Prozess

Bauleiter aus Mannheim wegen Betrugs in Flüchtlingskrise angeklagt

Inmitten der Flüchtlingskrise soll ein Mannheimer Unternehmer dem Regierungspräsidium Karlsruhe das Bereitstellen von Containern und Bauzäunen betrügerisch in Rechnung gestellt haben. Er sieht sich hingegen als Opfer

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Als ab 2015 unzählige Menschen nach Deutschland flüchteten, mussten innerhalb kürzester Zeit Unterkünfte her. Auch in der Region kamen viele Flüchtlinge unter, wie hier im Sommer 2015 im Heidelberger Patrick-Henry-Village. © Philipp Rothe

Mannheim. Die Anklage legt einem Bauleiter zur Last, während des Ansturms von Flüchtlingen in den Jahren 2015 und 2016 dem Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe für vier damalige Erstaufnahmelager in Mannheim wie Heidelberg das Bereitstellen von Containern und Zäunen betrügerisch in Rechnung gestellt zu haben - obwohl er solcherart Hygiene-Großbehälter wie Geländeabsperrungen gar nicht besessen habe. Der Gesamtschaden wird auf 286 000 Euro beziffert. Zum Prozessauftakt vor der 22. Strafkammer am Landgericht hat der 53-Jährige eine schriftliche Einlassung vorbereitet, die er selbst vorliest. Die Stellungnahme endet mit dem Satz: „Ich bin nicht Täter, sondern Opfer. “

Das sieht Staatsanwältin Micha anders. Sie geht in der am Montag verlesenen Anklage auf Grundlage umfangreicher Ermittlungen davon aus, dass der neben einer Festanstellung auch frei schaffende Bauleiter das Bestreben des RP Karlsruhe - nämlich schnell und unbürokratisch Flüchtlingseinrichtungen aus dem Boden zu stampfen - ausgenutzt hat, um sich zu bereichern. „Irrtum erzeugende“ Rechnungen seien derart professionell gestaltet gewesen, dass diese bezahlt wurden. Vorgeworfen werden drei selbstständige Handlungen in Zusammenhang mit Unterkünften auf den Konversionsflächen Spinelli, Franklin und den Funari-Barracks in Mannheim sowie dem Patrick-Henry-Village Heidelberg.

Auf Ebay wurde er nach Hygienegroßbehältern fündig

Dass er nur vorgegaukelt habe, Container wie Zäune zu besitzen - das bestreitet der Angeklagte. Nach seiner Schilderung erkundigte sich in dem Flüchtlingskrisenjahr 2015 ein Mitarbeiter des Karlsruher Regierungspräsidiums bei ihm telefonisch, ob er als selbstständiger Unternehmer im Bereich Bauen dringend benötigte Ausstattung für Aufnahmelager zur Verfügung stellen könne. Daraufhin habe er über Ebay eine Firma in Polen ausfindig gemacht, die per Kleinanzeige gebrauchte Hygienegroßbehälter wie Geländeabsperrungen offerierte.

Bei einem Treffen mit mehreren Mitarbeitern des Regierungspräsidiums in der Pyramidenstraße, wo die Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge in Mannheim ihren Sitz hatte, sei detailliert erläutert worden, was in welcher Anzahl wo gebraucht werde.

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Auf Grundlage dieses Gesprächs - dem aber nie eine schriftliche Vereinbarung folgte - will der Unternehmer entsprechend Container wie Zäune in Polen geordert haben. Und zwar ohne Vorbesichtigung übers Telefon. Bei der jeweiligen Anlieferung per Tieflader, so der 53-Jährige, habe er stets bar auf die auf die Hand gezahlt - „aber mir das Geld quittieren lassen“.

Schon am ersten Verhandlungsvormittag blitzt auf, dass die Kammer Licht in mannigfache Widersprüche und Ungereimtheiten bringen muss. „Irritierend ist für mich, dass sich beim Regierungspräsidium niemand an die Auftragsvergabe erinnert“, kommentiert der Vorsitzende Richter Andreas Lindenthal, der sich außerdem darüber wundert, dass es laut Aktenlage trotz umfangreicher Ermittlungen nicht gelungen ist, Nachweise für die Lieferungen von Containern wie Zäunen aus Polen zu finden.

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Beim Prozessauftakt ist auch Thema, dass sich der gelernte Schreiner mit Bauerfahrung gern als Architekt bezeichnete und seinen Namen mit „Dipl. Ing.“ schmückte, obwohl er das Studium an der Technischen Universität Darmstadt ohne Prüfung abgebrochen hat. Der Schwindel mit der Berufsbezeichnung ist nicht der einzige Konflikt mit dem Gesetz. In das Verfahren führt die Kammer einen 2013 vom Mannheimer Amtsgericht verhängten Strafbefehl über eine achtmonatige Bewährungsstrafe ein. Hintergrund: Der Unternehmer war von dem Betreiber einer Ferienkolonie mit dem Abwickeln von Schadensfällen beauftragt worden und hatte in diesem Zusammenhang gefälschte Rechnungen beziehungsweise Urkunden betrügerisch verwendet - jeweils manipuliert mittels PC und Kopierer. „Fast wie eine Blaupause für das aktuelle Verfahren“, so der Kammervorsitzende.

Dass der im Nebenerwerb umtriebige Geschäftsmann vor vier Jahren schon einmal bei einer Strafkammer des Mannheimer Landgerichts auf der Anklagebank saß, hat indirekt mit den gerade verhandelten Vorwürfen zu tun. Denn als die Ermittlungen rund um die umstrittenen Objekte bei den Flüchtlingsunterkünften begannen, es im August 2016 zu einer Hausdurchsuchung kam, das Finanzamt Steuern nachforderte und der Unternehmer Insolvenz anmelden musste, ließ sich der Bauleiter, dem zudem gekündigt worden war, zu „dummen Unrechtstaten“ hinreißen, wie es der 53-Jährige in seinem aktuellen Strafverfahren rückblickend formuliert.

2018 versuchte der Angeklagte, Südzucker zu erpressen

Angesichts des finanziellen Zusammenbruchs versuchte der Mannheimer 2018 den in der Quadratestadt ansässigen Konzern Südzucker zu erpressen (der „MM“ berichtete seinerzeit). In einem Drohschreiben forderte der damals 48-Jährige satte 2,2 Millionen Euro - ansonsten würden bislang nicht bekannte Informationen zu einer kartellrechtlichen Auseinandersetzung veröffentlicht werden. Südzucker schaltete sofort die Polizei ein. Und dieser gelang bei der vereinbarten Geldübergabe auf einem Parkplatz an der Autobahn A 6 eine Festnahme. Der Mannheimer kam glimpflich mit einer zweijährigen Bewährungsstrafe davon. Da er seitdem alle mit dem Urteil verknüpften Auflagen erfüllt hat, und die festgelegte Bewährungszeit inzwischen abgelaufen ist, muss der aktuell wegen Betrugs angeklagte Mittfünfziger zumindest in der Erpresser-Angelegenheit nicht fürchten, ins Gefängnis zu kommen.

In dem an sieben Tagen bis Mitte Mai terminierten Prozess sind mehrere Zeugen geladen, die Licht in die verworrenen Abläufe bringen sollen. Auch jener RP-Mitarbeiter, der nach Darstellung des Angeklagten die Aufträge samt Konditionen an ihn erteilte.

Freie Autorin

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