Mannheim. Derzeit stehen der Wald und der Rohstoff Holz vor allem wegen anhaltender Trockenheit im Fokus der Berichterstattung. Mit Blick auf den Winter ist Brennholz aber auch ein begehrtes Gut, wird doch die meiste eingesetzte Energie ins Heizen von Wohnungen und Häuser gesteckt -und Holz dabei vielfach eingesetzt.
Schon jetzt ist die Nachfrage deutlich gestiegen, berichtet Revierleiter Frank Philipp, der für den Kollekturwald der Evangelischen Stiftung Schönau im Käfertaler Wald zuständig ist. Doch die Nutzung von Brennholz, das dort geschlagen wird, wird kontrovers diskutiert.
Gasverknappung schürt Ängste
Die Gasverknappung und der Krieg in der Ukraine würden aktuell bei den Verbrauchern eine Unsicherheit verursachen. Die Folge: Die Nachfrage nach Brennholz steigt. „Wenn der Bedarf da ist, wollen wir diesen gern befriedigen und der Bevölkerung die Möglichkeit geben, auf Brennholz zurückzugreifen“, sagt Philipp. Mehr Holz werde wegen der gestiegenen Nachfrage im Käfertaler Wald aber nicht geschlagen. Vielmehr werde die Holzernte aufgeteilt und anstatt Industrieholz ein größerer Anteil als Brennholz zur Verfügung gestellt.
Bei einer Waldbegehung erklärt der Revierleiter, welche Bäume demnächst geerntet werden: Es sind jene, die in Konkurrenz zu den sogenannten Zukunftsbäumen stehen und die ohnehin entfernt werden müssen. Man könne mit diesen Bäumen nur zweierlei tun: sie als Totholz liegenlassen oder zu Möbelholz und Brennholz verarbeiten. Obwohl Totholz für den Wald einen großen ökologischen Wert hat, ist Philipp überzeugt, dass die Nutzung des Holzes in der Summe nachhaltiger sei. „Holz zum ökologischen Bauen zu verwenden, ist extrem nachhaltig. Beton hat dagegen eine katastrophale CO2-Bilanz“, meint der Förster.
Die Holzentnahme im Käfertaler Wald sei deutlich zu hoch, kritisiert hingegen Markus Schrade, Vegetationskundler und Feldbotaniker des Aktionsbündnisses Waldwende. „Im Einzelfall ist es nachvollziehbar, wenn Äste am Wegrand abzubrechen drohen, aber das rechtfertigt nicht die große Summe an Holz, die da rausgeholt wurde“, finden die Naturschützer. Sie fordern ein Umdenken. Zwar hätten Stadt und Kirche das Ziel, den Wald umzubauen und einen klimastabilen Wald zu schaffen. Doch die bisherigen Vorgehensweisen hätten eher schlechtere Voraussetzungen für die zukünftige Waldgeneration geschaffen.
Nur 20 Prozent wird verarbeitet
Das Umweltbundesamt wiederum rät generell von der energetischen Holznutzung ab. Nur für begrenzte Mengen an Holz könne eine Treibhausgasneutralität angenommen werden, heißt es aus der zentralen Umweltbehörde. Die Voraussetzung sei, dass für den Ort der Holzernte mindestens eine vollständige Regeneration des Kohlenstoffbestands im zeitlichen Rahmen der geltenden Klimaziele sichergestellt sein müsse.
Die Klimaziele gehen jedoch darüber hinaus. „Der Wald soll als Kohlenstoffsenke erhalten bleiben und diese Leistung möglichst maximiert werden. Dazu darf sogar nur weniger Kohlenstoff entnommen werden als gebunden wird.“
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Dem widerspricht der Revierleiter. Nur 20 Prozent des verwertbaren Teils eines Baumes würden zu Brennholz oder Industrieholz verarbeitet. Aus dem überwiegenden Teil, nämlich 80 Prozent, werden beispielsweise Bretter und Bauholz hergestellt, in denen CO2 für lange Zeit gebunden bleibe und das nachhaltiger als alle anderen Baustoffe sei.
Die Stadt Mannheim als weitere Eigentümerin im Käfertaler Wald sieht das ähnlich. „Über 75 Prozent des im Stadtwald eingeschlagenen Holzes werden stofflich verwertet und von regionalen Sägewerken zu Bauholz, Möbeln oder Spanplatten verarbeitet. Dadurch bleibt das im Holz gebundene CO2 über die Nutzungsdauer des Produkts, das können Jahrzehnte sein, gebunden“, so Kevin Ittemann vom Klima- und Umweltdezernat der Stadt. Rund fünf Prozent des Holzes im Stadtwald wird als Brennholz verkauft.
Insgesamt werden 2200 Festmeter pro Jahr im Käfertaler Wald geschlagen. Die Ernte beschränke sich hauptsächlich auf abgestorbene oder absterbende Bäume. Seit Jahren sterben im Stadtwald allerdings mehr Bäume ab als genutzt werden, dadurch steige der Anteil an stehendem und liegendem Totholz stetig an, heißt es aus dem Rathaus.
Biomasse dient als Dünger
„Es wäre natürlich fatal, einen kompletten Baum herauszunehmen. Da würden wir langfristig eine Devastation, eine Verarmung des Bodens, verursachen“, so Philipp. Bei der Ernte eines Baumes werde jedoch nur der Stamm entnommen. Die meisten Nährstoffe befänden sich in den Blättern, Ästen und der Rinde, so dass zwar 75 Prozent der oberirdischen Biomasse aus dem Wald herausgeholt werden, aber nur 15 Prozent der Nährstoffe. Ein Großteil verbleibe im Wald, verrotte und stehe als Dünger für nachfolgende Waldgenerationen zur Verfügung.
Eine besondere Problematik im Käfertaler Wald zeigt sich bei den Kiefern. Zusätzlich zur Trockenheit der vergangenen Jahre habe sich der wärmeliebende Pilz Diplodia stark verbreitet, der die Kiefer auf den trockenen und sandigen Böden zum Absterben bringe, so das Rathaus. Das fördere wiederum den Befall von Folgeschaden-Organismen wie Pracht- oder Borkenkäfern. „Dieser Pilz und die Borkenkäfer führen aktuell zum großflächigen Ausfall unserer Kiefernbestände“, berichtet Ittemann vom Klima- und Umweltdezernat der Stadt Mannheim.
Das Kiefernsterben wiederum hat zur Folge, dass viel Licht auf den Waldboden fällt. Überall dort wächst die spätblühende Traubenkirsche. „Mit ihrem strauchartigen Wuchs verhindert sie, dass dort noch andere Bäume wachsen können“, so Revierleiter Philipp. Das Herausreißen der Wurzel greife in das Mikroklima des Bodens ein, daran führe jedoch kein Weg vorbei, meint Philipp. Die Zeit bis zum erneuten Austreiben verschaffe den neu gepflanzten, aber langsamer wachsenden Bäumen einen Vorteil in den ersten Jahren, um später „hoffentlich einen geschlossenen Bestand zu bilden und den Neophyten zu verdrängen“.
„Maßnahmen misslungen“
Das Aktionsbündnis Waldwende bewertet die Maßnahmen der Waldeigentümer allerdings als „misslungen“. Durch Kahlschlagflächen hätten sich die Einstrahlungsverhältnisse und das Waldbinnenklima verändert. Die großen Maschinen hätten die Böden verdichtet und damit die Bodenökologie zerstört.
Die Samen und kleinen Wurzeln der Traubenkirsche würden schon wieder austreiben. Es seien erst recht Bedingungen geschaffen worden, der Pflanze ideale Wachstumsbedingungen zu liefern, so Schrade. Die Verantwortlichen hätten es gut gemeint, aber schlecht umgesetzt. Auch Philipp würde die Traubenkirsche gerne loswerden. In Anbetracht der Flächen und der Ausbreitung des Neophyten ist das fast unmöglich. „Wenn der Mensch nicht eingreift, würden die Kieferflächen aufgrund des Klimawandels versteppen.“
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