Interview

Bürgermeister Grötsch geht: Ein Gespräch über die Mannheimer City und die Millionen fürs Theater

Nach 16 Jahren endet die Amtszeit des Mannheimer Dezernenten Michael Grötsch. Im Interview spricht er über Schwierigkeiten bei der Versorgung von Geflüchteten - und er hat eine klare Forderung ans Nationaltheater

Von 
Timo Schmidhuber
Lesedauer: 
Zum 1. März übergibt Michael Grötsch (Bild) das für Wirtschaft, Arbeit, Soziales und Kultur zuständige Dezernat II an Nachfolger Thorsten Riehle. © Thomas Tröster

Mannheim. Herr Grötsch, seit 16 Jahren sind Sie jetzt Bürgermeister für Wirtschaft, Arbeit, Soziales und Kultur. Der thematische Zuschnitt Ihres Dezernats dürfte deutschlandweit einzigartig sein. Welches der vier war das schwierigste Themenfeld?

Michael Grötsch: Die Themenfelder sind alle für sich genommen bedeutsam und bringen jeweils eigene Herausforderungen mit sich. Im Bereich Wirtschaft war das wichtigste und am breitesten aufgestellte Projekt die Einführung der neuen wirtschaftspolitischen Strategie. Im Sozialen war die Sicherung des kommunalen Einflusses auf die Arbeitsmarktpolitik über die Jobcenter ein wesentlicher Meilenstein. Die Flüchtlingskrisensituation 2015 sowie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, in dessen Folge ebenfalls viele Geflüchtete zu uns kamen, forderten ein hohes Engagement für die Unterbringung und Versorgung der Menschen.

Wie klappt es denn im Moment, die vielen Geflüchteten in Mannheim unterzubekommen?

Grötsch: Unser vorrangiges Ziel ist, keine Sporthallen als Notunterkünfte zu belegen. Das bekommen wir nach wie vor hin. Wir bauen sukzessive Platzkapazitäten an verschiedenen Standorten in der Stadt auf. Die Suche nach und die Anmietung von entsprechenden Unterbringungsmöglichkeiten ist allerdings herausfordernd.

Die Beantwortung Ihrer Frage hängt auch davon ab, bis wann die Sanierungsarbeiten der Landeserstaufnahmestelle (LEA) in der Industriestraße abgeschlossen sein werden. Als Standort einer LEA werden uns als Kommune weniger Geflüchtete zugewiesen.

Kommentar Grötschs Amtszeit in Mannheim: Flüchtlingsströme und neuer Wirtschaftsstandort

Veröffentlicht
Kommentar von
Timo Schmidhuber
Mehr erfahren

Wie optimistisch sind Sie denn, dass die LEA in absehbarer Zeit wieder zur Verfügung steht?

Grötsch: Wir gehen aktuell davon aus, dass es bis 2025 soweit ist. Bauherr ist das Land. Wir als Stadt können den Zeitpunkt der Fertigstellung daher nicht beeinflussen.

Geflüchtete aus der Ukraine bekommen mehr Sozialleistungen als Menschen aus anderen Ländern, was von denen wiederum viele als ungerecht empfinden und was bisweilen zu Streit führt. Wie beobachten Sie das?

Grötsch: Ukrainische Geflüchtete bekommen in der Tat direkt Bürgergeld. Das war eine Entscheidung, die auf Bundesebene getroffen wurde. Ob sie richtig war, darüber kann man streiten.

Oft ist zu hören, dass die Integration von ukrainischen Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt in Deutschland nicht so gut klappe wie in anderen Ländern. Was kann man da als Stadtverwaltung machen?

Grötsch: Die Vertriebenen aus der Ukraine sind eine heterogene Gruppe. Verallgemeinert kann aber festgestellt werden, dass sie eine gute Grundbildung haben. Viele von ihnen besitzen hochwertige Hochschul- und Berufsabschlüsse. Hemmschuh der Integration sind die Zugänge zum Arbeitsmarkt aufgrund fehlender deutscher Schul- und Berufszertifikate. Hier müssen die Anerkennungsverfahren grundlegend vereinfacht werden.

Auch die Bereitschaft von Arbeitgebern, Ukrainerinnen und Ukrainer mit begrenzten Sprachkenntnissen einzustellen, ist im konkreten Einstellungsfall begrenzt. Mit Blick auf die Vermittlung in Arbeit hat das Jobcenter mehrere Jobmessen durchgeführt, um ukrainische Geflüchtete und lokale Unternehmen in Kontakt zu bringen. Beispielhaft für die Arbeitsmarktintegration sind auch Projekte wie „Future Tram Ukraine“ in Kooperation mit der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH oder die „Hackschool Ukraine“ gemeinsam mit dem Mannheimer Start-up Hackathon Company.

Ich bin mir sicher, dass wir es schaffen, das Theater sehr gut und in einem angemessenen Kostenrahmen zu sanieren.

Lassen Sie uns zur Kultur kommen. Das größte Projekt in Ihrem Dezernat ist die laufende Sanierung des Nationaltheaters. Im Jahr 2028 soll sie abgeschlossen sein, als Kosten wurden zuletzt rund 340 Millionen Euro genannt, inklusive Ersatzspielstätten. Bleiben wir im Zeit- und Kostenrahmen?

Grötsch: Die Geschäftsstelle Generalsanierung des Nationaltheaters Mannheim steuert das Projekt von Beginn an mit äußerster Sorgfalt. Allerdings lassen sich Kosten und Zeitplan im Voraus nur schwer exakt kalkulieren, da es bei einem Projekt dieser enormen Dimension immer unvorhersehbare Unwägbarkeiten geben kann oder globalen Entwicklungen sich nicht prognostizieren lassen.

Es wäre aber ungewöhnlich, auf Kostenberechnungen vorab eine gegriffene Summe aufzuschlagen. Ich bin mir sicher, dass wir es schaffen, das Theater sehr gut und in einem angemessenen Kostenrahmen zu sanieren.

Hat Ihr Kollege, Finanz-Bürgermeister Volker Proffen, für Mehrkosten schon Geld zur Seite gelegt?

Grötsch: Da ist weniger Herr Proffen entscheidend, sondern der Gemeinderat. Der hat ja zu Recht bei der letzten Kostensteigerung angemerkt, dass da jetzt aber nichts mehr obendrauf kommen darf. Das würden wir gerne garantieren, aber das geht eben nun mal nicht. Bei alldem muss man ja aber auch immer überlegen, was die Alternative zur Sanierung gewesen wäre.

Sagen Sie es uns …

Grötsch: Wir mussten eine Entscheidung treffen, und für uns ging die klar in Richtung Sanierung. Das Nationaltheater ist eine identitätsstiftende Einrichtung, das Haus am Goetheplatz steht als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung unter Denkmalschutz.

Bei einem Neubau hätten wir nicht nur einen neuen Standort suchen müssen, sondern auch eine Nachnutzung für das bestehende Gebäude am Goetheplatz. Und wir haben es ja auch geschafft, Geld für die Sanierung zu bekommen: 80 Millionen vom Bund und 40 vom Land – das ist bisher die höchste Einzelförderung in der Geschichte der Stadt Mannheim.

Stationen von Michael Grötsch

  • Der CDU-Politiker Michael Grötsch, 66, ist im März 2008 vom Mannheimer Gemeinderat zum Bürgermeister für Wirtschaft, Arbeit, Soziales und Kultur gewählt worden.
  • Acht Jahre später folgte die Wahl für eine zweite Amtszeit, die nun am 29. Februar endet. Sein Nachfolger wird der SPD-Politiker Thorsten Riehle.
  • Grötsch wuchs in Kaiserslautern auf, nach dem Jurastudium in Tübingen und Frankfurt arbeitete er zunächst als Anwalt in Frankfurt, ehe er Anfang der 90er Jahre nach Dresden ging, wo er lange eine eigene Kanzlei hatte.
  • Viele Jahre war Grötsch in Dresden auch Vorsitzender der dortigen CDU-Fraktion im Stadtrat.
  • Er ist verheiratet mit der Anwältin und Steuerberaterin Claudia Brünnler-Grötsch. Das Paar hat drei erwachsene Töchter. imo

Wie hoch ist denn die Identifikation der Mannheimer mit dem Theater überhaupt noch?

Grötsch: Dass das Theater identitätsstiftend ist, ist ein subjektiver Eindruck, den ich habe. An den Besucherzahlen können Sie es momentan nicht festmachen, weil die wegen der unterschiedlichen Ersatzspielstätten und nach den Corona-Einschränkungen eine ganz andere Situation widerspiegeln. Erwähnenswert ist aber sicherlich, dass zahlreiche Produktionen des Nationaltheaters in den zurückliegenden Jahren mit Preisen ausgezeichnet und zu renommierten Festivals eingeladen wurden. Meiner Einschätzung nach ist das auf jeden Fall Beleg dafür, dass das Nationaltheater hervorragende künstlerische Leistungen und ein wertvolles kulturelles Angebot bereithält, welches auch überregional wahrgenommen wird.

Bei der Frage nach der Identifikation geht es ja auch darum, ob man das Theater nach der Sanierung wieder konstant voll bekommt.

Grötsch: Das hängt maßgeblich auch davon ab, welches Programm im Theater gespielt wird. Und da ist die Erwartungshaltung klar, dass unser Theater keine reine Selbstverwirklichung der Intendantinnen und Intendanten sein darf. Meiner Auffassung nach ist ein ausgewogener Mix an Programmen, die verschiedene Zielgruppen ansprechen, wichtig. Das Theater muss auf das Publikum zugehen – es darf auch mal einen sogenannten Blockbuster spielen.

Mannheim hat zweistellige Millionenbeträge in die Hand genommen, um Ersatzspielstätten zu schaffen. Eine davon, OPAL, die Oper am Luisenpark, ist weiter nicht fertig. Hätte man statt auf teure Ersatzspielstätten rückblickend lieber doch auf bestehende Hallen oder Kulturhäuser in den Stadtteilen ausweichen sollen?

Grötsch: Die Entscheidung mit den Ersatzspielstätten war richtig. Wäre die bedauerliche Situation der Insolvenz bei Opal nicht eingetreten, würden wir über diese Frage, glaube ich, auch nicht diskutieren müssen. Die Insolvenz ist ärgerlich – aber es wäre auch keine Option gewesen zu sagen, dass wir bei dem Projekt zwischendrin die Reißleine ziehen, nachdem wir bereits zwölf Millionen investiert haben.

Die Fertigstellung von OPAL haben wir in einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung einem Rückbauszenario gegenübergestellt. Bei Fertigstellung haben wir die Chance, die Konstruktionen von OPAL nach Abschluss der Generalsanierung anderweitig als Spielstätte zu nutzen beziehungsweise an Dritte zu veräußern. Deshalb werden wir die Oper zu Ende bauen. Nach jetzigem Stand soll sie im Herbst fertig werden. Beim einem geplanten Ende der Generalsanierung 2028 können wir die Oper noch vier Jahre nutzen.

Der Verkehrsversuch war tödlich, das kann man nicht mehr machen.

Lassen Sie uns zur Wirtschaft kommen. Über die Innenstadt ist viel diskutiert worden. Was muss aus Ihrer Sicht getan werden, um wieder mehr Menschen in die City zu locken?

Grötsch: Wir haben mittlerweile wieder eine starke Belebung bei dem Thema und auch viele Einzelhändlerinnen und Einzelhändler, die sich zur Innenstadt bekennen. Derzeit wird das frühere Cineplex-Kino umgebaut, die ÖVA-Passage ist hervorragend geworden – um nur zwei Beispiele zu nennen. Als Stadtverwaltung haben wir natürlich nicht so viele Einflussmöglichkeiten auf die Mietpreisgestaltung in der Innenstadt. Wir können nur an die Eigentümer appellieren, nicht die Dollarzeichen im Auge zu haben und einfach jemanden auszuwählen, der möglichst viel Miete bezahlt. Wichtig ist doch, dass ich einfach nachhaltig eine Qualität in mein Geschäft bekomme.

Unsere Aufgabe ist es, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sie passen. Natürlich sind Sicherheit und Sauberkeit in der Innenstadt in diesem Zusammenhang ganz wichtige Themen. Und die Erreichbarkeit. Der Verkehrsversuch war tödlich, das kann man nicht mehr machen. Die Innenstadt bietet sich nicht an, um Operationen am offenen Herzen durchzuführen und einfach zu probieren.

Wie bewerten Sie die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt?

Grötsch: Ich glaube, dass die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt gestiegen ist, seitdem die Planken saniert worden und die Nebenstraßen fertig sind. Dafür spricht auch das Ergebnis der letzten Passantenbefragung, die im Herbst 2022 durchgeführt wurde. Die Attraktivität der Innenstadt wurde mit der Schulnote 2,2 bewertet – damit schnitt Mannheim einerseits im Vergleich zu den teilnehmenden Städten der gleichen Größenklasse überdurchschnittlich ab, andererseits wurde Mannheim im Zeitverlauf der seit 2014 alle zwei Jahr stattfindenden Befragung von mal zu mal attraktiver bewertet.

Mehr zum Thema

Kultur

Baut das Nationaltheater Mannheim die Ersatz-Oper selbst fertig?

Veröffentlicht
Von
Peter W. Ragge
Mehr erfahren
Sanierung

Nationaltheater Mannheim: Sorge vor höheren Kosten

Veröffentlicht
Von
Peter W. Ragge
Mehr erfahren
Zwei Jahre Ukraine-Krieg

So sieht das Leben der Mannheimer Ukraine-Geflüchteten auf Columbus aus

Veröffentlicht
Von
Sebastian Koch
Mehr erfahren

Gilt das auch für die Breite Straße?

Grötsch: Da ist Handlungsbedarf vorhanden, was die Sauberkeit und den Zustand betrifft. Die Attraktivität hängt natürlich auch von den Geschäften ab.

Der Wirtschaftsstandort Mannheim hat sich stark gewandelt. Eher weg von der industriellen Produktion und hin zu mehr Dienstleistungsangeboten. Fürchten Sie um den Industriestandort?

Grötsch: Nein, weil wir einfach immer noch viele Unternehmen haben, die hier in Mannheim Geld investieren. Zum Beispiel Roche, die auf ihrem Gelände 1,915 Milliarden investiert haben und weiter investieren wollen. Wir haben nach wie vor knapp 200 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Mannheim, das ist viel. Und unsere Hochschulen mit ihren insgesamt über 30 000 Studierenden bieten Unternehmen auch jede Menge Potenzial, hier auch künftig Arbeitskräfte zu finden.

Trotzdem gibt es in Mannheim jede Menge Menschen, die Sozialleistungen empfangen . . .

Grötsch: Ja, das ist ja für jede Kommune nach wie vor ein Problem. Wir sind das Oberzentrum in der Metropolregion und haben einen hohen Anteil an sozialem Wohnungsbau. Die Mannheimer Stadtteile unterscheiden sich hinsichtlich der Quote der Menschen, die Sozialleistungen beziehen. Deshalb haben stadtteilorientierte Handlungsansätze des Jobcenters eine große Bedeutung wie beispielsweise in der Neckarstadt-West. Es geht dabei auch darum, Hemmnisse bei der Vermittlung in den Arbeitsmarkt – wie zum Beispiel fehlende Sprachkenntnisse – durch Angebote der Sprachförderung entgegen zu wirken.

Bei den zwei wichtigen Themen Nationaltheater und Geflüchtete war und ist es häufig so, dass nicht Sie in der Öffentlichkeit gesprochen haben, sondern der Oberbürgermeister, der aktuelle wie der vorherige. Hat Sie das gestört?

Grötsch: Ich habe mich durchaus gut wahrgenommen und zu Wort gekommen gefühlt. Und es wäre umgekehrt ja auch schwierig, wenn sich der Oberbürgermeister bei diesen Themen nicht selbst einbringen wollte.

Sie kandidieren für die CDU für den Gemeinderat. Haben Sie Angst, dass Ihnen der Ruhestand langweilig wird?

Grötsch: Das habe ich sehr gut abgewogen, als ich dann nach mehrmaligen Nachfragen meine Zusage für die Kandidatur gegeben habe. Ich war bereits während meiner Zeit in Dresden Stadtrat sowie CDU-Fraktionsvorsitzender und bin mit dem Engagement, das hinter dieser Aufgabe steckt, daher sehr gut vertraut

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke