Kirche

Andacht nach der Amokfahrt in Mannheim: Kerzen als Trost

So wird in der Mannheimer Citykirche Konkordien der Opfer der Amokfahrt gedacht. Und für die Einsatzkräfte gibt es schon morgens einen besonderen Dank.

Von 
Peter W. Ragge
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Für Hoffnung, Trost und Zuversicht: Bei der ökumenischen Andacht am Dienstagabend nach der Mannheimer Amokfahrt zünden Teilnehmer Kerzen an. © Andreas Henn

Mannheim. Einer nach dem anderen zündet eine Kerze an – zum Gedenken, als Trost: Weit über 500 Menschen haben am Dienstagabend bei einer ökumenischen Andacht in der überfüllten Citykirche Konkordien der Opfer der Amokfahrt von Rosenmontag gedacht.

Die Lichter sollten „Hoffnung, Trost und Zuversicht“ spenden, so der evangelische Dekan Ralph Hartmann. Es gehe um „ein Zeichen, dass Hass und Gewalt, Tod und Zerstörung nicht das letzte Wort haben“, ergänzt der katholische Dekan Karl Jung. Sogar der Erzbischof von Freiburg, Stephan Burger, der einen Psalm spricht, und die evangelische Landesbischöfin Heike Springhart sind dazu eigens nach Mannheim gekommen. „Wir suchen nach Halt“, drückt Springhart aus, was viele in dem Moment denken. Verunsicherung und Angst trieben derzeit viele um: „Die Unbekümmertheit ist verloren“, so die Landesbischöfin.

Mannheim sei „aufgeschreckt und ängstlich“, sagt schon die langjährige Hausherrin und Dekanstellvertreterin Anne Ressel in ihrer Begrüßung. Die Freude an der Fasnacht sei „dem Entsetzen gewichen“ und viele seien nun „erschrocken, geschockt und erschöpft“ und sie „verstehen den Hass nicht, der sich zufällig Opfer sucht“. „Unter dem Schatten deiner Flügel suchen wir Zuflucht“, zitiert sie einen Psalm, und es sind viele, die diese Zuflucht suchen: Viele Rettungskräfte sind da, Augenzeugen, Schausteller (die eigens einen Kranz mitgebracht haben), Vertreter der Stadtgesellschaft, viele Bürger aller Glaubensrichtungen. Friederike Krah (Violine), Kammersänger Thomas Jesatko vom Nationaltheater begleiten das andächtige Orgelspiel von Marion Krall.

Im Gottesdienst sitzen auch Landtagspräsidentin Muhterem Aras und Oberbürgermeister Christian Specht, der den Rettungskräften für ihren Einsatz dankt. Das habe gezeigt, dass der Staat handlungsfähig ist, und die Andacht, wie solidarisch die Stadtgesellschaft sei. Und auch bei der Andacht sind wieder Notfallseelsorger präsent, sollte jemand Beistand brauchen. Denn gerötete Augen sieht man viele.

Fast 400 Einsatzkräfte am Rosenmontag alarmiert

Gedrückte Stimmung, ja Trauer und Fassungslosigkeit prägen auch einen Termin am Vormittag, der eigentlich ganz anders geplant war. Das Stadtprinzenpaar wollte Feuerwehr und Rettungsdienst danken für den Großeinsatz beim Fasnachtszug. „Wir haben uns sehr sicher gefühlt, alles war abgesperrt, man hat überall Einsatzkräfte gesehen“, so Stadtprinzessin Sarah I., und Prinz Marco II. würdigt auch den „Riesenaufwand für die Sicherheit“, weshalb es beim Umzug ein „richtig gutes Gefühl“ gewesen sei.

„Aber dann wurden wir alle rausgerissen“, verweist Marco II. auf die Amokfahrt, und bei ihm, bei Sarah I. und dem ganzen Begleitteam – Marcus Merz und Volker Jürgens vom Feuerio sowie Holger Kubinski und Dieter Linke von den Sandhase – ist der Kloß im Hals deutlich zu spüren. Sofort war für sie klar, dass die Kampagne beendet ist. Aber an diesem einen Termin auf der Hauptfeuerwache hielten sie fest, freilich ohne Ornat, in Trauerkleidung.

„Gerade wegen der schrecklichen Ereignisse war es uns ein Herzensanliegen, euch zu danken“, so Marco II., der Krankenpfleger und Rettungsassistent ist, 2005 bis 2008 Organisatorischer Leiter Rettungsdienst im Kreis Bergstraße war. Er kennt sich also aus, und „es hat mir wahnsinnig imponiert, wie schnell so viele Kräfte da waren“.

Das Prinzenpaar (mitte) dankt der Feuerwehr und der Integrierten Leitstelle für den großen Einsatz aller Haupt- und Ehrenamtlichen. © Michael Ruffler

Darüber berichten Feuerwehrkommandant Thomas Näther und Christoph Scherer, Geschäftsführer der Integrierten Leitstelle. „Wir haben sofort eine außergewöhnliche Einsatzlage ausgerufen“, so Näther, sprich Vollalarm für Freiwillige Feuerwehr und Katastrophenschutz. Eigentlich habe man sich für Fasnachtssonntag und Dienstag auf alle Eventualitäten vorbereitet, doch „am Rosenmontag mit nichts gerechnet, es war ja ein normaler Tag ohne Event“, so Näther. Doch es sei gelungen, „schnell wahnsinnig viele Kräfte aus der ganzen Region“ zu mobilisieren. „Wir haben den Rettungsdienst bis Erbach und Heilbronn alarmiert“, ergänzt Scherer.

Ehrenamtliche leisten beeindruckende Hilfe

Nach den ersten Meldungen fürchtete man sehr viel mehr Verletzte. Daher waren 80 Hauptamtliche des Rettungsdienstes, über 50 Feuerwehrleute, 180 Ehrenamtliche der Einsatzeinheiten des Katastrophenschutzes und 40 Führungskräfte in Leitstelle und Stab aktiv, der Container für den Massenanfall von Verletzten bereitgestellt. „Es war beeindruckend, dass tagsüber unter der Woche so viele Ehrenamtliche so schnell verfügbar waren“, lobt Scherer. Auch nahezu alle Notfallseelsorger aus Mannheim und viele aus der Region halfen bis spät in die Nacht und am Dienstag gleich wieder.

„Dass der Bevölkerungsschutz so funktioniert, ist ja schon imposant und auch beruhigend“, reagiert Prinz Marco II. und dankt für „die herausragende Arbeit der vielen Haupt- und vor allem Ehrenamtlichen während dieser schlimmen Stunden“. Er wisse ja aus eigener Erfahrung, dass hinter diesem Ehrenamt viel Zeit für Ausbildung stecke. „Und wenn man Verletzungen durch äußere Gewalteinwirkung sieht, muss man das nochmal anders verarbeiten als nach einem Herzinfarkt oder einem Unfall“, so der Prinz. „Es ist mehr als ein Hobby“, bestätigt Näther.

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Ihm sei es daher wichtig, den Helfern „für die unzähligen Stunden, in denen nichts oder wenig passiert, aber die Bevölkerung ein gutes und sicheres Gefühl hat, zu danken“, betont der Prinz. Zwar könne er jetzt keine Orden mehr überreichen, „aber ich hoffe, dass die Wertschätzung trotzdem rüberkommt“, so Marco II. „Diese Wertschätzung nehmen wir gerne entgegen“, dankt Näther. „Wir wissen das zu schätzen“, freut sich auch Scherer – auch wenn alle spürbar bedrückt sind.

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