Krieg in der Ukraine

Auf eigene Faust: Zwei Mannheimer Stadträte wollen Czernowitz besuchen

Von 
Sebastian Koch
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Von Kriegshandlungen noch verschont geblieben: Mannheims Partnerstadt Czernowitz im Südwesten der Ukraine. © Stadt MA

Mannheim. Für die Grünen-Stadträte Markus Sprengler und Chris Rihm ist es eine Frage der Solidarität, für die Verwaltung dagegen derzeit „eher unangemessen“: die Reise einer Delegation aus Mannheim in die neue Partnerstadt Czernowitz in der Ukraine. „Dass die Stadt Hilfe organisiert und nach Czernowitz schickt, ist wichtig“, erklären Rihm und Sprengler der Redaktion. „Es ist jetzt aber Zeit, Solidarität mit den Menschen und der Verwaltung auch vor Ort auszudrücken.“ Bei einem Besuch, argumentieren sie, sei es möglich, gezielter zu erfragen, welche Hilfen benötigt würden. „Mannheim hat Zeichen gesetzt“, sagen Sprengler und Rihm. Solidarität und die Wahrnehmung moralischer Verpflichtungen sähen aber anders aus. „Die Stadt hat bislang eine Chance verspielt.“

Das Rathaus sieht das anders. „Die Verwaltung steht mit Czernowitz, aber auch mit der Partnerstadt Chisinau in engem Austausch per Mail und im Rahmen von Videokonferenzen“, erklärt die Stadt. „Wesentliches Ziel“ des Austauschs ist demnach die Ermittlung des Bedarfs an Hilfe für beide Städte.

Seit 1989 pflegt Mannheim eine Partnerschaft mit der moldauischen Hauptstadt Chisinau. Mitte April dieses Jahres hatte der Gemeinderat einer Partnerschaft mit Czernowitz zugestimmt (wir berichteten), nachdem beide Kommunen bereits Kooperationsstädte waren. Czernowitz und Chisinau werden stark von Geflüchteten aufgesucht.

Amtliche Reisewarnung gilt weiter

Am Mittwoch habe Chisinau eine „umfangreiche Bedarfsliste“ an die Stadt übermittelt, erklärt die Verwaltung. „Aus Czernowitz liegen ebensolche Listen vor.“ Die Zusammenarbeit verlaufe reibungslos. „Beide Städte haben ihre große Wertschätzung für das Engagement der Stadt zum Ausdruck gebracht“, heißt es. „Die Wertschätzung gilt gleichermaßen für Gemeinderat, Zivilgesellschaft und Verwaltung.“ Vom 22. bis 25. Mai erwarte Mannheim den Besuch einer Delegation der Stadt Chisinau, teilt die Verwaltung mit.

Der digitale Austausch oder das Bedienen vorgelegter Bedarfslisten gehen Sprengler und Rihm nicht weit genug. Am 7. Juni wollen die Stadträte deshalb privat an die rumänisch-ukrainische Grenze fliegen und von dort aus weiter nach Czernowitz reisen. Dort soll es auch zu einem Treffen mit Bürgermeister Roman Klichuk kommen, erklären sie.

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Dass es in den nächsten Wochen zu einer Reise einer offiziellen Delegation aus Mannheim kommt, ist unwahrscheinlich. Zwar hätten laut Rathaus Czernowitz und Chisinau „zum Ausdruck gebracht“, einen Besuch „selbstverständlich“ zu begrüßen. Zudem hatte Klichuk im Gemeinderat eine Einladung ausgesprochen. Die Verwaltung aber, teilt sie mit, würde das nur unterstützen, „wenn die Reise den üblichen Gepflogenheiten entspricht“. Das bedeute „insbesondere eine ausgewogene Repräsentanz der Fraktionen“ und eine „klare Zielorientierung der Gespräche“. Die Verwaltung habe schon an Plänen gearbeitet. Aber: „Es liegt nach wie vor eine amtliche Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für die gesamte Ukraine vor. Insofern wäre eine städtische Dienstreise zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht genehmigungsfähig.“ Dementsprechend würde es sich bei den Plänen von Sprengler und Rihm nicht um eine offizielle Reise durch Vertreter der Stadt handeln, sondern um eine Privatreise, die nicht im Zusammenhang mit Dienstgeschäften der Stadt stehe.

Im April hatte indes eine kleine Delegation aus dem französischen Metz Czernowitz besucht, um dort den Vertrag zur Städtepartnerschaft zu unterzeichnen. Im Vorfeld habe es „keine spezifischen Diskussionen über die Sicherheit der Delegation, die aus dem Bürgermeister und einem Mitarbeiter bestand, gegeben“, teilt die Stadt Metz auf Anfrage hin mit. Zwei Tage hätten sich die Besucher in Czernowitz aufgehalten. Wie haben Bürgermeister François Grosdidier und sein Mitarbeiter die Sicherheitslage wahrgenommen? Weil Czernowitz „mehrere Hundert Kilometer“ von der Front entfernt liege, habe es keine Angriffe gegeben, erklärt die Verwaltung. Man habe aber gemerkt, dass „alle Anstrengungen“ auf den Krieg ausgerichtet seien, heißt es, ohne Details zu nennen. Czernowitz, wo etwa 260 000 Menschen leben, hat bislang etwa 50 000 Vertriebene aufgenommen.

Neben Mannheim und Metz ist seit wenigen Monaten auch Düsseldorf mit Czernowitz städtepartnerschaftlich verbunden. Düsseldorf hat, wie Mannheim, bislang von einer offiziellen Reise abgesehen. „Ob ein Besuch absehbar realisierbar ist, kann nicht gesagt werden“, heißt es.

Auch Düsseldorf verzichtet noch

Indes weisen Rihm und Sprengler Kritik, bei ihrem Unternehmen würde es sich um „Kriegstourismus“ handeln, zurück. „Wenn man weiß, was wir für die Ukraine-Hilfe unternommen haben, ist klar, dass es uns um die Sache und nicht um die Symbolik geht“, erklären sie. Beide waren unter anderem an der Organisation von Friedensdemonstrationen oder auch an „Sound of Peace Mannheim“ beteiligt. Familie Rihm hat zudem Geflüchtete aufgenommen.

Eine Anfrage an die Stadt Czernowitz zu ihrer Einschätzung der Lage blieb bis Freitag unbeantwortet.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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