Mannheim. Prognosen, so geht ein alter Statisker-Witz, sind immer dann besonders schwierig, wenn sie die Zukunft betreffen. Die alle zwei Jahre aktualisierte Bevölkerungsprognose der Stadt sagt: Mannheim wächst, aber nicht mehr so stark wie noch 2021 berechnet. Und: der größere Teil des Bevölkerungszuwachses findet in der näheren Zukunft statt oder hat, vor allem bezogen auf Spitzenreiter wie den Stadtteil Franklin, seinen Höhepunkt bereits überschritten.
Spitzenreiter Franklin
Am Beispiel Franklin – Mannheims derzeit wohl wichtigstes Neubaugebiet – lässt sich ganz gut zeigen, wie das zu verstehen ist. Ende vergangenen Jahres waren in Franklin 7011 Einwohner gemeldet – mehr als doppelt soviele als noch vor zwei Jahren, als es 3444 Menschen waren. Der Zuwachs, den Stadtforscherin Ellen Schneider, Leiterin der kommunalen Statistikstelle im Rathaus seinerzeit berechnete, lag für die Zeit bis 2040 bei gigantischen 124,9 Prozent.
Mit dem aktuellen Bevölkerungsstand ist in Franklin ein Großteil dieses Zuwachses bereits Vergangenheit. Ab der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts wird der jetzt berechnete Bevölkerungszuwachs seinen Wendepunkt bei 10 445 Menschen erreicht haben. Ab 2028 nimmt die Einwohnerzahl langsam wieder ab. Wobei das Konversionsviertel Franklin erst einmal in fast allen Altersgruppen sehr stark wächst. Längerfristig wird nur bei den 18- bis 25-Jährigen ein nur noch geringer Zuwachs (+1,4 Prozent) sowie bei den 25- bis 35-Jährigen sogar ein starker Rückgang von knapp einem Drittel (29,1 Prozent) vorhergesagt.
Franklin ist Mannheims jüngster Stadtteil
Klar: Die im Familiengründungsalter Zugezogenen werden älter, Jüngere kommen auf längere Sicht nicht mehr im gleichen Ausmaß nach wie während der Pionierphase. Ansonsten gilt für Franklin: je älter, desto stärker der prozentuale Zuwachs. Bei den über 80-Jährigen liegt dieser Wert für die beiden kommenden Jahrzehnte bei rekordverdächtigen 283,5 Prozent. Der momentane Altersschnitt von knapp 31 Jahren macht Franklin aber zum immer noch mit Abstand jüngsten Stadtteil..
Eine weitere wichtige, wenngleich wenig überraschende Erkenntnis: Die Entwicklung ist in Mannheims 38 Stadtteilen ausgesprochen unterschiedlich. Es gibt – mit einigen Veränderungen gegenüber der letzten Prognose – Gewinner und Verlierer. Was ebenfalls wenig überraschend ist, wenn man nach den Gründen schaut.
Stark überalterte Stadtteile ohne aktuelle Neubaugebiete wie Wallstadt (-4,1 Prozent) und Feudenheim (-3,4 Prozent) verlieren besonders stark an Einwohnern, während jüngere Bezirke mit aktuellen Neubaugebieten besonders viele neue Bewohner gewinnen. Spitzenreiter sind hier nach wie vor die Stadtteile mit Konversionsgebieten. Neben dem oben bereits ausführlich beleuchteten Franklin sind das vor allem Neckarstadt-Nordost (+11,4 Prozent, ehemalige Turley-Kaserne) und Käfertal-Süd (+9,7 Prozent, Neubaugebiet Spinelli-Areal).
Moderater Durchschnitt
Legt man eine Hand auf die heiße Herdplatte und steckt die andere ins Tiefkühlfach, ergibt sich daraus eine moderate Durchschnittstemperatur. Auf die Entwicklung Mannheims bezogen heißt das: Das Bevölkerungswachstum in den zwei Jahrzehnten bis 2042 liegt bei moderaten 3,7 Prozent im Durchschnitt. 337 853 Einwohner wird die Stadt bis 2042 haben. Vor zwei Jahren lagen diese Werte – bezogen auf die beiden Dekaden 2020 bis 2040 – noch bei einem prognostizierten Zuwachs um 5,7 Prozent auf 338 215 Einwohner.
Die Angaben stützen sich unter anderem auf Geburtenzahlen, Altersstruktur und Umzüge innerhalb der Stadtteile, aber auch Zuzüge bzw. Wegzüge von und nach außerhalb Mannheims. Dieser langsam nachlassende Bevölkerungszuwachs speist sich unterm Strich – eine der wichtigsten Erkenntnisse der Prognose – aus der Zuwanderung in die Stadt.
Das sind zum Teil Menschen, die zur Ausbildung und als Arbeitnehmer nach Mannheim umziehen, wegen der attraktiven Wohnungsangebote in den Neubaugebieten in der Stadt bleiben und nicht wieder ins Umland abwandern. Das sind aber auch Menschen, die aus dem Ausland einwandern – aus den unterschiedlichsten Gründen (Flüchtlingskrise 2015/16, Ukraine-Krieg oder Binnenmigration in der Europäischen Union).
Bevölkerungsstatistik: Schlusslicht Wallstadt
Richtet man den Blick nun auf das Schlusslicht in der Bevölkerungsstatistik, so zeigt sich, dass hier nach den Zuwächsen, die das Neubaugebiet Wallstadt Nordost noch in der ersten Dekade des Jahrhunderts gebracht hat, der Höhepunkt Mitte der 2010er Jahre überschritten wurde.
Zum Stichtag Ende 2022 waren 7831 Einwohner in Wallstadt gemeldet, weniger als im Vergleichszeitraum Ende 2020 (7896). Bis zu Beginn der 2040er Jahre sagen die Stadtforscher einen Bevölkerungsstand von nur noch rund 7500 voraus. Schon heute ist jeder Sechste, der in Wallstadt lebt, zwischen 65 und 80 Jahre alt. Diese und die „Gruppe der Hochaltrigen“, also über 80-Jährigen, werden weiter wachsen, 2042 werden knapp drei von zehn in Wallstadt Gemeldeten 65 Jahre und älter sein.
Gleichzeitig nimmt die zahlenmäßig stärkste Gruppe, nämlich die 35- bis 65-Jährigen, im Stadtteil überproportional stark ab (-12,7 Prozent). In den Altersgruppen zwischen 18 und 35 Jahren gibt’s laut der Prognose noch leichte Zuwächse, bei den ganz jungen, unter 18-Jährigen, beträgt das Minus in Wallstadt bis 2042 ebenfalls -4,8 Prozent.
Sind all diese Veränderungen nun viel oder wenig? Immerhin stützen sich Stadtverwaltung und Gemeinderat auf die Daten, wenn es um Planung und Bau öffentlicher Einrichtungen wie zum Beispiel Kindergärten und Altersheime, Stadtbahnlinien und Parkhäuser geht. Nicht umsonst gilt die Statistik als „vornehmste der ungenauen Wissenschaften“ – so haben es im 19. Jahrhundert die französischen Literaten Jules und Edmond de Goncourt formuliert.
Drei Prognose-Varianten
Die Mannheimer Stadtforscher rechnen deswegen drei Varianten der Prognose, bei denen sie die Annahmen über die Zu- und Wegzüge um vier bis fünf Prozent verändert haben. Ansonsten speist sich die Vorhersage aus den Bestandszahlen der Jahre 2017 bis 2022 bei Geburten, Sterbefällen und Umzügen innerhalb des Stadtgebiets. Bürgermeister Ralf Eisenhauer (SPD) wies auf diesen Umstand hin, immerhin seien einige hundert oder auch tausend Menschen mehr oder weniger nur eine „verschwindend geringe“ Größe im Vergleich zur Gesamtbevölkerung von derzeit 325 691 Menschen (Stand Ende 2022) – wobei es in Stadt und Land auch für die Einwohnerdaten der Kommunen unterschiedliche Berechnungsmethoden gibt. Aber das ist eine eigene Geschichte.
Der Unterschied zwischen den oben genannten Prognosevarianten mit schwächerer, mittlererer und stärkerer Zuwanderung in die Stadt beträgt aber deutlich über 21 000 Menschen – ist das nun viel oder wenig? Es sind jedenfalls doppelt soviele, wie in Franklin am Ende wohnen werden. Und ziemlich genau dreimal soviele, wie Wallstadt im Jahr 2042 noch Einwohner haben wird. Prognosen sind eben immer dann besonders schwierig, wenn sie die Zukunft betreffen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Bevölkerungsentwicklung: Wie Mannheim gute Ergebnisse erzielt