Mannheim. „Ich finde, das muss direkt wieder weg“, sagt Ina Schäfers vom Vorstand des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC), die mit ihren Kollegen Gerd Hüttmann, Robert Hoffmann und René Leicht (Bündnis Radverkehr) zum Ortstermin in die Straße Neckarplatt gekommen ist. Die vier Radverkehrs-Experten schauen sich die gerade fertig gewordene Einmündung des neuen Fahrradschnellwegs an, der aus der Unterführung unter der Feudenheimer Straße in einem „brutalen rechtwinkligen Knick“ (Hoffmann) ins Neckarplatt mündet, um wenige Meter weiter dann in die Straßen In der Anlage bzw. Am Neckarkanal abzuknicken.
„Hier lässt sich exemplarisch zeigen, wie unter dem Titel ’Radschnellweg’ eine Autostraße durch Radfördermittel grundlegend saniert und mit Parkplätzen ausgestattet wurde“, erklärt René Leicht, Altstadtrat der Grünen und Bezirksbeirat in Feudenheim. „Ein Ärgernis“, bemüht er sich um Zurückhaltung. Der Radschnellweg, eigentlicher Sinn und Zweck der Bauarbeiten im Neckarplatt, sei „fast zur Nebensache“ geworden. Dieser Eindruck werde durch die bauliche Gestaltung der Radweg-Einmündung verstärkt: „Die gewünschte Geradlinigkeit und Bevorrechtigung an Knotenpunkten wird nicht etwa dem Fahrrad-, sondern dem Autoverkehr gewährt“, formulieren es Leicht, Hoffmann, Hüttmann und Schäfers.
Kritik stößt bei Stadt Mannheim nicht auf offene Ohren
Tatsächlich: Der Autoverkehr von der Feudenheimer Straße her wird schnurgerade in die Fahrradstraße gelenkt. Rote Farbe auf dem Boden nütze wenig, wenn zudem die Sicht zwischen Fahrrad- und Autoverkehr durch Parkplätze zugestellt ist. René Leicht: „Vollkommen inakzeptabel ist vor allem, dass die in Richtung Unterführung links abbiegenden Radfahrer dem entgegenkommenden Autoverkehr Vorfahrt einräumen müssen.“ Seine drei Mitstreiter schütteln die Köpfe. „Und das auf einem Radschnellweg“, sagen sie und weisen auf die Sichtbehinderungen hin, die von den neu angelegten Autostellplätzen unmittelbar an der Einmündung ausgehen.
Bei der Stadt Mannheim stößt die Kritik indessen nicht auf offene Ohren. Im Gegenteil: „Die am Neckarplatt baulich umgesetzte Lösung wurde mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe abgestimmt. Dazu wurde für den Bereich ein Sicherheitsaudit durchgeführt, welches an dieser Stelle keine Sicherheitsmängel festgestellt hat“, teilt Sprecher Kevin Ittemann aus dem Umweltdezernat von Bürgermeisterin Diana Pretzell (Grüne) mit. Ihr Dezernat ist gemeinsam mit dem Baudezernat von Ralf Eisenhauer (SPD) für Planung und bauliche Umsetzung des Radschnellwegs zuständig.
Die Radverkehrsführung am Neckarplatt sei „gemäß einer Musterlösung aus den Qualitätsstandards des Landes geplant“ worden und sei „der vorhandenen Örtlichkeit geschuldet, da es einen Versatz zwischen der Straße ’Im Neckarplatt’ und der parallel verlaufenden Unterführung gibt“. Ittemann: „Dieser Versatz musste überbrückt werden.“ Der Knotenpunkt wurde daher sowohl baulich angehoben als auch eingeengt und rot markiert.
Bedenken "in keiner Weise aufgegriffen"
Für Autos aus Richtung Süden (vom Neckar her) sei damit die Vorfahrtsregelung klar, da die aus der Unterführung kommende Radschnellverbindung (RSV) „bewusst wie eine Straße ausgestaltet ist“, nämlich in einem dreiachsigen Knotenpunkt. „Die Unterordnung des Radverkehrs in Richtung Norden gegenüber dem Autoverkehr in Richtung Süden (also von der Feudenheimer Straße her) sehen wir an dieser Stelle nicht kritisch“, so Ittemann. Sie bleibe „ohne wesentliche Auswirkungen auf die Reisegeschwindigkeit“ auf dem Schnellweg, da Radfahrer die übergeordneten Autos „gut einsehen und in der Regel die Geschwindigkeit so anpassen können, dass sie beim Linksabbiegen zur Unterführung nicht anhalten müssen.“
Radfahrende Richtung Süden (von der Unterführung kommend ins Neckarplatt rechts abbiegend) haben durch die Rechts-vor-Links-Regelung an dieser Stelle sowieso Vorfahrt. Die Stadt sieht daher keinen Anlass, die Einmündung baulich noch einmal zu verändern.
René Leicht und seine Mitstreiter ärgern sich über diese Aussagen besonders, weil sie bereits im November 2021 - also lange vor Beginn der Bauarbeiten - und seither wiederholt auf die aus ihrer Sicht bestehenden Planungsmängel hingewiesen haben, ihre Bedenken aber „in keiner Weise aufgegriffen“ worden seien. Vor allem die von Ittemann zitierte Musterlösung, so Leicht, beziehe sich auf „eine völlig andere Problemlage“ und sei „gar nicht auf das Neckarplatt anwendbar“. Leicht: „Ohnehin ist die Musterlösung laut Verkehrsministerium explizit nur für ganz bestimmte Ausnahmefälle gedacht - und ein genauerer Blick auf die Erläuterungen zeigt, dass ein solcher Fall hier in Mannheim keinesfalls gegeben ist.“
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Mit einer leichten Verschwenkung der Autofahrbahn, so der Lösungsvorschlag Leichts, und dem Verzicht auf eine geringe Anzahl der sichtbehindernden Parkplätze wäre die tatsächliche und „gefühlte“ Bevorrechtigung des Autoverkehrs aus der Welt zu schaffen - ein auch im Nachhinein noch gangbarer Weg, meinen Schäfers, Hoffmann, Hüttmann und Leicht. Nicht so die Stadtverwaltung: „Wir sind der Auffassung, für diese Kreuzungssituation für alle Verkehrsteilnehmer die verkehrlich beste Lösung gefunden zu haben“, erklärt Kevin Ittemann. Für Ina Schäfers ein absolutes Unding: „So geht’s doch gar nicht“, sagt sie.
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