Hermann Hesse hat uns die Weisheit hinterlassen: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“ Das gilt sogar für eine so profane Angelegenheit wie die Suche nach vier neuen Straßennamen in Rheinau-Süd. Nach zwei Jahren quälenden Streits über die Umbenennung beginnt ein spannender Prozess. Aber auch er ist nicht ohne Fallstricke.
Doch zunächst ist, ganz im Sinne von Hesse, eine wahre Aufbruchstimmung zu konstatieren. Man hört von ehrenamtlichen Organisationen und von interessierten Einzelpersonen, die sich Namen überlegen, über sie im Internet recherchieren. Bürgerbeteiligung, wie man sie sich wünscht. Und beim Thema Straßenbenennung eher selten, wenn nicht gar einmalig in Deutschland, wie Experten bestätigen.
Soweit das Positive. Die Kritik beginnt bei der konkreten Form der Beteiligung, die ungeachtet der möglichen postalischen Wege digital geprägt und daher nicht repräsentativ sei. Jüngere, akademisch gebildete, online aktive, politisch mehrheitlich liberale Gruppen würden überrepräsentiert gegenüber älteren, eher traditionsgebundenen Menschen.
Eine andere Frage ist noch spannender: Wie gewichtet man das Abstimmungsergebnis der einzelnen Bereiche? Was wird entscheidend sein: Das Ergebnis in den vier betroffenen Straßen? Im Ortsteil Rheinau-Süd? In ganz Rheinau? In ganz Mannheim?
Der Oberbürgermeister hat angekündigt, das Abstimmungsergebnis nach Stadtteilen auszuweisen. Politiker aller Parteien versprechen, die „Meinung der Betroffenen zu berücksichtigen“. Doch was das konkret bedeutet - davor drückt sich die Politik.
Denn was geschieht, wenn das Ergebnis vor Ort anders ausfällt als im Rest Mannheims? Wenn die Menschen in Rheinau-Süd konzentriert ihre Lieblingslösung „Seen“ pushen, stadtweit jedoch dank der erfolgreichen Mobilisierung der Befürworter die Repräsentanten des interkulturellen Dialogs an absoluten Stimmen die Nase vorne haben?
Egal wie die Politik dann entscheidet: Sie kann nur verlieren. Folgt sie dem stadtweiten Votum, verfestigt sich die vor Ort bereits massive Proteststimmung; denn in Rheinau-Süd versteht man unter „Berücksichtigung“ natürlich, dem hiesigen Votum zu folgen. Folgt man dem jedoch, dann stellt sich für den Rest der Mannheimer die Frage nach dem Sinn der stadtweiten Abstimmung. Die Folge wäre Ernüchterung über eine eigentlich positive Aktion.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Neue Straßennamen: Bürgerbeteiligung hat auch Fallstricke
Konstantin Groß zur Suche nach neuen Straßennamen