Mannheim. Obwohl Lösungen für das Problem vereinbart sind, klingt der Frust noch durch. Zumindest bei Sebastian Mandel vom Vorstand der Architektenkammer, wenn er erzählt, wie er vor gut einem Jahr aus Verzweiflung Kammergruppenvorsitzende Karin Storch anrief und sagte: „Ich kann meinen Beruf nicht mehr ausführen. Ich bin mit den Nerven am Ende, hunderte Telefonate, Briefe, Mails, nichts hilft mehr.“
Was den freien Architekten so frustrierte: Er hatte bei der Stadtverwaltung für Bauprojekte Genehmigungen beantragt - bekam aber aus dem Technischen Rathaus weder eine Zu- noch eine Absage - obwohl die gesetzlich vorgegebenen Fristen längst überschritten waren. „Damals habe ich empfunden: Wir haben eine Verhinderungsbehörde vor uns sitzen“, sagt Mandel, „und Genehmigungswilligkeit gefordert.“
Sebastian Mandel: „Bearbeitungsfristen wurden nie eingehalten“
Die Kammer setzte das Thema auf die Tagesordnung einer Versammlung - und erkannte plötzlich die Dimensionen des Problems. „Wir haben sehr schnell bemerkt, dass fast alle Büros davon betroffen sind“, erinnert sich Johannes Striffler, der ebenfalls im Vorstand ist. Und damit natürlich auch die Bauherren: Denn ohne Genehmigung kein Um- oder Neubau.
„Vor vier, fünf Jahren war es noch normal, dass kleine Bauvorhaben in drei Monaten genehmigt worden sind“, schildert Mandel die früheren Verhältnisse. „Wenn der ganz normale Mannheimer Omas Haus geerbt hatte und das für sich und die Familie umbauen wollte, war die Genehmigung mit Ablauf der Frist da - und die Sache war plan- und kalkulierbar. Das ist leider völlig aus den Fugen geraten.“
Durch die Corona-Pandemie und den Umzug des Technischen Rathauses ins Glücksstein-Quartier hatten sich die Abläufe verändert. Das Ergebnis: „Die gesetzlichen Bestimmungen zu Bearbeitungsfristen wurden zu dieser Zeit nie eingehalten“, sagt Mandel. „Wirklich nie.“
Dabei sind diese in der Landesbauordnung eindeutig definiert: Zehn Tage nach dem Einreichen einer Baugenehmigung muss eine Eingangsbestätigung vorliegen. Drei Monate später, bei einem klassischen Bauantrag, die Entscheidung. Soweit die Theorie. Doch die Praxis sah in Mannheim im vergangenen Jahr anders aus, berichtet Mandel: „In meinem Büro hatten wir zu der Zeit Bauanträge, die weit über zwölf Monate im Rathaus lagen.“ Striffler ergänzt: „Das war kein Einzelfall.“
Auch große Bauprojekte der Stadt Mannheim betroffen
Selbst die großen Bauprojekte in der Stadt hingen oft in der Warteschleife: Egal ob Sparkasse am Paradeplatz, alter Kaufhof in N 7, The Six auf den Kapuzinerplanken, die Grüne Mitte auf Franklin oder das dort geplante Wohnprojekt Esperanza: Immer wieder wiesen die Bauherren mehr oder weniger offen auf die langen Genehmigungsprozesse hin. Auch bei den Etat-Reden im Gemeinderat am Dienstag kritisierten mehrere Fraktionschefs die Abläufe.
Theoretisch können die Bauherren bei einer Nichteinhaltung der Fristen Rechtsmittel einlegen, erklärt Mandel. Aber dann dauere der Prozess wohl noch länger: „Bis es zu einer Genehmigung dann kommt, sind die Zinsen von 0,9 Prozent auf vier gestiegen und die Baupreise haben sich um 30-40 Prozent erhöht. Und dann ist es letztlich egal, ob man die Genehmigung bekommt oder nicht - weil das Projekt in der Zwischenzeit gestorben ist.“
Wie viele Projekte aufgrund der langen Bearbeitungszeiten geplatzt sind, weiß niemand. Aber dass es solche Fälle gab, darüber herrscht bei den Architekten Einigkeit.
Konversion und Buga in Mannheim als zusätzliche Aufgaben
Diese hatten zudem noch mit einer ganz anderen Auswirkung zu kämpfen: „Je länger die Bearbeitung dauert, desto länger muss ich auf mein Geld warten“, erklärt Striffler. „Wenn man zwei, drei kleinere Projekte am Laufen hat, und die anstatt zwei Jahre plötzlich vier oder fünf dauern, bekommt man schnell wirtschaftliche Probleme. Denn wir sind alle Selbstständige und müssen unsere Mitarbeiter weiter bezahlen.“
So hat die Kammer im Herbst des vergangenen Jahres das Gespräch mit der Baubehörde gesucht - und mittlerweile etwa ein halbes Dutzend geführt. Zudem schickte sie einen Brandbrief unter anderem an die Fraktionen des Gemeinderats.
Das Baudezernat bestätigt auf Anfrage, dass es in der jüngeren Vergangenheit, wie in anderen Städten, „nicht immer gelungen“ sei, die Fristen bei den Genehmigungsverfahren einzuhalten. Dies habe verschiedene Ursachen gehabt. Eine sei die hohe Zahl an Anträgen: „Gerade in Mannheim gab es durch die Konversion und die Bundesgartenschau zusätzliche Aufgaben, von denen viele in einem zeitlich sehr engen Horizont abzuarbeiten waren“, teilt eine Sprecherin mit. Zudem seien die Verfahren komplexer und damit der Prüfungsumfang größer geworden. „Hinzu kommt eine hohe Personalfluktuation bei der Baurechtsbehörde in den vergangenen Jahren.“
Behörde räumt Versäumnisse ein
Inzwischen habe man jedoch „umfangreiche Maßnahmen“ eingeleitet: Dazu zählten etwa zusätzliches Personal, Digitalisierung des gesamten Prozesses oder ein Buchungssystem für die Bauberatung. So „versuchen wir Schritt für Schritt wieder die Erwartungen zu erfüllen“.
Auch der stellvertretende Vorsitzende der Architektenkammer, Dennis Ewert, zählt eine ganze Reihe von vereinbarten Verbesserungen auf: Wiedereinführung von persönlichen Beratungen etwa, klare und transparente Zuordnungen von Zuständigkeiten, Entschlackung und Vereinfachung des Verfahrens. Darum sagt sein Kollege Striffler: „Wir sind auf einem guten Weg, auch wenn das eine oder andere etwas schneller gehen dürfte.“ Mandel ergänzt: „Heute stehen wir endlich an einem Punkt, wo wir alle gemeinsam Mannheim entwickeln wollen.“
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Langes Warten auf Baugenehmigungen: ein Ärgernis