Mannheim. Wenn die Glasscheiben der Vitrinen nicht wären, würden sicher viele zugreifen und das tun, was sie früher so gerne gemacht haben - damit spielen. Die Kinderzeit wird wieder wach in der neuen Ausstellung „Spielzeugschätze“ der Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim mit 150 Exponaten der 1890er bis 1970er Jahre.
Sie sind eine prima, nun technisches Spielzeug abdeckende Ergänzung der seit September laufenden Sonderschau „Kinderträume“ mit historischen Puppenküchen und Kaufläden.
Sammler-Schätze in den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen
„Das i-Tüpfelchen“ auf der Puppenstuben-Ausstellung nennt Wilfried Rosendahl, der Generaldirektor der Reiss-Engelhorn-Museen, die neue Ausstellung in der Schatzkammer im Erdgeschoss vom Zeughaus. Mit den Exponaten sei „früher mit viel Herzblut gespielt“ worden, „dann wurden sie gesammelt, wieder mit viel Herzblut“.
Denn während bei den meisten Menschen das Spielzeug eben intensiv genutzt und dann irgendwann weggeworfen oder weiterverschenkt wird, gebe es auch Sammler, die solche Dinge aufbewahren. „Viele Schätze ruhen da im Verborgenen“, und die Reiss-Engelhorn-Museen wollten bewusst nicht nur Exponate der eigenen Sammlungen oder spektakuläre Leihgaben präsentieren, sondern auch mit regionalen Vereinen solcher Sammler kooperieren, so Rosendahl.
Verein sammelt und pflegt historisches Spielzeug
In diesem Fall ist es der Mannheimer Verein für historisches technisches Spielzeug (HTSEV). 2012 gegründet und mit Mitgliedern in Deutschland, der Schweiz sowie den Benelux-Ländern, hat er sich „der Bewahrung von Wissen und von Gegenständen“ verschrieben, so Vorsitzender Dieter Käßer.
Er und einige seiner Mitglieder, darunter Uwe Groll vom Spielzeughaus, dem historischen Spielzeugmuseum in Freinsheim, präsentieren nun „einige wirkliche Raritäten“, wie Käßer mit Recht hervorhebt.
Kinderträume und Spielzeugschätze
- Der Besuch der Schau „Spielzeugschätze“ im Zeughaus der Reiss-Engelhorn-Museen ist in der Eintrittskarte zu „Kinderträume“ enthalten. Beide laufen bis 26. Mai 2024.
- Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr, an allen baden-württembergischen Feiertagen 11 bis 18 Uhr, nur 24., 25. und 31. Dezember 2023 sowie 1. Januar und 20. Mai 2024 geschlossen.
- Eintritt: Erwachsene 13,50 Euro, Kinder/Jugendliche (6- 18 J.) 4,50 Euro, Studierende/ Azubis/FSJler 7,50 Euro, Begünstigte 11,50 Euro, Familien 26,50 Euro (alles inclusive Ausstellung „Belle Epoque“).
- Am 3. und 4. Februar 2024 gibt es ein großes Aktionswochenende. Neben einem Markt für historische Spielwaren besteht die Möglichkeit, bei der Veranstaltung „Schätze schätzen“ die eigenen Lieblinge aus Kindertagen von Fachleuten begutachten zu lassen.
- Alle Interessierten, die mit ihren Objekten teilnehmen wollen, können bis 14. Januar 2024 ein Foto sowie Hintergrundinformationen per Mail an reiss-engelhorn-museen@mannheim.de schicken. Das Spielzeug soll aus dem Zeitraum von um 1900 bis in die 1970er Jahre stammen.
- Infos im Internet: www.rem-mannheim.de pwr
Dazu zählt etwa ein Märklin-Metallbaukasten aus den 1920er Jahren, vornehm poliert und mit Uhrwerkmotor, Elektromotor und Dampfmotor. „Ein extrem seltenes Teil“, so Käßer, der auch als Sachverständiger tätig ist. Und nicht nur bei diesem Baukasten sind die Elektrokabel noch mit Stoff umwickelt - heute undenkbar, früher üblich. Auch ein Kindergrammophon mit Plattenheft aus den 1930er Jahren ist zu sehen. „Klang nicht schön, aber da gab es eben noch keine MP3-Player“, merkt Käßer dazu an.
REM zeigen Micky-Maus-Draisine von 1934
Die Geräte sind vergleichsweise günstig zu haben gewesen - verdient wurde am Verkauf der dazu gehörenden Schellackplatten. Noch zehn Jahre älter, aus den 1920er Jahren, ist das, was einst als Heimkino dient - eine Laterna Magica, ein Projektionsgerät mit Glasbildern und Filmstreifen.
Wie Filme, Fernsehserien und Comics den Spielwarenmarkt beeinflusst haben, zeigen etwa eine Micky-Maus-Draisine von 1934 und das berühmte Raumschiff Orion aus der Serie „Raumpatrouille“ der 1960er Jahre mit patentiertem Kurbelantrieb. Und die technische Entwicklung ist auch zu sehen - ebenso wie enttäuschte Hoffnungen.
So hat man den Schienenzeppelin, einen Zug mit Flugzeugpropeller am Heck, 1931 angesichts seiner Rekord-Geschwindigkeit von 230 Kilometern als Verkehrsmittel der Zukunft gesehen - und prompt als Spielzeug hergestellt. Aber die Technik wurde einst nicht weiterverfolgt, und der Modellbahn-Schienenzeppelin ist eine der Raritäten der Ausstellung.
Das gilt für viele Anlagen, Züge, Waggons der Modellbahnen ebenso wie Dampfmaschinen in der Sonderschau. Klassiker der beliebten Marke Bing steuert das Spielzeugmuseum Freinsheim bei, doch die Nürnberger Firma für Haushaltswaren und Blechspielzeug der jüdischen Brüder Bing gibt es seit den 1930er Jahren nicht mehr. „Was in der Welt passiert, zeigt sich immer auch an großem Einfluss auf das Spielzeug“, so Dieter Käßer.
Spielzeug aus Resten von Flugzeugteilen
Das belegt ebenso ein Metallbaukasten von 1942, für den Teile „je nach damaliger Verfügbarkeit“, wie es in der Beschreibung heißt, aus ganz unterschiedlichen Metallen hergestellt worden sind. Der Krieg hatte eben Vorrang. Als der vorbei ist, stellt die Firma Liebmann in Stadtilm in Thüringen, zuvor wichtiger Luftwaffen-Zulieferer, aus Resten von Flugzeugteilen von 1948 bis 1951 daraus Spielzeug her - auch das ist zu sehen. Die Firma wird aber zum Volkseigenen Betrieb, der Inhaber flieht 1953 in den Westen.
Da erlebt Westdeutschland längst das Wirtschaftswunder - wofür etwa die Opel-Typen Kapitän und Olympia stehen, die Lkw von Borgward oder Horch. Diese Namen sind aber längst Geschichte, als Spielzeugmodelle leben sie aber weiter wie ein Postbus von 1909 oder eine kleine Postkutsche von 1850, das älteste Exponat der Ausstellung.
Noch gut in der kollektiven Erinnerung der ganzen Region ist der „Feurige Elias“, jener von einer Dampflok gezogene Zug der OEG, der ab 1887 Mannheim mit Weinheim verbunden hat. Nun gibt es ein Wiedersehen - im Modellbahn-Maßstab.
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