Polizei - Karfreitag als Auftakt für Polizeikontrollen in Mannheim und Region / 15 Verstöße und drei Strafanzeigen

Breit, tief, laut: Auftakt für die Jagd nach Posern in Mannheim

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Lisa Uhlmann
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Geht gegen lautstarkes Protzen mit teuren und aufgemotzten Autos vor: Verkehrspolizist und Einsatzleiter Ralf Mayer kontrolliert einen Lamborghini-Fahrer in der Kunststraße. © Lisa Uhlmann

Mannheim. Die Lizenz zum PS-starken Posen ist theoretisch für jeden käuflich. Wenn man sich zum Beispiel einen Luxus-Sportwagen leisten kann. Was genau dabei den Unterschied macht, ist deutlich hörbar, als der Lamborghini-Fahrer kurz vor der Kontrollstelle in der Kunststraße die Klappen an seinem Auspuff schließt – per Knopfdruck. Im „Comfortmodus“ verwandelt sich das Motorgeheule blitzschnell in ein tiefes Brummen.

„Das sind noch immer 93 Dezibel. Aber es ist alles eingetragen und damit erlaubt“, stellt Einsatzleiter und Verkehrspolizist Ralf Mayer fest, während sein Blick auf sein Lärmpegelmessgerät fällt. Denn wie laut ein Fahrzeug sein darf, ist nicht einheitlich geregelt. Für unterschiedliche Fahrzeugklassen sind bestimmte Dezibel-Grenzwerte festgelegt. Deshalb dürfen PS-starke und schwere Sportwagen lauter sein als leichte Mittelklasseautos. „Lautstärke kann man kaufen“, weiß der erfahrene Polizist in Jeansjacke.

Karfreitag gilt als Saisonstart

Zwar ist das Protzen mit teuren Autos per se nicht verboten. Dafür aber die Begleitumstände wie ein aufgemotztes Fahrwerk oder ohrenbetäubendes Motorröhren. Letzteres stört besonders die Anwohnenden in den Quadraten massiv. Um das zu verhindern, macht Mayer an diesem Karfreitag mit der Ermittlungsgruppe „Poser“ nun wieder Jagd auf Protzer und ihre Lieblinge.

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Wer den Poser-Jägern ins Netz geht

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Das neunköpfige Team vom Polizeipräsidium Mannheim geht seit sechs Jahren gegen PS-starke Angeber vor – mit Erfolg. Mittlerweile sind die Beamten um Mayer und seinen Kollegen Michael Schwenk als Poser-Jäger bundesweit bekannt. Seit zwei Wochen sind sie hauptsächlich am Wochenende bis nachts im Einsatz, ihr Ziel: Für ein ruhiges Mannheim sorgen. Besonderes Augenmerk liegt jährlich auf dem Karfreitag. In der Szene markiert der Tag, auch „Car-Friday“ genannt, den inoffiziellen Start in die Saison.

Tatsächlich dauert es an diesem Nachmittag nur wenige Minuten, bis die Ermittler in zivil ein auffällig umgebautes Motorrad der Marke Harley-Davidson herauswinken. „Das sind alles Originalteile, die habe ich selbst eingebaut“, erklärt der Motorradfahrer nicht ohne Stolz. Seinen Namen will der Mann mit den Tattoos am Arm zwar nicht verraten. Versichert aber: Bislang sei er noch nie bei einer Kontrolle aufgefallen. In der Zwischenzeit untersuchen die Spezialisten sein Rad in 50er-Jahre-Optik gründlich. Mayer zückt sein Messgerät, das er direkt vor den silbernen Auspuff hält. Ein kurzes Motoraufheulen, ein kritischer Blick – dann gibt der Einsatzleiter den Weg frei. Zehn Dezibel Toleranz räumen die Verkehrspolizisten bei ihren Messungen ein. Die Beamten verbringen die Kontrolle oft kniend, denn fast jeder herausgewunkene Wagen an diesem Tag ist tiefer gelegt. Beim Kontrollieren des Lärmpegels können die Polizisten aber nur das Standgeräusch messen, überprüfen Sound und Ausstattung mit den eingetragen und erlaubten Werten.

Bilanz der Auftaktaktion gegen lautstarke Angeber

  • Seit dem 28. März 2022 ist die neunköpfige Ermittlungsgruppe (EG) Poser im nun siebten Jahr in Folge wieder im Einsatz. Zum Saisonauftakt haben sieben Beamte am Karfreitag zwischen 16 und 24 Uhr insgesamt 39 Fahrzeuge und 63 Personen kontrolliert. Die Kontrollen sollen bis Herbst andauern – auch in Heidelberg und dem Rhein-Neckar-Kreis.
  • Bei 19 Fahrzeugen wurden Beanstandungen festgestellt, in 15 Fällen leiteten die Spezialisten Ordnungswidrigkeitenverfahren ein. Sechs Personen fielen durch unnötige Lärmverursachung auf. Bei acht Fahrzeugen war die Betriebserlaubnis ausgelaufen.
  • Zwei Fahrer wurden ohne Fahrerlaubnis erwischt, einer muss sich wegen Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz verantworten. An neun Fahrzeugen wurden Mängel festgestellt. Die Fahrer müssen diese bis zu einer Frist beheben und ihr Fahrzeug nochmals bei der Polizei vorzeigen.
  • Mehr als 500 Luxuskarossen hat die EG laut Mayer in den vergangenen sechs Jahren beschlagnahmt. Die Besitzer müssen ihre Autos oft für mehrere tausend Euros zurück rüsten. Bei Lärmverstößen droht ein Bußgeld von 80 Euro, wer mit Vorsatz zu laut ist, muss das Doppelte bezahlen. 

Wer besonders gerne mit seiner Karre protzt, weiß Mayer genau: Er kennt nach sechs Jahren jeden Einzelnen persönlich.Die Mannheimer Szene, erklärt der Verkehrspolizist, bestehe aus mehr als 40 Fahrern, hauptsächlich junge Männer zwischen 25 und 35 mit Migrationshintergrund. Bei jedem von ihnen habe er mindestens einmal das Lieblingsfahrzeug beschlagnahmt. „Meistens gilt für solche Autos: breit, tief und laut. Man will zeigen, was man hat. Aber man sollte die Poser nicht mit Rasern verwechseln“, warnt Mayer. Vom BMW über Mercedes bis hin zu hochpreisigen Sportwagen setzt wohl nur der eigene Geldbeutel Grenzen für die Angeberei. Oft finanziert sogar die ganze Familie das Auto mit, erklärt Poser-Jäger Mayer. Mittlerweile, weiß der Beamte, gebe es sogar Autoverleihfirmen etwa in Darmstadt, die einen Audi A 8 schon für rund 800 Euro am Tag vermieten würden.

Umwerben mit der Luxuskarre

Warum aber so viel Geld ausgeben für das bisschen Prahlerei? Wer das Rundendrehen auf der Kunststraße beobachtet, bemerkt: Auffällig oft pfeifen die jungen Fahrer vorbeilaufenden Frauen hinterher, sprechen sie beim Vorbeifahren an - Umwerben mit der Luxuskarre. Auch Mayer ist überzeugt: „Die Masche funktioniert. Da muss nur einer mit einem Acht-Zylinder vorfahren, dann steigt die Frau ein.“

Der weiße VW Golf GTI, den die Beamten gegen 18 Uhr kontrollieren, scheint in die Zielgruppe zu passen. Darauf angesprochen, ob er zum Posen auf der Kunststraße unterwegs sei, winkt der 28-Jährige aber freundlich ab. Er sei kein Poser, sonder nur hier, um Gebäck für das Fastenbrechen im Ramadan für seine Familie zu kaufen. „An meinem Auto ist alles korrekt, der Motor hört sich nur lauter an, als er ist“, sagt der Ludwigshafener.

Sein GTI ist an diesem Tag einer von 39 auffälligen Schlitten und Motorrädern, die die Spezialisten unter die Lupe nehmen. Die Bilanz nach zwei Stunden Kontrolle: Sechs Fahrzeuge waren ohne Betriebserlaubnis unterwegs, ein Fahrer sogar ohne Führerschein. Mannheim, sagt Mayer, sei nach wie vor ein Anziehungspunkt, mittlerweile kämen viele extra aus der Region angefahren. „Die Anzahl der Poser wird nicht weniger, auch nicht im siebten Jahr. Das erschreckt uns", sagt der erfahrene Verkehrspolizist. Zwar wurden die Bußgelder für Verstöße gegen Lärm erhöht. Was darüber hinaus helfen würde, das Poser-Problem zu bekämpfen ? Wenn es nach Mayer geht, sollten Fahrer bei Verstößen zusätzlich einen Punkt im Fahreignungsregister in Flensburg erhalten. Wer mehrmals auffällt, würde dann schnell den Führerschein verlieren.

Nach zweieinhalb Stunden hat sich die Nachricht von der Kontrollstelle samt Standort in der Szene herumgesprochen. Trotzdem geht den Beamten noch ein viel zu lauter blauer Lamborghini ins Netz - dass seine Auspuffklappen weit offen stehen, hören die Spezialisten schon, bevor der Sportwagen in Sichtweite kommt.

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Redaktion Seit 2018 als Polizeireporterin für Mannheim in der Lokalredaktion.

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