt die Bewegung mit dem symbolträchtigen Namen Hospiz im Sinne einer Herberge. Und die versteht sich als Schutzort und Haltung zugleich – geprägt von der Erkenntnis, dass Sterben zum Dasein gehört. Der Mannheimer Caritasverband würdigt am 17. September zwei Jubiläen: Vor 25 Jahren entstand das stationäre St. Vincent Hospiz. Und fünf Jahre zuvor hatte die ambulante ökumenische Hospizhilfe begonnen.
Örtlichkeiten der Gastfreundschaft gab es bereits Ende des vierten Jahrhunderts entlang von Pilgerrouten quer durch Europa. Die moderne Hospizbewegung – abgeleitet von dem lateinischen Begriff „hospitium“ für Herberge – sollte sich hingegen als Reaktion auf die zunehmende Tabuisierung des Todes verbunden mit dem Auslagern des Sterbens jenseits des häuslichen Umfeldes entwickeln. Es war eine britische Krankenschwester und Sozialarbeiterin mit spätem Medizinstudium, die 1967 in London aufgrund ihrer Erfahrungen in Krankenhäusern das erste Hospiz mit ganzheitlicher Betreuung für Körper und Seele kombiniert mit neuen Wegen bei der Schmerzbekämpfung gründete. Ihr bis heute gültiges Konzept hat Pionierin Cicely Saunders so formuliert: „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“ Und dabei gelte es, Angehörige einzubeziehen.
„Mit fünf Hospizplätzen fingen wir im Dachstockwerk an“
Mit Blick auf das Doppel-Jubiläum haben sich in einem Rückzugsraum des St. Vincent Hospiz am zweiten Standort Ilvesheim Regina Hertlein, Vorstandsvorsitzende des Caritasverbandes, Melanie Ratz, Leiterin der zwei stationären Einrichtungen und der ambulanten Angebote, außerdem Petra Waßmer, verantwortlich für das Tageshospiz, zu einem Gespräch mit dieser Redaktion zusammengefunden.
Regina Hertlein erinnert sich noch gut an die schwierigen Anfangsverhandlungen mit den Krankenkassen. 90 Prozent der gedeckelten Kosten wurden zugestanden. Die restlichen zehn Prozent – inzwischen fünf Prozent – mussten selbst aufgebracht werden. Nicht nur fürs Spendentrommeln wurde ein Förderverein gegründet – auch zum Bekanntmachen des Hospizes, das keineswegs als Sterbeeinrichtung gedacht war, wie es als Klischee kursierte. Und natürlich ging es auch um das Werben von Ehrenamtlichen, die bis heute eine wichtige Rolle übernehmen.
„Mit fünf Hospizplätzen fingen wir im Dachstockwerk des Joseph-Bauer-Hauses an“, blickt die Caritas-Chefin zurück, die damals das Käfertaler Pflegeheim leitete. Nach fünf Jahren sollte es nicht nur gelingen, die Finanzierung zu stemmen. Es stand auch fest: Ein Ort, wo umsorgte Menschen im Angesicht des Todes würdig leben können, manchmal auch für kurze Zeit noch einmal richtig aufleben, ist nicht mehr wegzudenken.
Melanie Ratz hat zu dem Gespräch das aktuelle Gästebuch mitgebracht. Beim Durchblättern bleibt der Blick beispielsweise bei dem Eintrag eines Schwerkranken hängen, der schildert, wie gut es ihm tut, als „Person, die er ist“ offen angenommen zu werden. Auch Angehörige haben Gedanken notiert: Ein Lebensgefährte bedankt sich, dass er vor dem Tod seiner Frau „neun fantastische Wochen mit allen Höhen und Tiefen verbringen durfte“.
Vor drei Jahren hat der Caritasverband mit dem ersten Tageshospiz in Baden-Württemberg eine Versorgungslücke geschlossen. Zielgruppe sind Menschen, die trotz ihrer unheilbaren und fortschreitend verlaufenden Erkrankung nicht bettlägrig sind, sich aber nicht mehr aus dem Haus trauen – mit dem Effekt, dass sich ihre Welt auf tägliche Abläufe reduziert. In der Tageseinrichtung mit psychosozialer und palliativmedizinischer Betreuung gibt es Angebote, die alle Sinne ansprechen. „Über solch neue Erfahrungen kann nach der Rückkehr in die Familie erzählt werden“, schildert Petra Waßmer das von ihr erarbeitete Konzept.
Gäste sind „erleichtert“, keinen Behandlungsstress mehr zu haben
„Wenn ich nicht ins Tageshospiz kommen könnte, gäbe es mich vermutlich gar nicht mehr“, erklärte Heinz vor gut einem Jahr im Gespräch mit dieser Redaktion. Zweimal pro Woche tanke er so etwas Normalität, die wie ein „Urlaub“ von seiner Krebserkrankung sei und obendrein seine Ehefrau entlaste. Der Endsechziger erzählte begeistert, dass er so ziemlich alle Angebote ausprobiere – ob Musiktherapie, Atemübungen, Basteln. Vor allem genieße er, mal nicht als Schwerkranker wahrgenommen zu werden und sogar wieder über einen erzählten Witz lachen zu können.
Festakt zum Hospizjubiläum
- Der Caritasverband Mannheim würdigt ein Doppeljubiläum in der Hospizarbeit mit einem Festakt am Mittwoch, 17. September, um 17.30 Uhr im Saal der Jüdischen Gemeinde in F 3.
- Vor drei Jahrzehnten startete die ambulante ökumenische Hospizhilfe . Bis 2022 wurde der Dienst gemeinsam mit dem Diakonischen Werk geführt. Zwei hauptamtliche Koordinatorinnen bereiten die 45 ehrenamtlichen Frauen und Männer für Hospiz- und Trauerbegleitung auf ihre Einsätze vor.
- Das stationäre Hospiz St. Vincent war zunächst im Caritas-Pflegeheim Joseph Bauer untergebracht, ehe es 2015 ins Caritas-Zentrum auf dem Waldhof zog. 2017 wurde ein zweiter Standort in Ilvesheim eröffnet , das Hospiz St. Vincent Süd. Es gibt jeweils acht Plätze. wam
Wann ist es so weit, dass nicht mehr geheilt werden kann und begleitende (Lebens-)Hilfe in den Mittelpunkt rücken sollte? Diese Frage treibt Melanie Ratz und Petra Waßmer um. Immer wieder erleben sie, dass in Kliniken bei Schwerkranken noch Therapien erfolgen, obwohl längst klar sei, dass diese nichts mehr bringen, aber massiv belasten. Die beiden Fachfrauen berichten von stationär aufgenommenen Hospiz-Gästen, die „erleichtert sind“, wenn sie keinen Behandlungsstress mit rigidem Stationsablauf mehr über sich ergehen lassen zu müssen. Zu den Erfahrungen gehört auch, dass Betroffene wie deren Familien oftmals weder über begleitende Palliativmedizin noch Hospiz-Angebote informiert werden.
„Das ist jetzt mein Zuhause!“
Die Arbeit mit Angehörigen empfinden beide Hospiz-Leiterinnen als „enorm wichtig“. In Gesprächen gehe es auch darum, überforderten Pflegenden das Gefühl des Versagens zu nehmen. Das Akzeptieren, an seine Grenzen zu kommen und deshalb einen geliebten Menschen anderen anzuvertrauen, falle schwer, weiß Petra Waßmer.
„Das ist jetzt mein Zuhause!“ Diesen Satz hört Margarte Pfeifer-Biebl häufig von Hospiz-Gästen. Sie gehört seit sieben Jahren zu jenen Ehrenamtlichen, die nach einem Vorbereitungskurs meist einmal wöchentlich kommen, um Karten zu spielen, Fotoalben anzuschauen, Geschichten zu lauschen oder eine Hand haltend am Bettrand zu sitzen. Klar werde auch übers Sterben und Ängste gesprochen – „aber ich spüre bei den Begegnungen viel Freude“. Wie das hauptamtliche Team beobachtet auch die Ehrenamtliche, dass manche Schwerkranke „froh sind, hier ihre Ruhe zu haben“ und nur dann etwas zu machen, wenn sie sich danach fühlen.
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