Gas-Aus

Bio-Flüssiggas: Schmu oder Lösung für Mannheimer Gas-Aus?

Fast 10.000 Briefe sind in Mannheim verteilt worden, in denen eine vermeintliche Lösung nach dem Gas-Aus angepriesen wird: Was ist wirklich dran? Ein Überblick.

Von 
Martin Geiger
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Wer mit Flüssiggas heizen will, braucht einen Tank, der außerhalb des Hauses installiert wird. © Deutscher Flüssiggas Verband

Mannheim. Mitten im Sommer sorgt in vielen Mannheimer Haushalten das geplante Gas-Aus wieder für Gesprächsstoff. Der Grund: Ein Unternehmen hat in der Stadt ein Werbeschreiben verteilen lassen, in dem es biogenes Flüssiggas als klimafreundliche, günstigere Alternative anpreist. Ein Überblick.

Wer ist der Absender des Werbeschreibens?

Die Firma Rheingas, ein familiengeführtes, mittelständisches Unternehmen, das seinen Sitz zwischen Köln und Bonn, nämlich im nordrhein-westfälischen Brühl hat. Zum Kerngeschäft zählt die Versorgung von Privat- und Gewerbekunden mit Flüssiggas und Bio-Propan. Rund 250 Mitarbeiter kümmern sich eigenen Angaben zufolge um die Belange von etwa 30.000 Kunden.

Was verspricht das Unternehmen?

„Ab 2027 beginnt in Mannheim die schrittweise Stilllegung des Erdgasnetzes“, heißt es da. Darum frage sich mancher Hausbesitzer vielleicht, welche Heizlösung für ihn am besten wäre. „Wir haben die Antwort“, behauptet Rheingas. „Biogenes Flüssiggas (Bio-Propan) – die flexible, umweltfreundliche und kosteneffiziente Alternative zu einer teuren Wärmepumpe.“

Wer hat solche Schreiben bekommen?

Sie wurden nach Angaben einer Sprecherin von Rheingas bislang nur in Mannheim verschickt, und zwar etwa 9300 Mal. Erhalten haben es Personen, die in einem freistehenden Ein- oder Zwei-Familienhaus, einem Reihen- oder Doppelhaus leben – und zwar in jenen Stadtteilen, die laut kommunaler Wärmeplanung langfristig nicht ans Fernwärmenetz angebunden werden und wo zum Heizen überwiegend fossile Brennstoffe im Einsatz sind.

Dürfen die das?

Ja, nach Angaben der Stadtverwaltung ist diese Form der Werbung zulässig. Die Adressdaten hat die Deutsche Post Direkt GmbH zur Verfügung gestellt, ein Tochterunternehmen der Deutschen Post, das unter anderem Direktwerbung betreibt.

Welche Behauptungen stimmen – und welche stimmen nicht?

Um das zu beantworten, muss man etwas tiefer einsteigen. Denn bei dem Schreiben handelt es sich natürlich um Werbung. Das heißt, hier soll ein Produkt verkaufen werden, weshalb dieses in ein besonders günstiges und andere in ein eher ungünstiges Licht gerückt werden. Offensichtlich falsche Behauptungen stellt Rheingas aber nicht auf.

Ein Vorteil von Bio-Flüssiggas: Viele Gasthermen können - eventuell mit kleineren Anpassungen - weiterbetrieben werden. © Deutscher Flüssiggas Verband

Beginnt die Stilllegung des Erdgasnetzes wirklich schon 2027?

Jein: Nach Angaben eines Sprechers der MVV, die das Netz betreibt, werden zwar tatsächlich bereits ab 2027 einzelne Gasleitungen stillgelegt, allerdings nur, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind: Erstens müssen in der jeweiligen Straße eine Gas- und eine Fernwärmeleitung parallel vorhanden sein. Wenn dann, zweitens, die Gasleitung turnusgemäß erneuert werden müsste, spricht die MVV die Gebäudebesitzer an, ob sie nicht zur Fernwärme wechseln wollen. Falls, drittens, alle umsteigen, wird danach die Gasleitung stillgelegt. Der MVV-Sprecher verspricht: „Diese Leitungen werden aber nur stillgelegt, wenn die Eigentümer zustimmen und auf Fernwärme umsteigen. Wenn sie nicht zustimmen, erneuern wir die Leitung selbstverständlich.“

War beim geplanten Gas-Aus nicht immer von 2035 die Rede?

Doch, denn bei dem eben beschriebenen Vorgang handelt es sich laut MVV um Einzelfälle. Die großflächige und letztlich komplette Stilllegung des Gasverteilnetzes peilt der Versorger „erst“ gegen 2035 an. Zudem hat das Unternehmen wiederholt erklärt, dass auch dieses Datum lediglich eine Zielmarke und nicht in Stein gemeißelt ist: Denn die entscheidenden gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür liegen noch gar nicht vor.

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Martin Geiger
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Was ist biogenes Flüssiggas überhaupt?

Chemisch gesehen ist es ein Gemisch aus Propan und Butan, das sich wie fossiles Flüssiggas verhält und einsetzen lässt. Da es jedoch aus organischen Rest- und Abfallstoffen oder aus nachwachsenden Rohstoffen wie Soja oder Raps hergestellt wird, ist es deutlich klimafreundlicher. Nach Angaben des Deutschen Verbands Flüssiggas kann der Einsatz von Bio-Flüssiggas anstatt konventionellem „bis zu 90 Prozent CO₂ einsparen“. Nicht zu verwechseln ist das Flüssiggas (LPG) – das bereits bei Zimmertemperatur unter geringem Druck flüssig wird – mit verflüssigtem Erdgas (LNG), das extrem tiefe Temperaturen benötigt und das nach dem russischen Angriff auf die Ukraine so gefragt war.

Kann biogenes Flüssiggas wirklich ein Ersatz für Erdgas sein?

Kurz zusammengefasst sagen die meisten Fachleute: für einzelne Gebäude ja, für das ganze Land nein. Der Grund dafür: Es gibt biogenes Gas beziehungsweise Flüssiggas nicht in ausreichenden Mengen – und das dürfte sich zusätzlich auf den Preis auswirken. Darum ist die Stadt Mannheim in ihrer kommunalen Wärmeplanung zu der Einschätzung gekommen: „Die Versorgung mit Fernwärme und Wärmepumpen sind das Herzstück der Wärmewende.“ Wasserstoff oder Bio-Flüssiggas seien eher Alternativen für „Einzelfallnutzungen“. Rheingas wiederum erklärt, dass aktuell mehr biogenes Flüssiggas produziert als nachgefragt wird, und verspricht: „Wir sind in der Lage, alle in Mannheim angeschriebenen Haushalte mit biogenem Flüssiggas zu versorgen, wenn wir von einem jährlichen Durchschnittsverbrauch von 1,1 Tonnen pro Haushalt ausgehen.“

Was sind die Vorteile von biogenem Flüssiggas?

Die zwei wichtigsten dürften sein: Je nach Gerät können viele Erdgasthermen weiter genutzt werden. Das bedeutet, dass neben den Kosten für einen Tank (laut Rheingas im Schnitt etwa 7.000 Euro) lediglich manchmal noch ein paar Hundert Euro für die Anpassung des Geräts hinzukommen. Der zweite Vorteil ist: Das Gas ist relativ klimafreundlich und wird im Gebäudeenergiegesetz als erneuerbar eingestuft. Es erfüllt also dessen Anforderungen.

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Was sind die Nachteile?

Erstens die bereits erwähnte begrenzte Menge. Und zweitens der Preis: „Schon heute liegen die Preise von biogenen Brennstoffen spürbar über denen anderer Energieträger am Markt, und eine stärkere Nachfrage könnte sie weiter steigen lassen“, gibt eine Sprecherin der Mannheimer Klimaschutzagentur zu bedenken. Ihr Fazit lautet deshalb: „In Ausnahmefällen – etwa wenn Fernwärme, Wärmepumpen oder andere erneuerbare Lösungen im Gebäude nicht umsetzbar sind – können biogene Brennstoffe als Übergangslösung in Betracht kommen. Ihr Einsatz bleibt jedoch mit erhöhten Unsicherheiten bei Versorgung und Kosten verbunden.“

Was sollte man noch bedenken?

Wer Flüssiggas nutzen will, braucht einen Tank, der außerhalb des Hauses ober- oder unterirdisch installiert wird. Notwendig ist also ausreichend Platz auf dem Grundstück oder im Garten. Die Stadt Mannheim weist auf Nachfrage darauf hin, „dass ein Flüssiggastank in einem Garten für ein oder mehrere Gebäude nicht überall zulässig ist, zum Beispiel weil ein Bebauungsplan eine solche Anlage in einem Garten untersagt“. Neben nachbarschaftsrechtlichen Fragen müssten vorab etwa auch brandschutzrechtliche geklärt werden. „Dies gilt insbesondere für Tanks mit größerem Volumen als Nachbarschaftslösungen.“ Der Eingriff in den privaten Garten sei deutlich größer als bei einer Wärmepumpe.

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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