Erinnerungskultur

Bürger-Ideen für neue Straßennamen in Mannheim-Rheinau-Süd

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Konstantin Groß
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Bernhard Grzimek. © dpa

Mannheim. Man staunt, zuweilen schüttelt man auch den Kopf, wer da so alles vorgeschlagen wird: Bernhard Grzimek, der Fernseh-Tierprofessor aus den 1970er Jahren, und Hardy Krüger, der kürzlich verstorbene Filmstar mit Farm in Tansania, sind ja gerade noch nachvollziehbar. Aber auch Bud Spencer und Lara Croft sind im Angebot. 143 Vorschläge für neue Straßennamen in Rheinau-Süd sind nach Angaben der Stadt bis zum Ende der Frist am Sonntag eingegangen, 137 online und sechs postalisch.

Im Februar hatte der Gemeinderat mit breiter Mehrheit beschlossen - nur zwei der 49 Mitglieder waren dagegen -, die Gustav-Nachtigal-, die Leutwein- und die Lüderitzstraße sowie den Sven-Hedin-Weg umzubenennen. Um die neuen Namen zu finden, wurde ein aufwendiges Beteiligungsverfahren aufgelegt.

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Zwei Wochen lang waren alle Bürger Mannheims aufgerufen, ihre Namensvorschläge zu unterbreiten. Zentrale Vorgabe: „Der Name soll dem Taufbezirk (Gebiet mit thematisch einheitlichen Benennungen) entsprechen.“ Bislang ist der betreffende Bereich Naturforschern vorbehalten, inzwischen aber zumindest auf „Repräsentanten des interkulturellen Austausches“ erweitert.

Nur wenige Naturforscher

Doch nur die wenigsten halten sich an diese Vorgabe. So etwa eine nicht benannte Gruppe, die - ebenfalls nicht oft der Fall - immerhin zur Hälfte Frauen aufführt: die österreichische Weltreisende Ida Pfeiffer (1797-1858) und die schweizerische Wüstenentdeckerin Isabelle Eberhardt (1877-1904). Einige Teilnehmer drehen in Sachen Forscher und Entdecker das ganz große historische Rad, nennen Weltumsegler Marco Polo oder Polarforscher Roald Amundsen, aber auch den den Astronauten Neil Armstrong.

Hardy Krüger. © dpa

Andere interpretieren die Vorgabe „Naturforscher“ eher populärwissenschaftlich: Ein Siedlerehepaar aus der Leutweinstraße schlägt Personen vor, „die Afrika uns in positiver Art näher gebracht haben“. Und sie nennen dabei Bernhard Grzimek, Jane Goodall, Hardy Krüger, Heike Behrend und Dian Fossey.

Mehrere Teilnehmer legen den Schwerpunkt der Taufbezirk-Vorgabe auf die „Repräsentanten des interkulturellen Austauschs“. Sie plädieren für die vom Arbeitskreis Kolonialpolitik vorgeschlagenen Jakob Morenga, Miriam Makeba, Rudolf-Manga Bell und Anna Mungunda.

Geistliche, Musiker und Sportler

Einen bislang nicht genannten und zu Unrecht vergessenen Anti-Apartheid-Kämpfer bringt Thorsten Langscheid aus dem Casterfeld ins Gespräch: Anton Lubowski (1952-1989), Rechtsanwalt, mutmaßlich im Auftrag des südafrikanischen Geheimdienstes ermordet.

Doch „viele Vorschläge erfüllen nicht die veröffentlichten Kriterien“, teilt Stadt-Sprecherin Klara Scheffler nach einer ersten Durchsicht mit. Das gilt für Kommunalpolitiker, Geistliche, Musiker oder auch Seen.

„Auch wenn er kein Forschungsreisender war und die Wartefrist noch nicht abgelaufen ist, so würde ich trotzdem gerne Winfried Höhn ins Spiel bringen“, schreibt Rolf Ries über den vor einem Jahr verstorbenen Rheinauer SPD-Stadtrat: „Ohne sein Engagement würde es Rheinau-Süd in seiner heutigen Form gar nicht geben.“ Sein CDU-Kollege Valentin Gremm wird ebenso vorgeschlagen wie Willi Sinn, der legendäre Metzgermeister aus Rheinau-Süd.

Genannt werden auch Persönlichkeiten anderer Bereiche aus Rheinau. So die Geistlichen Erich Rappenecker, Rudolf Zöbeley und Robert Zollitsch. Zu Ehren kommen auch Künstler mit Verbindung zu Mannheim: Joy Fleming und Bernd Clüver, der in der Lange-Rötter-Straße wohnte, aber auch Musiker wie Wolfgang Lauth und Jochen Brauer, und sogar Miles Davis.

Mannheimer Größen aus dem Sport sind ebenfalls unter den Kandidaten: Fußball-Idol Sepp Herberger sowie die Boxer Karl Mildenberger und Charly Graf, aber auch Rad-Profi Rudi Altig.

Doch mancher hegt grundsätzliche Skepsis gegen Personennamen. „Irgendwo liegt immer eine L … im Keller“, bringt es Anton Markmann aus der Nachtigal-Straße auf den Punkt: „Da hier bereits schon Straßen mit Seenamen bestehen, wäre es sinnvoll, dies weiter zu führen.“ Oft genannt werden Bodensee, Wolfgangsee, Mondsee und Fuschlsee.

Mehrere Teilnehmer greifen die Geschichte der Siedlung auf. Da sie von der BASF gegründet wurde, nehmen sie Bezug auf die Anilin im Speziellen und Ludwigshafen im Allgemeinen: Blies-, Willersinn-, Melm- oder Jägerweiherstraße. Auch andere rekurrieren auf die Ortsgeschichte: „Jeder Garten war mit Obstbäumen wie Quitte, Apfel, Pflaume, Mirabelle und im Vorgarten mit einem Kirschbaum bestückt“, erinnert einer und schlägt vor, „mit o.g. Obstsorten zu benennen, da diese völlig ohne negative Interpretation sind.“

Inhaltlicher Bezug zur Siedlung

„Dieser Ortsteil hatte schon immer einen Bezug zu den Rheinauen“, argumentiert Hans Zillhardt: „Deshalb sollte die Nähe zum Rhein Berücksichtigung finden. Es wären makelfreie Namen mit direktem Bezug zum Wohngebiet“, schreibt er und nennt Wasserwiese-, Rheinauen-, Baggersee- und Seestraße.

Andere wollen noch allgemeiner bleiben, wünschen sich Marktplatz-, Siedler- oder Ortskernstraße. Wieder andere orientieren sich in unverdächtigen Bereichen wie der Pflanzen- oder Tierwelt, letzteres durchaus mit Bezug zu Afrika: Elefant, Löwe, Leopard, Büffel, Nashorn.

Doch es gibt auch Menschen, die sich Namen mit Tiefgang wünschen und dies begründen: „Ich finde, dass in Sofiastraße umbenannt werden sollte“, schreibt ein Teilnehmer: „Der weibliche Vorname Sofia bedeutet die Weise. Ich finde, dass die Bedeutung eine Inspiration sein sollte.“ Noch mehr Inspiration verspricht sich ein anderer Absender: „Ich finde, dass die Straßen nach den Propheten umbenannt werden sollten“, wünscht er: „Die fünf größten Propheten sind: Noah, Abraham, Moses, Jesus und Mohammad.“

Abstimmung noch dieses Jahr

Das Meiste scheint kaum möglich. „Vorschläge, die nicht nach Personen benannt sind, können nicht dem Taufbezirk entsprechen“, macht Stadt-Sprecherin Scheffler klar. Zwar gebe es Ausnahmen, aber nur unter strengsten Bedingungen. Dass diese in den vorliegenden Fällen erfüllt sind, „ist aber unwahrscheinlich“, so die Stadt-Sprecherin. Doch alle Vorschläge würden jetzt eingehend geprüft, noch dieses Jahr sollen die Mannheimer abstimmen.

Andere sehen das Ganze ohnehin eher als Gag, wie das Wortspiel eines Teilnehmers offenbart: Am Terence-Hill, Bud-Spencer-Allee oder Lara- Croft-Weg. „An der Gustav-Nachtigal-Straße gibt es einen Kindergarten ‚happy-baby‘, formuliert ein anderer: „Also vielleicht ’Happy-Baby- Straße’. Klingt sehr freundlich.“

Einigen passt die ganze Aktion nicht: „In dem betroffenen Stadtteil sind über 96 Prozent der Bürger für die Beibehaltung der alten Straßennamen“, mahnt Ralph Sendler in Richtung Stadt: „Also belassen Sie es dabei und suchen nicht nach neuen Straßennamen entgegen dem Willen der betroffenen Bürger.“

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