Mannheim. Ein Kreislaufkollaps – potenziell lebensbedrohlich. Weitere Informationen bekommt Victor Durek an diesem Dienstagvormittag nicht. Er weiß nur: Sein Kollege Daniel Schwenger und er sitzen gerade im Wagen mit der kürzesten Distanz zum Einsatzort. Mit Blaulicht und Martinshorn sind die beiden nur wenige Sekunden später auf dem Weg in die Mannheimer Oststadt.
Die Rettungsleitstelle hat den Fall gegen 10.30 Uhr an die beiden Notfallsanitäter weitergegeben. Zu diesem Zeitpunkt ist Victor bereits seit vier Stunden im Dienst. Bis zu seinem Feierabend wird er noch zwei weiteren Menschen in Mannheim zur Hilfe kommen.

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Victor ist 28 Jahre alt. Mit elf Jahren war er bereits im Jugendrotkreuz tätig und entschied sich dann nach seinem Abitur für eine dreijährige Ausbildung zum Notfallsanitäter. Mittlerweile betreut er eigene Auszubildende – und arbeitet weiter im Schichtdienst beim Deutschen Roten Kreuz (DRK).
Verbale und körperliche Angriffe gegen Sanitäter erlebt
Vor allem an Wochenenden gestalte sich die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf oft schwierig, erzählt Durek. Es brauche genaue Absprachen mit Freunden und Familie. „Aber ich liebe diese Arbeit“, so Durek. Trotz der Schattenseiten. Denn auch die erlebt er immer wieder. Der 28-Jährige berichtet von verbalen, aber auch einem körperlichen Angriff gegen ihn. Durek erstattete Anzeige. Zum Glück seien solche Erfahrungen aber eher Einzelfälle.
Zu Auseinandersetzungen kommt es an diesem Tag nicht. In der Mannheimer Oststadt angekommen hält der Rettungswagen vor einem Mehrfamilienhaus. In einer Wohnung im vierten Stock liegt ein älterer Mann – mittlerweile seit mehreren Tagen. Der Mann war ausgerutscht. Er ist ansprechbar, konnte sich allerdings aus eigener Kraft nicht mehr aufrichten. Eine Nachbarin wählte den Notruf.
Durek und Schwenger untersuchen den Mann in seiner Wohnung und bringen ihn anschließend in einem Rollstuhl nach unten zum Rettungswagen. „Wenn ein Patient als kritisch eingeschätzt wird, müssen wir einen Notarzt nachfordern“, erklärt Durek. Einen periphervenösen Zugang darf er als Notfallsanitäter aber selbst legen. Der ältere Mann bekommt eine Infusion, also Flüssigkeit, nachdem er tagelang nichts zu sich genommen hat. Bei lebensbedrohlichen Zuständen dürfen Sanitäter zudem Medikamente verabreichen.
Mit dem Rettungswagen geht es für den älteren Herrn weiter ins Theresienkrankenhaus. Dort wird ihm Blut abgenommen und es werden Röntgenaufnahmen gemacht. Für Durek steht nach der Einlieferung in die Notaufnahme nur noch das Notfallprotokoll an. Hier trägt er die Vitalwerte des Mannes ein, Auffälligkeiten und welche Maßnahmen getroffen wurden.
Smalltalk mit den Patienten gehört für Durek dazu
Der Senior war ein umgänglicher Patient und froh, dass ihm nach Tagen endlich geholfen wurde. Während der Fahrt ins Krankenhaus unterhalten sich Durek und der Mann, sie führen Smalltalk – über die beruflichen Laufbahnen und die Nachbarschaft.
Doch wie geht man mit Patienten um, die sich gar nicht helfen lassen wollen? „Ich versuche, jeden gleich zu behandeln“, sagt Durek. „Natürlich gibt es Leute, die sich aufgrund von Alkohol oder anderen Substanzen dem Rettungsdienst gegenüber unkooperativ verhalten. Da versuchen wir dann, erstmal mit einer ruhigen, besänftigenden Art auf die Menschen zuzugehen.“ Trotzdem könne es passieren, dass Patienten aggressiv oder ausfällig werden. „Dann ziehen wir die Polizei hinzu“, so Durek.
Auf dem Weg zurück zur Rettungswache schlagen die Melder von Durek und seinem Kollegen erneut Alarm: ein Fahrradunfall, rund zehn Minuten entfernt. Der gestürzte Radfahrer hat keinen Helm getragen. Er zeigt Anzeichen einer Gehirnerschütterung und hat einen größeren Bluterguss am Kopf. Nachdem die beiden Notfallsanitäter ihn auf schwerere innere Verletzungen untersucht haben, bringen sie ihn ins nächstgelegene Krankenhaus.
Kurz darauf meldet sich die Rettungsleitstelle erneut: wieder Kreislaufkollaps. Und wieder wissen die beiden Sanitäter nicht, ob es sich um einen kurzen Ohnmachtsanfall handelt oder eine lebensbedrohliche Erkrankung der Auslöser ist.
Vor Ort erwartet sie folgendes Szenario: In einer Lieferanteneinfahrt liegt ein Mitarbeiter auf dem Boden und hat Krampfanfälle. Durek und Schwenger untersuchen ihn im Rettungswagen – geschützt vor den Blicken neugieriger Passanten. Die Vitalwerte sind soweit stabil. Der genaue Grund für den Zusammenbruch soll in einer Klinik mit Neurologie festgestellt werden. Mit Blaulicht machen sich Durek und Schwenger auf den Weg.
Nicht immer gehen Unfälle und Einsätze am Ende des Tages gut aus. „Ich versuche dann, das erstmal nicht ganz an mich ranzulassen. Ich betrachte es aus einer beruflichen Perspektive“, sagt Durek. Natürlich gebe es auch Schicksalsschläge, die einen erstmal nicht mehr loslassen würden. Aber so traurig es auch klinge: „Man muss sich damit abfinden, dass man nicht immer jedem helfen kann“, so der 28-Jährige.
Sein Ausgleich: Zwei- bis dreimal pro Woche Fitnessstudio, Rennradfahren und regelmäßige Reisen ins Ausland. Um 14.30 Uhr steigt Durek schließlich in der Wache Parkring aus dem Rettungswagen. Feierabend.
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