Mannheim/Cinkassé. „Wenn du als Europäer da durchläufst, fällst du extrem auf.“ Der Mannheimer Student Leon Becker war zu Besuch im afrikanischen Togo. Er spürte die Blicke der lokalen Bevölkerung. Er spürte, angestarrt und beobachtet zu werden. Und seitdem kann er sich vorstellen, wie es sich anfühlen muss, als Mensch mit dunkler Hautfarbe in Deutschland umherzulaufen - ohne dass hinter den Blicken dem auffälligen „Anderen“ gegenüber irgendeine böse Absicht stecken muss.
Denn Leon Becker fühlte sich bei seinem Besuch im Nordwesten Togos sehr positiv wahrgenommen. Er berichtet von extremer Dankbarkeit und Gastfreundlichkeit. Becker war in seiner Rolle als Human Resource (HR) Leader der Mannheimer studentischen Initiative „Enactus“ vor Ort in dem westafrikanischen Land, das an Ghana, Burkina Faso und Benin grenzt.
"Enactus" ist an über 30 Hochschulen vertreten - auch in Mannheim
„Enactus“ steht für „entrepreneurial“, „action“ und „us“ und ist eine weltweite gemeinnützige Nichtregierungsorganisation. In Deutschland ist das Netzwerk an über 30 Hochschulen vertreten. Das studentische Team in Mannheim ist derzeit der stärkste Standort in Deutschland, weiß der Wirtschaftsinformatik-Student.
Aktuell arbeiten die Mannheimer Studenten, die sich ehrenamtlich für „Enactus“ engagieren, an einer hohen einstelligen Zahl von Projekten. Eines davon ist, Außendarstellung und Crowdfunding eines togoischen Krankenhauses in Cinkassé voranzutreiben. Rund 85 aktive Mitglieder zählt „Enactus“ in Mannheim derzeit.
Krankenhaus, dass von Mannheimer Studenten und "Enactus" unterstütz wird, trägt sich wirtschaftlich selbst
Im Zuge dieses Projekts war Leon Becker persönlich in Cinkassé. Seinen Flug übernahm die Unternehmerfamilie Braun aus Greifswald, die auch den Bau des Krankenhauses „Hopital Braun Cinkassé“ überhaupt ins Leben rief. „Wir hatten viel Glück im Leben“, erklären Dagmar und Norbert Braun in einem Beitrag des Windmann Service-Bund ihre Motivation, finanziell etwas zurückzugeben.
Die Mannheimer Studenten beschäftigen sich mit der Öffentlichkeitsarbeit des Krankenhauses und beschaffen Spendengelder, um einen Notfallfonds einzurichten. Seit einem knappen Jahr ist „Enactus“ in das Krankenhaus-Projekt involviert. Der Bau sei initiiert und finanziert worden von Familie Braun, Richtfest war 2019, die Eröffnung 2021. Inzwischen trage sich das Krankenhaus wirtschaftlich im Wesentlichen selbst, für Defizite kommen Dagmar und Norbert Braun auf.
Leon Becker bezeichnet das Vorhaben als „karitatives Projekt“, weil niemand daran verdient. Ziel sei, dass das Krankenhaus in Zukunft von Lokal-Kräften geführt und eine Vollversorgung angeboten werden kann, um die Entwicklung der Region, eine der ärmsten der Welt, voranzutreiben.
„Entwicklung geht nicht ohne Unterstützende“
Denn das ist, wie „Enactus“ bei allen Vorhaben operiert: Mit unternehmerischen Ansätzen möchte die Organisation einen sozialen Mehrwert schaffen. Ob sich Unternehmertum und gemeinnützige Ausrichtung nicht beißen? Nein, ist sich Leon Becker sicher. Es gehe darum, beides zu kombinieren, um am Ende etwas - wie das Krankenhaus - zu schaffen, das sich selbst wirtschaftlich trägt und nicht dauerhaft auf Hilfe angewiesen ist. Becker interessiert sich für unternehmerische Ansätze, begründet er seine Motivation für das Engagement. „Gleichzeitig möchte ich aber auch was Gutes machen“, sagt der 22-Jährige.
Er erzählt von einem „Schlüsselerlebnis“ in der Mitte seiner einwöchigen Togo-Reise. Beim Abendessen erreichte seine Gruppe die Nachricht, dass einer der Angestellten des Krankenhauses „zusammengeklappt“ sei. Diagnose: Lungenembolie. Becker erlebte mit, wie abgewägt werden musste zwischen Versorgung vor Ort oder Transport in ein drei Stunden entferntes, größeres Krankenhaus. „Das hat mich mitgenommen, auch weil es anscheinend ein bisschen öfter passiert“, sagt er.
Für solche Fälle, in denen finanzielle Fragen „über Leben und Tod“ entscheiden könnten, möchte „Enactus“ den Notfallfonds einrichten. Dazu sind die Mannheimer Studenten auf Spenden angewiesen. Rund 80 Prozent der Menschen vor Ort können sich eine Behandlung dank Beruf oder Familie selbst leisten, schätzt Becker. In allen anderen Fällen sollen die finanziellen Rücklagen von außen unterstützen.
Gute Außendarstellung wichtig für den Erfolg des von "Enactus" unterstützen Krankenhauses in Togo
Bisher sei kein Cent in Verwaltungskosten von „Enactus“ geflossen. Jeder Spendenbetrag komme voll vor Ort an. Becker möchte dazu Transparenz schaffen - eine gute Außendarstellung des Krankenhauses sei daher zentral für den Erfolg des Projekts. „Entwicklung geht nicht ohne Unterstützende“, sagt der Mannheimer Student und „Enactus“-Mitglied Jannik Link. „Deshalb wollen wir Menschen in Deutschland auf das Projekt aufmerksam machen.“ Er hat sich gemeinsam mit der Studentin Amelie Baierl zum Ziel gesetzt, die Social-Media-Kanäle des Krankenhauses aufzubauen.
„Ich glaube auch, viele haben ein falsches Bild von der Region“, reflektiert Leon Becker seine Eindrücke vom Togo-Besuch. Die Menschen dort seien offen, wollen Dinge tun und anpacken, aber ihnen fehlten oft die Möglichkeiten. Diese zu erhöhen, dazu möchte Leon Becker seinen Beitrag leisten.
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