Mannheim. „Auf der Palliativstation habe ich mich immer vorgestellt und gesagt: ‚Ich bin die Frau mit Zeit‘“, sagt Uta Weiner. „Was eigentlich gar nicht so typisch für mich ist, weil ich privat oft diejenige bin, die nicht so viel Zeit hat.“ Doch genau das ist der springende Punkt bei ihrem ehrenamtlichen Engagement: Für die Menschen da sein. Denn Weiner engagiert sich seit Dezember beim ambulanten Hospizdienst des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) in Mannheim.
Die Ehrenamtlichen begleiteten dabei Personen, die kurz vor dem Sterben sind oder bereits im Sterben liegen. Sie besuchen sie entweder daheim oder im Pflegeheim, wenn die Personen dort wohnen. Dabei sind die Ehrenamtlichen nicht pflegerisch tätig, es geht um den seelischen Beistand – sowohl bei den sterbenden Personen selbst, als auch bei den Angehörigen. Und die seien meistens total dankbar, erklärt Weiner. Viele haben noch einen Beruf und pflegen beispielsweise ihre Eltern nebenher. Und das kann schon belastend sein, wenn sich ein Eltern-Kind-Verhältnis dreht, und auf einmal jemand von einem so sehr abhängig sei, weiß Weiner.
Ambulanter Hospizdienst in Mannheim: Das Sterben ist für jeden individuell
Der Hauptteil der Fälle, die die Ehrenamtliche Christine Dettmann begleitet hat, sind solche älteren Menschen, deren Kinder meist schon erwachsen sind. Dettmann engagiert sich bereits seit 23 Jahren beim ASB. In dieser Zeit hat sie viele Fälle begleitet. Beim Neujahrsempfang wurde die 70-Jährige von Oberbürgermeister Christian Specht für ihr Engagement geehrt.
Sowohl für die Angehörigen, als auch für die sterbende Person selbst kann es wichtig sein, eine gewissermaßen „neutrale“ Person um sich herum zu haben, erklärt Dettmann. Manchmal nehmen die Ehrenamtlichen auch eine vermittelnde Funktion ein. Etwa, als ein erwachsenes Kind Tag und Nacht nicht von der Seite der Mutter weichen wollte, die sich aber einen Moment Ruhe wünschte. Dettmann brachte diesen Wunsch dem Angehörigen schonend bei.
Jede Geburt ist individuell. Und so ist auch das Sterben für jeden individuell: Jeder stirbt auf seine Weise.
Als es das Haus dann schließlich verließ, starb die Mutter. „Es ist oft so, dass Sterbende sich nicht verabschieden können, wenn die Angehörigen so klammern. Sie brauchen ein bisschen Ruhe für sich“, erklärt Dettmann, „und wollen den Angehörigen keinen Schmerz zufügen“. Ähnliches hat auch schon Weiner beobachtet: „Viele Menschen haben gerne einen Moment der Ruhe, wenn sie dann tatsächlich gehen.“
Das bestätigt auch Michaela Kassube, die seit etwa eineinhalb Jahren im Praxiseinsatz ist. „Meistens sterben Menschen dann, wenn man mal kurz auf Toilette geht oder mal kurz hinausgeht, zum Durchatmen“, sagt die 60-Jährige. „Jeder geht individuell. Jede Geburt ist individuell. Und so ist auch das Sterben für jeden individuell: Jeder stirbt auf seine Weise.“
Rituale, um das Private vom Ehrenamt zu trennen
Doch wie schaffen es die Ehrenamtlichen, die oft auch ergreifenden Fälle nicht zu nah an sich heranzulassen? Einige haben dafür eine Art Ritual entwickelt. Weiner beispielsweise erzählt, für sie sei das Anheften und Abnehmen des Namensschildes eine Möglichkeit, in ihre Rolle zu schlüpfen. Wenn sie es ansteckt, versuche sie alles hinter sich zu lassen und ganz präsent zu sein.
Kontakt zum ambulanten Hospizdienst
Wer Interesse daran hat, sich selbst beim ASB zu engagieren, findet hier weitere Informationen.
Auch bei der Caritas gibt es einen ambulanten Hospizdienst.
ASB-Koordinatorin Christiane Pröllochs ist außerdem direkt über die E-Mail-Adresse hospiz@asb-rhein-neckar.de oder unter der Telefonnummer zu erreichen. rad
Kassube erklärt, sie sehe es als eine Art Energieaustausch. Wenn sie nach Hause gehe, gebe sie den Menschen das zurück, was ihnen gehöre und hole zurück, was ihr selbst gehöre. Ähnlich ist es bei Dettmann: Sie putzt ihre Füße ab, wenn sie zu Begleitenden geht. Wenn sie dann wieder nach Hause komme, mache sie dasselbe.
Begleitungen durch ambulanten Hospizdienst in Mannheim „so bunt wie das Leben“
Jens Nußbaumer ist seit ungefähr einem Jahr dabei. Im Moment begleitet er seine sechste Person. Was sich genau bei den Besuchen abspielt, ist ganz unterschiedlich. Oft geht es um die Biografie der sterbenden Personen. Manchmal sitzt man einfach im Raum und ist da, erzählen die Ehrenamtlichen. „Was ich persönlich sehr gerne mache, ist Gitarre und Ukulele spielen“, erzählt Nußbaumer. Musik sei für viele Personen sehr wichtig. Doch: „Diese Begleitungen sind so bunt wie das Leben. Ich gehe durch die Tür und schaue erst mal: Was erwartet mich da.“
Ein buntes Leben hatte auch die Frau, deren Angehöriger von seinen Erfahrungen mit dem Hospizdienst berichtet. Um sich einen Lebenstraum eines eigenen Gartens zu erfüllen, zieht das Paar in das ehemalige Haus des Vaters von Freiburg nach Mannheim. Die Frau ist da bereits lange an Krebs erkrankt – und erfährt im „MM“ vom ambulanten Hospizdienst des ASB. Sie schickt ihren Mann zu einer Podiumsdiskussion, wo er Christiane Pröllochs – eine der zwei Koordinatorinnen beim ambulanten Hospizdienst des ASB – kennenlernt. Kurze Zeit später werden die beiden von einer Ehrenamtlichen begleitet.
Auch in diesem Fall kümmert die sich viel um den Angehörigen, und nicht nur um seine Frau. „Meine Frau hat gesagt: ‚Ich merke, du unterhältst dich gut mit ihr. Ich habe sie, glaube ich, gar nicht so nötig. Ich glaube, sie kommt, damit du eine Gesprächspartnerin hast.‘“ Gute Gespräche haben sie geführt, erzählt der Angehörige, es habe sich total vertraut angefühlt. Seine Frau verstarb schließlich im eigenen Wohnzimmer, mit Blick auf ihren Garten.
Vorbereitungskurs mit Praktikum beim ASB Mannheim
Um Personen in ihren letzten Monaten und Wochen begleiten zu können, müssen die Ehrenamtlichen vorher einen Vorbereitungskurs besuchen. Davor nehmen sie an einem Orientierungsseminar teil. Darin können die Interessierten schon mal ausloten, wie es ihnen mit dem Thema Tod und Sterben geht und ob sie die Arbeit interessant finden, erklärt Pröllochs. Ab Januar dann beginnt der Vorbereitungskurs. Zwischen Orientierungsseminar und Vorbereitungskurs finden außerdem Einzelgespräche mit den Koordinatorinnen statt.
Der Kurs hat einen Zeitumfang von 100 Stunden an fünf Wochenenden und einigen Abenden. Außerdem machen die Teilnehmer ein Praktikum von 20 bis 40 Stunden, besuchen dabei etwa Sterbende im Pflegeheim und bekommen Einblicke in die häusliche Begleitung. Sie sind allein bei den Personen, werden jedoch eng betreut.
Gruppenabende und Supervision beim ASB Mannheim
Doch welche Voraussetzungen sollte man mitbringen, um sich beim ambulanten Hospizdienst des ASB engagieren zu können? „Grundsätzlich kann jeder Mensch einem sterbenden Menschen beistehen“, sagt Pröllochs. Dieses Ehrenamt aber erfordere hohe Achtsamkeit und man solle natürlich bereit sein, sich mit dem Thema Tod und Sterben auseinanderzusetzen – auch in der eigenen Biografie. Die Ehrenamtlichen sollten außerdem bereit sein, mindestens etwa zwei bis drei Stunden in der Woche in ihr Amt zu investieren.
Im Moment sind 40 Ehrenamtliche in diesem Bereich beim ASB engagiert. Jeden Monat gibt es einen Gruppenabend, wo sich die Engagierten untereinander austauschen können. Jeden zweiten Monat gibt es dann noch ein Supervisions-Angebot für die Ehrenamtlichen. Doch natürlich sind die beiden Koordinatorinnen Christiane Pröllochs und Doris Detering auch sonst erreichbar.
Eine wichtige Rolle im Leben seiner Frau habe Musik und Tanz gespielt, erzählt der Angehörige, worüber sie auch mit ihrer ehrenamtlichen Begleitung gesprochen haben. Sogar kennengelernt habe er seine Frau beim Tanzen, erzählt er. Jetzt, nach ihrem Tod, hat auch er wieder zurück zum Tanz gefunden: Er ist wieder zurück in Freiburg und tanzt dort jede Woche mittwochs. „Ich tanze jetzt durch das Leben“, sagt der Angehörige.
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