Die Vorschlagsfrist für neue Straßennamen in Rheinau-Süd ist abgelaufen. Im schmerzhaften Prozess für eine angemessene Erinnerungskultur in Mannheims Süden ist eine weitere Etappe erreicht. Doch jetzt werden auch die vielen Probleme dieses Verfahrens offenkundig.
Die erste Beobachtung betrifft die Reichweite: 143 Einzelpersonen und Gruppen haben sich an dieser stadtweiten Aktion beteiligt - nicht viel für eine Stadt mit gut 300 000 Einwohnern.
Aus den Texten ist erkennbar, dass vor allem zwei gut organisierte Lager ihre Anhänger mobilisiert haben: die Siedlergemeinschaft Rheinau-Süd und der Arbeitskreis Kolonialgeschichte. Daneben gibt es Einzelpersonen, die sich ebenfalls viele Gedanken gemacht haben. Nonsens-Vorschläge wie Bud Spencer bleiben ebenso die Ausnahme wie Gepolter, was das Ganze überhaupt soll.
Das zieht Fragen nach sich: Die Einzelpersonen haben oft nur einen oder zwei Vorschläge gemacht; neu zu benennen sind aber vier Straßen. Nach welchen Kriterien sollen die vorgeschlagenen Namen kombiniert werden - und vor allem: von wem?
Doch das größte Problem: Wer all die Vorschläge betrachtet, der erkennt, dass die bei weitem meisten nicht das vorgegebene Kriterium erfüllen: nämlich den Taufbezirk, der in diesem Gebiet auf Naturforscher und Repräsentanten des interkulturellen Austausches beschränkt ist. Damit werden es die meisten Vorschläge wohl gar nicht in die Abstimmungsrunde schaffen. Das gilt insbesondere für die See-Namen, auf die sich die Siedlergemeinschaft inzwischen festgelegt hat.
Für die Kommunalpolitik ist dies ein riesiges Problem. Gleich, wie sie entscheidet - sie kann nur verlieren. Zwar kann sie theoretisch von ihrer Vorgabe Taufbezirk abrücken, deren Begründung „leichtere Auffindbarkeit der Straßen“ im Zeitalter von Navis ohnehin einen Anachronismus darstellt. Doch in ihrem Schreiben an die Bevölkerung vor Ort hat die Stadt diese Vorgabe zuletzt noch einmal ausdrücklich bekräftigt. Mitten im Spiel die Spielregeln zu ändern, würde bedeuten, die zu bestrafen, die sich im jetzigen Verfahren daran gehalten haben - und damit auch einen Verlust an Legitimität.
Andererseits: Einen Großteil der Namensvorschläge, die in einem Beteiligungsverfahren eingereicht werden, aus diesen formalen Gründen zu verwerfen, würde die Legitimität des Verfahrens ebenfalls dramatisch beeinträchtigen. Vor allem natürlich in Rheinau-Süd. Die befriedende Wirkung, die das Verfahren eigentlich bringen sollte, wäre nicht erreicht. Ganz im Gegenteil.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Erinnerungskultur Bürgerbeteiligung für neue Straßennamen unklar
Konstantin Groß zur Bürgerbeteiligung für Straßennamen